London muss die Führungsposition unter den europäischen Handelsplätzen nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU an Amsterdam abtreten. An den Börsen in der niederländischen Hauptstadt wurden im Januar mehr Aktien gehandelt als an der Themse, wie aus Daten der Terminbörse Cboe Europe vom Donnerstag hervorgeht. Demnach betrug das tägliche Handelsvolumen in Amsterdam 9,2 Milliarden Euro, verglichen mit 8,6 Milliarden Euro in London.
Auf Jahressicht lagen die Briten mit durchschnittlich 17,5 Milliarden Euro 2020 noch deutlich auf Platz Eins, Frankfurt belegte mit 5,9 Milliarden Euro den zweiten Platz. Amsterdam schaffte es mit 2,6 Milliarden nur auf Platz Sechs.
Der Finanzplatz London hatte lange vor negativen Folgen des Austritts Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt gewarnt. Börsenvertreter vermuten, dass die Verlagerung von Handelsströmen von London nach Amsterdam wahrscheinlich dauerhaft sein wird, da die EU darauf beharrt, dass in Euro notierte Aktien in der EU gehandelt werden müssen. Der Siegesszug Amsterdams war eingeläutet worden, als die europäischen Cboe-Aktienplattformen und die in London angesiedelte Turquoise nach dem Brexit-Votum in 2016 dort aktiv wurden.
Einen kleinen Teil der Ausfälle hofft London mit dem Handel von in Schweizer Franken notierten Schweizer Aktien zu kompensieren, der in diesem Monat wieder aufgenommen wurde. Im Schnitt wechseln dabei 250 Millionen Euro täglich den Besitzer, was sich wieder in Richtung eine Milliarde bewegen sollte - auf das Niveau vor dem Ende des Handels mit Schweizer Aktien in London im Juni 2019. Seit damals erkennen die Schweiz und die EU ihre Börsen gegenseitig nicht mehr an.
Londoner City wird sich „Diktat der EU“ nicht beugen
Der Chef der Bank of England, Andrew Bailey, hat sich mit deutlichen Worten zu den laufenden Verhandlungen über die gegenseitige Anerkennung von Finanzmarktregeln zwischen London und Brüssel geäußert. „Ich fürchte, eine Welt in der die EU diktiert und bestimmt, welche Regeln und Standards wir in Großbritannien haben werden, wird nicht funktionieren“, sagte Bailey bei der jährlichen Mansion-House-Rede am Mittwochabend in der Londoner City, die in diesem Jahr per Internet übertragen wurde. Es sei unwahrscheinlich, dass London entsprechenden Forderungen Brüssels nachgeben werde, so der Zentralbankchef. Sollte die EU versuchen, die britische Finanzindustrie von ihrem Markt auszusperren, wäre das ein Fehler, warnte er.
Befürchtungen, London könne sich zu einem „Singapur an der Themse“, mit starker Deregulierung von Finanzmarktregeln und niedrigen Steuern entwickeln, trat Bailey aber ebenfalls entgegen. „Lassen Sie es mich deutlich sagen: Nichts von alledem bedeutet, dass Großbritannien ein niedrig reguliertes, hochriskantes, Finanzzentrum und -system schaffen sollte oder wird, in dem alles möglich ist“, sagte der Notenbankchef.
Dienstleistungen waren bei den Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt zwischen der EU und Großbritannien außen vor geblieben. Britische Finanzdienstleister haben mit dem Ende der Brexit-Übergangsphase zum Jahreswechsel ihren automatischen Zugang zum EU-Binnenmarkt verloren. Das führte zwar nicht zum befürchteten großen Exodus aus der Londoner City, doch viele Banken und andere Unternehmen gründeten Ableger in Städten wie Paris, Dublin, Amsterdam und Frankfurt. Mit ihnen wanderten etwa 7.000 Arbeitsplätze ab. Bis März wollen sich nun beide Seiten über die gegenseitige Anerkennung von Standards, Äquivalenz genannt, einig werden.
Die Dienstleistungsbranche insgesamt macht rund 80 Prozent der britischen Bruttowertschöpfung aus.