Deutschland

Unternehmerinnen sind besonders frustriert: Corona-Hilfen kommen nicht bei ihnen an

Lesezeit: 3 min
18.01.2021 10:00
Auch der Verband deutscher Unternehmerinnen beschwert sich darüber, dass die sogenannten Corona-Hilfen nicht oder nur zögerlich ankommen würden. „Viele frauengeführte KMU und soloselbständige Frauen haben in den ersten Monaten der Pandemie auf eigene Rücklagen zurückgegriffen, um Liquiditätsengpässe zu stemmen. Doch diese sind nun weitestgehend aufgebraucht“, so die Unternehmerinnen.
Unternehmerinnen sind besonders frustriert: Corona-Hilfen kommen nicht bei ihnen an
Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, hält nach der Pressekonferenz zum Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise ein Plakat mit der Aufschrift "Überbrückungshilfen für den Mittelstand" in den Händen. (Foto: dpa)
Foto: Lennart Stock

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Unter den Unternehmerinnen mehrt sich Frustration über die Antragsmodalitäten und Verzögerungen bei den Auszahlungen der Hilfen für kleine und mittelständische Unternehmen und Soloselbständige, die aufgrund der Corona-Maßnahmen und Schließungen mit Umsatzausfällen und Liquiditätsengpässen kämpfen, teilt der Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU) in einer Mitteilung, die den Deutschen Wirtschaftsnachrichten vorliegt, mit. Viele frauengeführte KMU und soloselbständige Frauen haben in den ersten Monaten der Pandemie auf eigene Rücklagen zurückgegriffen, um Liquiditätsengpässe zu stemmen. Doch diese sind nun weitestgehend aufgebraucht. Anfang Dezember gaben ein Viertel der Unternehmerinnen des VdU an, Überbrückungshilfe II und III und die November- oder Dezemberhilfe beantragen zu wollen.

Aber statt die von der Bundesregierung zugesagte schnelle und unbürokratische Hilfe zu erhalten, sehen sie sich mit den Versäumnissen der Bundesregierung in den letzten Jahrzehnten konfrontiert: mangelnde Digitalisierung der Verwaltung und eine verwirrende Bürokratie. Deutsches und EU-Beihilferecht verkomplizieren die Antragsbedingungen. Bis das Antragsportal für die jeweiligen Hilfen einsetzbar ist, vergehen Wochen. Die Prüfung und Auszahlung ziehen sich ebenfalls hin. Die sogenannte Novemberhilfe kann erst seit dem 10. Januar ausgezahlt werden, nachdem im Dezember Abschlagzahlungen ermöglicht wurden, weil sich das Verfahren zu lange verzögerte. Aufgrund dieser Hürden wurde bisher nur ein Bruchteil der von der Bundesregierung für die Hilfsprogramme zur Verfügung gestellten Mittel abgerufen. Die Überbrückungshilfe III, die in bestimmten Fällen auch eine verbesserte Fixkostenerstattung für November und Dezember 2020 vorsieht, kann noch gar nicht beantragt werden. Das Ergebnis: Die Hilfen kommen bisher kaum, zu spät und nicht im angekündigten Umfang bei den betroffenen Unternehmen, die sie dringend brauchen, an.

Aufgrund der hohen Komplexität, massiver Unklarheiten und rückwirkender Änderungen der Antragsbedingungen, zögern viele Unternehmerinnen die Hilfsprogramme zu nutzen. So sind bei der Überbrückungshilfe II und den November- und Dezemberhilfen zentrale Fragen noch ungeklärt, was die Beantragung fehleranfällig macht. Unternehmerinnen und prüfende Dritte gehen möglicherweise strafrechtliche Risiken ein. Bei unklaren Sachverhalten müssen die beiden zuständigen Ministerien für Wirtschaft und für Finanzen eine handhabbare Einzelfallbeurteilung ermöglichen. Unstimmigkeiten in den Regelungen müssen umgehend beseitigt werden.

