Deutschland

Knockout: Harter Lockdown wird dramatische Insolvenzwelle auslösen

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft warnt vor einem harten Lockdown. Dieser würde eine dramatische Insolvenzwelle im Mittelstand mit hohen Arbeitsplatz- und Ausbildungsplatzverlusten auslösen. Stattdessen erwartet der Mittelstand von der Politik einen einheitlichen Stufenplan für ganz Deutschland.
12.12.2020 18:42
Aktualisiert: 12.12.2020 18:42
Lesezeit: 2 min

Markus Jerger, Geschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), teilte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten mit: „Der Mittelstand erwartet von der Politik einen einheitlichen Stufenplan für ganz Deutschland. Darin muss klar definiert sein, welche Maßnahmen bei welchen Corona-Fallzahlen gelten sollen. Unternehmen benötigen ein deutlich höheres Maß an Planungssicherheit. Die bislang getroffenen Entscheidungen vermitteln eher ein chaotisches Durcheinander bei Zuständigkeiten und Kompetenzen. Wenn der Mittelstand den Karren aus dem Dreck ziehen soll, ist es auch nicht zu viel verlangt, dass die Voraussetzungen dafür stimmen.

Ich warne zugleich vor einem harten Lockdown. Zeigt ein einmaliger radikaler Eingriff in die Wirtschaft nicht die erhoffte Wirkung, droht eine planlose Aneinanderreihung von Lockerungen und erneutem Stillstand. Die Folge wäre eine dramatische Insolvenzwelle im Mittelstand mit hohen Arbeitsplatz- und Ausbildungsplatzverlusten.

Ein harter Lockdown wäre auch ungerecht gegenüber den allermeisten Betrieben und Bürgern, die die Hygieneregeln konsequent einhalten. Viele mittelständische Unternehmen haben zudem erhebliche Mittel in die Digitalisierung investiert, um ihren Mitarbeitern ein möglichst flexibles Arbeiten zu ermöglichen.

Für Deutschland wird 2021 das Jahr der Wahrheit. Wir können es uns nicht länger leisten, in der Corona-Krise auf Sicht zu fahren. Der Mittelstand braucht gerade jetzt klare Orientierung. Am Anfang einer Wachstumsstrategie 2021 der Bundesregierung muss daher ein klarer Stufenplan stehen, damit die Wirtschaft die Folgen der Pandemie übersteht.“

Wie wichtig das Weihnachtsgeschäft für den Einzelhandel ist, geht aus einer Grafik von „Statista“ hervor. Der Anteil des Weihnachtsgeschäfts am Jahresumsatz in ausgewählten Einzelhandelsbranchen in Deutschland lag im Jahr 2018 zwischen 15 und 28 Prozent. Wenn im aktuellen Jahr das Weihnachtsgeschäft wegbrechen sollte, würden viele Einzelhändler endgültig insolvent gehen - insbesondere in Verbindung mit den wirtschaftlichen Folgen des 1. Lockdowns.

Die Banken müssen sich nach Ansicht der Bundesbank in der Corona-Pandemie auf eine Welle von Unternehmensinsolvenzen und steigende Kreditausfälle einstellen. Die Deutsche Unternehmensbörse hat kürzlich Insolvenz-Experten gefragt, wie sie die Zahlungsfähigkeit deutscher Unternehmen in der Corona-Krise einschätzen. Die Experten hatten prognostiziert, dass es zum Jahresende zahlreiche Insolvenzen geben wird. Doch die eigentliche K.O.-Insolvenzwelle dürfte am Ende des 1. Quartals 2021 anrollen. Das zweite Quartal dürfte auch aus anderen Gründen turbulent verlaufen - Mehr HIER.

In der Gastronomie ist die Stimmung sehr getrübt. „Verluste und Insolvenzen werden im Januar so reichlich rieseln wie die trockenen Nadeln vom Weihnachtsbaum“, hatte zuvor der Berliner Spitzenkoch Tim Raue gesagt.

