Nach neun Monaten Unterbrechung wegen der Corona-Pandemie wird Deutschland wieder abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan zurückfliegen. Die Maschine mit 37 Männern an Bord soll heute den Flughafen München verlassen und morgen in der afghanischen Hauptstadt Kabul landen. Nach Informationen der Zeitung „Welt“ sollen 20 der Männer Straftäter sein. Sie seien unter anderem wegen Totschlag, gefährlicher Körperverletzung, Kindes-Missbrauch und Drogenhandel verurteilt.
Die Grünen-Politikerin Claudia Roth reagierte empört: „Die vielen Anschläge, Angriffe und Massaker, die in Afghanistan tagtäglich stattfinden, verbieten es, dorthin abzuschieben. Es besteht die Gefahr für Leib und Leben.“ Zudem leide Afghanistan stark unter dem Coronavirus, so die Bundestags-Vizepräsidentin weiter: „Damit gefährdet die Bundesregierung zusätzlich Leben und Gesundheit der Menschen. Afghanistan ist nicht in der Lage, die Menschen zu versorgen oder ihre Sicherheit zu garantieren.“
Auch die Menschenrechtsorganisation „Pro Asyl“ protestierte. Es sei „völlig unverantwortlich, während eines bundesweiten Lockdowns stur an diesem Flug ins Ungewisse festzuhalten“, kritisierte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Und weiter: „Menschenwürde und das Recht auf Gesundheit fordern einen Stopp von Abschiebungen. Der Flug darf nicht stattfinden.“
Nach Corona-bedingter Pause haben auch weitere europäische Länder Abschiebeflüge wiederaufgenommen. Nach Informationen der dpa landete heute ein Flieger mit elf aus Österreich und Bulgarien abgeschobenen Afghanen in Kabul. Eine Abschiebung aus Schweden wurde unterdessen von Aktivisten verhindert.
Die vorerst letzte Sammelabschiebung aus Deutschland hatte im März dieses Jahres stattgefunden. Im Jahr 2019 wurden 361 Männer nach Afghanistan zurückgebracht, 2018 waren es 284. In den letzten Jahren beantragten per annum circa 15.000 Afghanen in Deutschland Asyl. Im Jahr 2015 waren es knapp eine halbe Million gewesen. Die Anerkennungsquote betrug damals weniger als ein Prozent, allerdings bekam fast die Hälfte (47 Prozent) einen Schutzstatus, durften also bleiben.