Finanzen

Flucht ins Bargeld: Weltweit werden so viele Dollar gehortet wie nie zuvor

Das Volumen weltweit zirkulierender Dollar-Banknoten hat einen neuen Höchststand erreicht. Angesichts von Weltwirtschaftskrise und Corona-Pandemie flüchten die Menschen ins Bargeld.
11.01.2021 09:00
Lesezeit: 3 min

Das Volumen weltweit zirkulierender Dollar-Banknoten hat den höchsten jemals registrierten Stand erreicht. Wie aus Veröffentlichungen der amerikanischen Zentralbank hervorgeht, zirkulierten am 30. Dezember 2020 Dollar-Scheine und Münzen im Gesamtwert von fast 2,09 Billionen Dollar auf der Welt („Currency in circulation (11)“). Drei Wochen zuvor, am 9. Dezember 2020, lag das Volumen noch bei 2,02 Billionen Dollar und damit etwa 70 Milliarden Dollar niedriger, wie aus einem anderen Dokument der Fed hervorgeht.

Seit Februar 2020 – als die Auswirkungen der Pandemie in den USA erstmals spürbar wurden – stieg das Volumen damit um etwa 16 Prozent oder 293 Milliarden US-Dollar, schreibt der Finanzblog Wolfstreet. Die Steigerung spiegele die starke Nachfrage nach Dollar-Bargeld auf der ganzen Welt wider, weil der US-Dollar in vielen Ländern neben der Landeswährung als Zahlungsmittel akzeptiert und darüber hinaus auch als Wertaufbewahrungsmittel verstanden wird.

Zusätzlich zur Schutzmaßnahme vor einer Entwertung der Landeswährung zielt die Flucht in den Dollar auch darauf ab, die schädlichen Auswirkungen möglicher Bankpleiten oder Staatsbankrotte auf die persönlichen Finanzen abzufedern. Denn sowohl Zentralbank und Geschäftsbanken wie auch die Regierung des Heimatlandes haben keine Kontrolle über die unter der Matratze oder im Banksafe lagernden Dollar-Banknoten, welche den Besitzer aus diesen Gründen vor Enteignungen oder Sondersteuern schützen können oder deren Auswirkungen zumindest abfedern. Schließlich eignen sich Dollarnoten auch für Zwecke der üblichen Steuervermeidung, vor allem auch im Zusammenhang mit nicht deklarierten oder sogar kriminellen Transaktionen.

„Der Anstieg bei den Dollar-Noten ist ein Zeichen für Hortungen, nicht für mehr Zahlungsvorgänge. In den USA sinkt der Anteil des Bargeldes bei der Bezahlung seit Jahren und dieses wird zunehmend durch elektronische Bezahlvorgänge ersetzt (…)“, schreibt Wolfstreet. Daraus folgt, dass die Attraktivität des US-Dollars weiterhin ungebrochen hoch ist und dieser seine Funktion als Leitwährung weiterhin ausübt – obwohl einige langfristige Tendenzen diese Rolle inzwischen ernsthaft in Frage stellen.

Schulden und Defizite - wackelt der Status als sicherer Hafen?

Bemerkenswert ist die massive Nachfrage nach Dollar-Bargeld zu einem Zeitpunkt, an dem der Wechselkurs des Greenbacks an den Devisenmärkten zu anderen wichtigen Währungen unter Druck steht. So lag der Wechselkurs im März des Vorjahres noch bei etwa 1,05 Dollar für den Euro. Aktuell notiert der Kurs bei rund 1,23 Dollar. Gleiches gilt beispielsweise im Verhältnis zum chinesischen Yuan, welcher seit Mai 2020 von etwa 7,15 Yuan auf nun rund 6,44 zum Dollar aufwertete, sowie für den Wechselkurs zum japanischen Yen.

Als Gründe für den Verkaufsdruck an den Märkten wird ein Bündel von Faktoren genannt – zu den wichtigsten gehören der durch die Corona-Pandemie ausgelöste Wirtschaftseinbruch und die extrem expansive Geldpolitik der US-Zentralbank Federal Reserve. Diese hatte in den vergangenen Monaten hunderte Milliarden Dollar aus dem Nichts geschaffen und in das Finanzsystem und den Staatshaushalt gepumpt, was bei Investoren die Sorge vor einer stark anziehenden Inflation im US-Währungsgebiet auslöste.

Als Folge dieser Geldpolitik verlängerte sich die Bilanzsumme der Notenbank zwischen März und Dezember 2020 um etwa 3 Billionen Dollar auf nun 7,2 Billionen Dollar und das Volumen der umlaufenden Geldmengen stieg stark an. Die Geldmenge M1 steigt, weil aufgrund der scharf reduzierten Zinsen Umschichtungen aus Sparkonten und Festgeldern auf die reinen Transaktionskonti stattfinden, nicht zuletzt im Zusammenhang auch mit vermehrten Börsentransaktionen von Kleinanlegern wie der Robinhood-Trader.