Die Bundesregierung beschloss im Oktober 2020 einen Gesetzentwurf zur Reform des Insolvenzrechts. Angeschlagene Unternehmen sollen sich vom 1. Januar an auch ohne ein Insolvenzverfahren sanieren können, solange sie noch nicht zahlungsunfähig sind.

„Unternehmen, die eine Mehrheit ihrer Gläubiger mit einem soliden Plan von ihrer Sanierungsperspektive überzeugen, können ihr Sanierungskonzept künftig auch ohne Insolvenzverfahren umsetzen. Davon können insbesondere auch Unternehmen Gebrauch machen, die infolge der Corona-Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind“, sagte Justizministerin Christine Lambrecht.

Denn das Gesetz soll genau zu dem Zeitpunkt in Kraft treten, wenn auch überschuldete Unternehmen wieder einen Insolvenzantrag stellen müssten, sofern ihnen kein Wirtschaftsprüfer eine realistische Überlebensperspektive attestiert. Die Regierung hatte die Antragspflicht wegen der Pandemie im März ausgesetzt, seit Anfang Oktober gilt sie bereits wieder für zahlungsunfähige Unternehmen - und damit für den Großteil der Pleite-Kandidaten, so Reuters. Experten erwarten, dass viele angeschlagene Unternehmen mit der Rückzahlung der staatlichen Corona-Hilfskredite überfordert sein und damit in die Insolvenz rutschen könnten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

avtor1
Cüneyt Yilmaz

                                                                                ***

Cüneyt Yilmaz ist Absolvent der oberfränkischen Universität Bayreuth. Er lebt und arbeitet in Berlin.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Flixtrain bereit zum harten Wettbewerb um Bahn-Kunden
18.11.2025

Im Fernverkehr auf deutschen Schienen herrscht bislang wenig Wettbewerb. Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern. Ein kleiner...

DWN
Technologie
Technologie Fliegende Autos: XPeng eröffnet erste Produktionsstätte für Flugfahrzeuge in China
18.11.2025

China eröffnet erstmals industrielle Strukturen für Fahrzeuge, die sowohl am Boden als auch in der Luft nutzbar sein sollen. Wird damit...

DWN
Technologie
Technologie Cloudflare down: Internetdienste X und ChatGPT massiv von Cloudflare-Störung betroffen
18.11.2025

Die Cloudflare-Dienste sind seit Dienstagmittag weltweit massiv gestört, betroffen sind darunter große Plattformen wie X und ChatGPT. Das...

DWN
Finanzen
Finanzen Nokia-Aktie und Nvidia-Aktie im Fokus: Wie die Partnerschaft 5G-Wachstum antreibt
18.11.2025

Die einst vor allem für Handys bekannte Nokia hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und rückt nun wieder in den Fokus von...

DWN
Finanzen
Finanzen Vestas-Aktie im Minus: So sollen 900 gezielte Entlassungen die Ertragsziele stützen
18.11.2025

Die Vestas-Aktie steht derzeit unter Druck. Dass das Unternehmen weltweit 900 Bürostellen abbaut, scheint den Anlegern auch Sorgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Erfolg im Job: Warum Diplome nicht mehr über Karrierechancen entscheiden
18.11.2025

Die Anforderungen an Fachkräfte haben sich deutlich verändert, und Arbeitgeber legen zunehmend Wert auf Fähigkeiten, Persönlichkeit und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht unter 90.000 US-Dollar: Kryptomarkt in extremer Angst
18.11.2025

Der Bitcoin-Kurs ist tief gefallen und löst weltweit Unruhe unter Anlegern aus. Der Fear-and-Greed-Index warnt vor extremer Angst am...

DWN
Technologie
Technologie Digitale Souveränität in Europa: Beckedahl kritisiert Bundesregierung
18.11.2025

Deutschland feiert neue Google- und Microsoft-Rechenzentren, während die digitale Abhängigkeit von US-Konzernen wächst. Der...