Politik

Gegen die EU? Großbritannien und Türkei schmieden neue Allianz in Europa und Asien

Während Deutschland und Frankreich versuchen, die USA gegen Großbritannien und die Türkei auf ihre Seite zu ziehen, schmieden London und Ankara in Europa und Asien eine nachrichtendienstliche und militärische Allianz. Darüberhinaus nehmen sich Türken, Briten und Australier auch den Asien-Pazifik-Raum vor.
19.11.2020 16:03
Aktualisiert: 19.11.2020 16:03
Lesezeit: 3 min
Gegen die EU? Großbritannien und Türkei schmieden neue Allianz in Europa und Asien
Großbritannien und die Türkei/Frankreich und Deutschland. (Google Maps/DWN)

Der Sprecher des türkischen Präsidenten, Ibrahim Kalın, erörterte am 11. November 2020 mit dem Chef des britischen Auslandsgeheimdienstes (MI6), Richard Moore, den Waffenstillstand zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach. Das Treffen fand in Ankara statt. Weiterhin wurden Gespräche über die Zukunft der bilateralen Beziehungen zwischen der Türkei und dem Vereinigten Königreich geführt. Kalın und Moore tauschten sich auch über die Entwicklungen in Libyen, im östlichen Mittelmeerraum und im Nahen Osten aus. Schließlich bewerteten die beiden Gesprächspartner auch Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zwischen ihren Nationen in den Bereichen Sicherheit und Außenbeziehungen, teilt der englischsprachige Dienst der Nachrichtenagentur „Anadolu“ mit.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und der australische Premierminister Scott Morrison diskutierten am 12. November 2020 in einem Telefonat Schritte zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen sowie zur Zusammenarbeit auf internationalen Plattformen, so The Daily Sabah. Laut der Kommunikationsdirektion der Türkei erklärte Erdoğan, die Türkei betrachte Australien als einen bedeutenden Partner im asiatisch-pazifischen Raum, da beide eine ähnliche Perspektive in Bezug auf gemeinsame und internationale Fragen teilen.

Ein britischer Eurofighter Typhoon Jet und zwei türkische F-16 führten anschließend am 18. November 2020 ihren ersten Trainingsflug durch. „Im Rahmen des # NATO-Trainings wurde der erste Trainingsflug unter Beteiligung des #RAF Eurofighter Typhoon der britischen Royal Air Force, der in Konyas 3. Haupt-Jet-Base-Kommando eingetroffen war, sowie zweier F-16-Flugzeuge unserer 132. Waffe und Taktik Flottenkommando, durchgeführt“, teilte das türkische Verteidigungsministerium mit.

Daraus ergibt sich: Während die Außenminister Frankreichs und Deutschlands versuchen, die USA auf ihre Seite zu ziehen, um die Türkei zurückzudrängen, macht Großbritannien das genaue Gegenteil. Diese gegensätzlichen außenpolitischen Konturen werden sich auch in den Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU widerspiegeln. Die Manöver Ankaras und Londons hängen offenbar auch damit zusammen, dass die EU beide Länder aus geopolitischen Gründen „stiefmütterlich“ behandelt.

Großbritannien und die Türkei arbeiten seit geraumer Zeit an der Bildung einer militärischen und nachrichtendienstlichen Allianz. Der Umstand, dass es alsbald zu einem Regierungswechsel in den USA kommen wird, hat dazu geführt, dass Großbritannien und die Türkei diesen Prozess beschleunigen wollen. Ausschlaggebend ist der Brexit und die Tatsache, dass eine US-Regierung, die von der Demokratischen Partei kontrolliert wird, den Post-Brexit-Ambitionen Großbritanniens und den internationalen Ambitionen der Türkei etwas distanzierter gegenüber steht, als es die Trump-Administration tut. Da Deutschland und Frankreich aus britischer Sicht als Bündnispartner wegfallen werden, sucht London nach Partnern außerhalb der EU – sowohl in wirtschaftlicher als auch politischer Hinsicht.

Am 11. September 2020 hatten Marineeinheiten der Türkei und Großbritanniens im östlichen Mittelmeer ein Manöver durchgeführt. An dem Manöver waren die türkische Fregatte „TCG Giresun“ und die britische Fregatte „HMS Argyll“ beteiligt.

Das Manöver wurde als politische Positionierung der Briten im östlichen Mittelmeer angesehen. Frankreich, Ägypten, Griechenland, Teile des US-Verteidigungsministerium, Israel und die EU versuchen, das östliche Mittelmeer aufzuteilen, um die Seewege und die Gasressourcen zu kontrollieren. Dabei versuchen sie, die Türkei komplett zu isolieren. Doch die Briten scheinen die Einflussmöglichkeiten und das Potenzial der Türkei für stärker einzuschätzen, weshalb sie sich an Ankara orientieren. Großbritannien ist historisch bekannt für seine diplomatische Flexibilität.

Das Interesse Großbritanniens an einer engen Kooperation mit der Türkei hängt unweigerlich auch mit dem außenpolitischen Expansionskurs der Türkei zusammen.

„Wir müssen uns die Lektionen anderer ansehen. Schauen Sie, wie die Türkei in Libyen operiert, wo sie seit Mitte 2019 Bayraktar TB-2 UAVs einsetzt. Diese UAVs (Bayraktar TB-2 Dronen) haben Aufklärungs-, Überwachungs- und Zieloperationen gegen Frontlinien, Versorgungsleitungen und Logistikbasen durchgeführt. Im Juli letzten Jahres haben sie den von der libyschen Nationalarmee kontrollierten Jufrah-Flugplatz getroffen und mehrere Kommando- und Kontrollknoten sowie zwei Transportflugzeuge zerstört“, zitiert Defense World den britischen Verteidigungsminister Ben Wallace.

Im Zusammenhang mit Syrien sagt er: „Oder denken Sie an das Engagement der Türkei in Syrien und den Einsatz elektronischer Kriegsführung, leicht bewaffneter Drohnen und intelligenter Munition, um Panzer, gepanzerte Autos und Luftverteidigungssysteme zu stoppen. Selbst wenn die Hälfte der Behauptungen wahr ist, sind die Auswirkungen bahnbrechend.“

Wallace ebnete mit diesen Worten den Weg für eine künftige militärisch-geheimdienstliche Kooperation mit der Türkei, die im August 2019 im Abkommen „UK/Turkey: Framework Agreement on Military Cooperation [TS No.5/2019]“ besiegelt wurde.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende: Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...

DWN
Politik
Politik Trump: Wir schicken Waffen, die NATO zahlt
11.07.2025

Erst Stopp, dann Freigabe: Trump entscheidet über Waffen für Kiew – und kündigt neue Schritte gegen Russland an. Bezahlen will er das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...