Die deutsche Automobilindustrie rechnet mit längeren Engpässen bei der Lieferung von Computerchips. "Es ist nicht mit einer kurzfristigen Entspannung zu rechnen", sagte VDA-Chefin Hildegard Müller am Dienstag auf einer Online-Pressekonferenz. Derzeit liefen zahlreiche Gespräche, um Lösungen zu finden. Der Mangel an Halbleitern mache nicht nur den Autobauern und ihren Zulieferern zu schaffen, sondern sei ein Thema der Industrie insgesamt. Müller sprach sich dafür aus, auf europäischer Ebene bei Schlüsseltechnologien wie Computerchips ein Gegengewicht zu Asien zu bilden. Sie verwies auf die für die Elektromobilität entscheidende Batterieversorgung, bei der durch entsprechende Initiativen bereits einiges in die Wege geleitet worden sei.
"Es gibt zurzeit sehr wenige Hersteller von Halbleitern und die sitzen in der Hauptsache in Asien", betonte Müller. Sollten die Kapazitäten nicht mittelfristig erhöht werden, könne sich der Engpass durch alle Industriebereiche ziehen und womöglich das Hochfahren der Elektromobilität bremsen. Beim Bau von Elektroautos werden besonders viele Chips benötigt.
Durch die Engpässe waren bereits mehrere Autobauer gezwungen, ihre Produktion zu drosseln. Volkswagen und Daimler haben in mehreren Werken Kurzarbeit angemeldet. Grund sind nicht nur die Folgen der Pandemie. Die ohnehin wegen der starken Nachfrage an der Kapazitätsgrenze arbeitender chinesischer Halbleiterhersteller sind zusätzlich durch den von US-Präsident Donald Trump angeheizten Handelskrieg in Bedrängnis geraten. Autobauer suchen daher nach alternativen Bezugsquellen und versuchen zum Teil nach Taiwan auszuweichen. Der dortige Halbleiterhersteller TSMC war wegen anderer Aufträge zuletzt überbucht. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier hatte Taiwan jüngst in einem Brief gebeten, auf TSMC einzuwirken, um die Bedeutung zusätzlicher Kapazitäten zu unterstreichen. Der Konzern hatte daraufhin zugesagt, seine Produktion zu optimieren.
Müller verwies darauf, dass die Batterie- und die Halbleiterindustrie in anderen Ländern subventioniert würden. "Deshalb ist es extrem wichtig, dass Europa sich die Frage stellt, ob und in welchen Bereichen wir das tun." Dabei stelle sich die Standortfrage. Europa dürfe nicht in eine Abhängigkeit geraten.
"SONST WIRD AUS DEM STRUKTURWANDEL EIN STRUKTURBRUCH"
Die VDA-Chefin warb dafür, die Bedingungen für die Autoindustrie zu verbessern. Die Branche, für die in Deutschland mehr als 800.000 Menschen arbeiten, dürfe inmitten der Transformation nicht durch hohe Arbeitskosten, Steuern und Klimavorgaben überbelastet werden. "Sonst wird aus dem Strukturwandel ein Strukturbruch, der die gesamte Industrie auseinander reißen lässt", sagte Müller. "So mancher Klimaaktivist würde genau das begrüßen." Die Industrie verschwinde jedoch nicht. "Sie geht woanders hin." Dort herrschten in der Regel schlechtere soziale Bedingungen und Umweltstandards als in Deutschland.
Der Verband der Automobilindustrie rechnet damit, dass die Branche noch länger an den Corona-Schäden zu knappsen hat. Für das laufende Jahr prognostiziert der VDA zwar einen Anstieg der Pkw-Nachfrage hierzulande um acht Prozent auf 3,15 Millionen Einheiten. Damit bliebe der Automarkt aber noch deutlich unter den rund 3,5 Millionen Fahrzeugen der Jahre 2017 bis 2019. Einzig China hat die Pandemie weitgehend hinter sich und dürfte 2021 bereits das Vor-Corona-Niveau übertreffen.