Erst Anfang Dezember wurde bekannt, dass Unternehmen, die Überbrückungshilfe II beantragen wollen, anders als bisher nicht nur einen Umsatzeinbruch, sondern auch einen Verlust nachweisen müssen. Unklar ist aber, wie dieser Verlust im Detail berechnet werden soll. Zudem wird es für viele Unternehmen schwer, einen bilanziellen Verlust auf Monatsbasis zu ermitteln und nachzuweisen, was sie wiederum davon abhalten wird, die Hilfe zu beantragen. Unklar ist auch, welche Kosten als ungedeckte Fixkosten in die Berechnung einfließen dürfen. Nicht transparent ist die Anrechnung von Hilfen und KfW-Krediten auf De-minimis-, Kleinbeihilfen- und Fixkostenförderung nach deutschem und EU-Recht. Hier sind möglicherweise Anrechnungen aus früheren Kreditvergaben und Förderungen vorzunehmen und es gibt branchenabhängig unterschiedliche Höchstgrenzen.

Auch die Regelungen zur Dezemberhilfe zeigen eine eklatante Lücke. Denn für die Dezemberhilfe sind bisher nur die Unternehmen antragsberechtigt, die bereits im November von bundesweit geltenden Schließungen betroffen waren. Unternehmen z.B. aus dem stationären Einzelhandel, die erst aufgrund der Beschlüsse vom 13. Dezember ihren Betrieb einstellen mussten, sind nicht berechtigt, Hilfen für den Umsatzausfall in der Weihnachtszeit zu beantragen. Für den stationären Einzelhandel ist dies eine Katastrophe. Er kann mit der Überbrückungshilfe nur einen Teil der Fixkosten decken. Auf der Saisonware bleibt er sitzen, denn der Wareneinkauf gehört nicht zu den Fixkosten. Um einer drohenden Überschuldung des stationären Einzelhandels zu begegnen, braucht er dringend branchenspezifische Liquiditätshilfen. Steuerliche Entlastungen durch Abschreibung reichen hier nicht, denn die meisten Unternehmen haben 2020 kaum Gewinne erzielt, die sie versteuern müssen. Für besonders betroffene Branchen sollte zudem eine Ausnahmeregelung für eine weitere Aussetzung des Insolvenzantragsgrunds Überschuldung im 1. Halbjahr 2021 ermöglicht werden.

Dass die Beantragung der Neustarthilfe für Soloselbständige noch immer nicht möglich ist, ist nach der monatelangen Nichtberücksichtigung der Belange der Soloselbständigen in den Corona-Hilfen ein Armutszeugnis. Antragsstellung und zügige Auszahlung müssen endlich starten. Zudem können Hilfen von maximal 5.000 Euro für die Gesamtlaufzeit von Dezember 2020 bis Ende Juni 2021 nur als Tropfen auf dem heißen Stein verstanden werden. Sie müssen ausgebaut und die Zahlung eines fiktiven Unternehmerlohns für alle Unternehmer*innen bei der Überbrückungshilfe berücksichtigt werden.

Die Unternehmerinnen fordern vom Bundesfinanzministerium und vom Bundeswirtschaftsministerium dringende Nachbesserung und einen beschleunigten Zugang zu allen Hilfen.

Überbrückungshilfe II:

Unternehmerlohn: Der fiktive Unternehmerlohn muss endlich bei den förderfähigen Kosten für alle Unternehmer*innen berücksichtigt werden.

Betrachtungszeitraum: In den Regelungen muss geklärt werden, ob der Betrachtungszeitraum monatlich oder kumuliert für September bis Dezember 2020 oder der komplette Beihilfezeitraum März 2020 bis Juni 2021 ist.