Es sei darauf hingewiesen, dass die Fed mit ihrer eskalativen Geldpolitik nicht alleine dasteht, sondern dass nahezu alle Zentralbanken der Welt (interessante Ausnahmen sind beispielsweise China und Ghana) derzeit davon Gebrauch machen. Die Investmentbank Morgan Stanley schätzt, dass die kombinierte Bilanzsumme von Federal Reserve, Europäischer Zentralbank, Japans Notenbank und der Bank of England Ende 2020 rund 29 Billionen Dollar betragen haben dürfte – was eine Verdoppelung gegenüber dem Umfang von Ende 2019 darstellt.

Die schnell steigenden Staatsschulden sind ein anderer wichtiger Faktor, der Investoren an der Solidität der US-Finanzen zweifeln lässt. So stiegen die Verbindlichkeiten zwischen dem dritten Quartal 2019 und dem dritten Quartal 2020 von 16,8 Billionen Dollar auf rund 21 Billionen Dollar. Inzwischen (Stand: 6. Januar 2021) belaufen sich die Verbindlichkeiten auf mehr als 27,7 Billionen Dollar, wie aus Daten des Portals US Debt Clock hervorgeht.

Im Gleichklang mit den Staatsschulden weiten sich die Defizite im Staatshaushalt rasant aus – ein weiterer Faktor, der auf dem Wechselkurs des Dollars lastet. „Im Kalenderjahr 2020 stellte sich das öffentliche US-Haushaltsdefizit auf 4,546 Billionen US-Dollar. Das entspricht mehr als 21 Prozent der Wirtschaftsleistung dieses Jahres. Damit ist die IWF-Prognose aus dem Fiscal Monitor (Oktober 2020) von 18,7 Prozent der Wirtschaftsleistung Makulatur (IWF-Prognose für Eurozone 10,1 Prozent der Wirtschaftsleistung). An diesen Daten wird deutlich, dass kein anderes bedeutendes westliches Land so unausgeprägte selbsttragende Wirtschaftskräfte aufweist. Der internationale Finanzmarkt ist unverändert nicht bereit, diesen Tatsachen bezüglich angemessener Diskontierung ernsthaft ins Auge zu sehen“, schrieb der Finanzdienstleister Solvecon kürzlich in seinem Forex-Report.

Es bleibt abzuwarten, wie sich Wechselkurs und Entwertung des Dollars in den kommenden Monaten entwickeln werden. Fakt ist, dass die US-Währung in Bargeldform weiterhin in zahlreichen Ländern der Welt als Wertaufbewahrungsmedium sehr begehrt ist und gehandelt wird.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie LinkedIn ist das professionelle soziale Netzwerk: Doch etwas ist im Wandel
02.08.2025

LinkedIn galt lange als letzte seriöse Bastion im Netz – ein Ort für Karrieren, Netzwerkpflege und Fachlichkeit. Doch jetzt häufen...

DWN
Finanzen
Finanzen Warum nur 1 von 25 Aktien echten Wohlstand schafft
02.08.2025

Nur vier Prozent der Aktien schaffen es, den Markt nachhaltig zu schlagen – der Rest vernichtet langfristig Vermögen. Was Anleger jetzt...

DWN
Finanzen
Finanzen Immobilien-Crowdfunding-Falle: Anleger warnt vor Reinvest24
02.08.2025

Ein Investor schlägt Alarm: Zinsen bleiben aus, Geld verschwindet, Auskünfte gibt es keine. Der Fall der Plattform Reinvest24 zeigt, wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fahrermangel in Europa: Fast die Hälfte der europäischen Lkw-Fahrer steht kurz vor der Pensionierung
02.08.2025

Europa droht eine stille Krise, die alle trifft: Hunderttausende Lkw-Fahrer gehen bald in Rente – doch kaum jemand will nachrücken....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chef des Superfonds Eifo zur chinesischen Windkraft-Offensive: „Ich bin besorgt“
02.08.2025

Chinas Windkraftkonzerne drängen mit Macht auf globale Märkte – und bedrohen nun auch Europas Energiewende. In Lateinamerika, Afrika...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gefahr für Trumps Zollpolitik: Klagen eingereicht – entscheidender Prozess hat begonnen
01.08.2025

Trumps Zollpolitik steht vor dem juristischen Kollaps: Fünf US-Firmen und zwölf Bundesstaaten klagen gegen die Sondervollmacht, auf deren...

DWN
Technologie
Technologie Huawei schockt die Konkurrenz: 3000-Kilometer-Batterie stellt alles Bisherige in den Schatten
01.08.2025

Huawei greift nach der Technologieführung im Batteriezeitalter: Mit 3000 Kilometern Reichweite und fünf Minuten Ladezeit droht der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zollroulette: Die Weltwirtschaft tanzt nach seiner Pfeife
01.08.2025

Donald Trump zündet die nächste Eskalationsstufe im globalen Wirtschaftskrieg – mit Zöllen, Chaos und Drohgebärden. Experten sprechen...