Deutschland

Totaler Kollaps? Der letzte Corona-Appell der Wirtschaft an diejenigen, die Deutschland regieren

Die deutschen Wirtschaftsverbände teilen der Bundesregierung mit, dass zahlreiche Firmen sich in einer existenziellen Not befinden. Eine zu späte Lockerung der Corona-Einschränkungen wäre fatal. Die Einschätzung ist als letzter Appell an die Politik vor dem totalen Kollaps zahlreicher Unternehmen einzustufen.
10.02.2021 11:53
Aktualisiert: 10.02.2021 11:53
Lesezeit: 2 min

Die Wirtschaft warnt vor massiven Verwerfungen bei einer zu späten Lockerung der Corona-Einschränkungen. Viele Firmen seien nach Monaten im Lockdown in einer existenziellen Notlage, hieß es in einem gemeinsamen Appell von Industrie- und Arbeitgeberverband, der am Mittwoch im Vorfeld der Beratungen von Bund und Ländern zum weiteren Kurs in der Corona-Krise veröffentlicht wurde. „Ihnen fehlt auch der Planungshorizont. Ein Licht am Ende des Tunnels ist nicht zu erkennen“, kritisieren die beiden Verbände BDI und BDA. „Wir plädieren deshalb eindringlich für ein Öffnungskonzept.“ Dieses müsse aufzeigen, wie schrittweise und regional differenziert Corona-Einschränkungen zurückgenommen werden könnten. „Dazu gehört ein systematisches, wissenschaftliches Monitoring zur Wirksamkeit einzelner Eindämmungsmaßnahmen.“

Mehr zum Thema: Knockout: Harter Lockdown wird dramatische Insolvenzwelle auslösen

Der Lockdown wird möglicherweise bis zum 14. März verlängert. Das geht aus einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Entwurf für das Spitzengespräch am Nachmittag hervor. Ausnahmen könnte es aber zumindest im Bildungsbereich und etwa für Frisöre geben.

Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer warnte vor deutlich steigenden Insolvenzen. Corona-Lockerungen müssten so schnell wie möglich umgesetzt werden, sagte er der „Rheinischen Post“. „Andernfalls hätte das dramatische wirtschaftliche Folgen. Ein tausendfaches Betriebesterben muss unbedingt verhindert werden, nicht zuletzt weil es unsere Betriebe und ihre Beschäftigten sind, die Steuern und Abgaben erwirtschaften, die der Staat brauchen wird, um den Weg aus der Corona-Pandemie zu finanzieren.“ Frisöre, Kosmetiker, Maßschneider, Gold- und Silberschmiede stünden in vielen Fällen vor dem Kollaps.

Auch aktuelle Daten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), die Reuters vorliegen und über die das „Handelsblatt“ zuerst berichtet hatte, aus einer Umfrage unter mehr als 30.000 Firmen zeugen von einer angespannten Lage. 33 Prozent der Reisevermittler rechnen demnach für 2021 mit weiteren Umsatzverlusten im Vergleich zum Krisenjahr 2020. In der Gastronomie sind es 39 Prozent und im Einzelhandel 40 Prozent. 31 Prozent der Reisevermittler stehen nach eigener Einschätzung vor einer drohenden Pleite. In der Gastronomie sind es 19 Prozent, im Einzelhandel sieben Prozent. Insgesamt beurteilen 94 Prozent der Reisevermittler, 87 Prozent der Gastronomiebetriebe und 41 Prozent der Einzelhändler ihre aktuelle Situation als schlecht.

Ifo-Institut – Es trifft vor allem einzelne Branchen

Nach Berechnungen des Münchner Ifo-Instituts entgeht Deutschland pro Woche Lockdown eine Wertschöpfung von 1,5 Milliarden Euro. „Damit sind die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen deutlich geringer als während der ersten Welle im Frühjahr 2020“, sagte Ifo-Experte Timo Wollmershäuser. „Die Wirtschaftsleistung dürfte nur in den konsumnahen Dienstleistungsbereichen ins Minus rutschen, in denen soziale Kontakte ein wichtiger Bestandteil des Geschäftsmodells sind.“ Zu diesen Branchen gehören das Gastgewerbe, die Freizeit-, Kultur- und Sporteinrichtungen sowie Frisör- und Kosmetiksalons. „Da die Industrie- und Baukonjunktur jedoch weiterhin gut laufen, dürfte das Bruttoinlandsprodukt zu Jahresbeginn nicht zurückgehen, sondern stagnieren“, so Wollmershäuser.

Mehr zum Thema: Corona-Fehlalarm? Wenn die Bundesregierung sich geirrt hat, wird sie „stürzen“

Ifo-Präsident Clemens Fuest hält einen bis Mitte März verlängerten Lockdown wirtschaftlich für verkraftbar. „Wir haben derzeit ja einen Lockdown, in dem ein großer Teil der Wirtschaft geöffnet ist und aktiv ist - insbesondere der Sektor des Verarbeitenden Gewerbes. Und solange das so ist, ist das ganze auch verkraftbar.“ Eine raschere Öffnung mit einem Anstieg der Infektionen „verursacht eben auch große wirtschaftliche Schäden – vielleicht noch größere“.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Lidl krempelt den Einkauf um: Warum die Scan-and-Go-Technologie den Handel umdreht
13.12.2025

Litauens Handelsketten treiben den digitalen Umbruch voran. Das Selbstscansystem Scan & Go kommt nun in die Lidl Filialen. Bisher wurde...

DWN
Politik
Politik Billigfluglinien bereiten sich bereits auf Flüge in die Ukraine vor
13.12.2025

Wizz Air, Ryanair und EasyJet bringen sich in Stellung. Europas Billigfluglinien planen bereits ihre Rückkehr in die Ukraine und rechnen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europa-Krise vertieft sich: JPMorgan warnt vor dramatischen Folgen für Amerika
13.12.2025

Die Warnungen von JPMorgan Chef Jamie Dimon treffen Europa in einer Phase wachsender politischer Unsicherheit. Seine Kritik an der...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Textilrecycling: Wie eine schwedische Gründerin die Branche unter Druck setzt
12.12.2025

Ein junges schwedisches Unternehmen behauptet, die nachhaltigste Lösung für das Textilrecycling gefunden zu haben. Die Methode nutzt CO2,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Shein, Temu & Co. betroffen: EU erhöht Kosten für Billigpakete aus Drittstaaten
12.12.2025

Um die Flut günstiger Online-Pakete aus Ländern wie China einzudämmen, beschließt die EU eine neue Importabgabe. Ab Juli 2026 sollen...

DWN
Politik
Politik Regierung reagiert auf Cyberangriffe: Russlands Botschafter einbestellt
12.12.2025

Nach einer Reihe hybrider Angriffe, darunter Falschnachrichten, manipulierte Videos und eine Hacker-Attacke, hat die Bundesregierung...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Flix bestellt 65 neue Fernzüge: Ausbau ab 2028 geplant
12.12.2025

Flix will das Fernverkehrsangebot deutlich ausbauen: Das Unternehmen hat beim spanischen Hersteller Talgo bis zu 65 neue Züge geordert....

DWN
Politik
Politik Regierung startet Onlineportal für Bürgerfeedback
12.12.2025

Die Bundesregierung will Bürger und Unternehmen stärker in die Verwaltungsarbeit einbeziehen. Über das neue Portal „Einfach machen“...