Kostenberechnung: Abschreibungen auf Anschaffungen nach dem 10.02.2020 und im Jahr 2020 realisierte Hygienemaßnahmen müssen als ungedeckte Fixkosten angerechnet werden. Zudem muss die Begrenzung der Werbekosten für den Neustart geschlossener Unternehmen auf das Niveau 2019 aufgehoben werden.

Wirkung anderer Hilfsprogramme: Klargestellt werden muss, ob November und Dezemberhilfen schädlich anzurechnen sind und zu welchem Zeitpunkt. KfW-Schnellkredite müssen als Eigenkapital gewertet werden und bei der Beihilfebetrachtung unberücksichtigt bleiben.

Klargestellt werden muss, welche individuelle Bestimmungen es je nach Branche und Unternehmensgröße gibt.

Neustarthilfe:

Die Beantragung und die Auszahlung der Neustarthilfe für Soloselbständige müssen endlich beginnen.

Die maximal zu beantragende Hilfe für die Gesamtlaufzeit von Dezember 2020 bis Ende Juni 2021 muss erhöht werden.

Dezemberhilfe:

Auch Unternehmen, die von den Schließungsbeschlüssen vom 13. Dezember direkt oder indirekt betroffen sind, müssen berechtigt sein, Dezemberhilfe zu beantragen.

Über den VdU

Im Verband deutscher Unternehmerinnen e.V. (VdU) sind rund 1.800 Unternehmerinnen organisiert. Die Unternehmerinnen erwirtschaften zusammen einen Jahresumsatz von 85 Milliarden EUR und beschäftigen über 500.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland. Seit über 65 Jahren setzt der VdU sich erfolgreich dafür ein, dass die Stimme der Unternehmerinnen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft angemessen Gehör findet.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

 

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Clean Industrial Deal: Warum die EU jetzt handeln muss
26.12.2024

Vor fünf Jahren setzte die EU mit dem Europäischen Green Deal neue Maßstäbe im globalen Klimaschutz. Heute, angesichts wachsender...

DWN
Politik
Politik „Atomkraft? Nein Danke“: Habeck-Ministerium manipulierte wohl AKW-Studie für Atomausstieg
26.12.2024

Manipulation im Wirtschaftsministerium? Wie interne Unterlagen jetzt aufdecken, soll das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck gezielt...

DWN
Politik
Politik Papst eröffnet Heiliges Jahr mit Hoffnungsbotschaft
26.12.2024

Ein strammes Programm hatte der gesundheitlich angeschlagene Papst an Weihnachten zu stemmen: Er eröffnete das Heilige Jahr der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland schafft Gasspeicherumlage ab: Entlastung für Nachbarländer, Mehrkosten für Verbraucher
26.12.2024

Deutschland verabschiedet sich von der umstrittenen Gasspeicherumlage an Grenzübergangspunkten zu Nachbarländern. Mit einer Änderung des...

DWN
Immobilien
Immobilien Sechs Jahre Mietenstopp: Können Mietpreiserhöhungen gesetzlich verboten werden?
26.12.2024

Der aktuelle Wohnmarkt bereitet Volk wie Bundesregierung Kopfzerbrechen. Laut Umfragen glauben immer weniger Deutsche daran, sich den Traum...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Überstunden steuerfrei: Ab 2025 wird es Realität?
26.12.2024

Überstunden ab 2025 steuerfrei? Wenn diese Pläne Wirklichkeit werden, könnten Arbeitnehmer von einer höheren Auszahlung ihrer...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kann Automatisierung die deutsche Industrie retten?
26.12.2024

Die deutsche Wirtschaft kämpft mit Fachkräftemangel und explodierenden Kosten. Wie können Automatisierung und Robotik diese...

DWN
Politik
Politik Wahlforscher Jung: Die Union hat ein "Merz-Problem" - und Habeck eine gute Chance
26.12.2024

Es sei sehr wahrscheinlich, dass Unionskandidat Merz der nächste deutsche Bundeskanzler wird, sagt Wahlforscher Matthias Jung. Doch er...