Finanzen

Geschichte der Zentralbanken Teil 1: Von Inflation und Bankrun

Lesezeit: 6 min
24.04.2021 14:10  Aktualisiert: 24.04.2021 14:10
Die Notenbanker von EZB, Fed und Co. geraten für ihre Geldpolitik zunehmend in die Kritik. Ein Blick in die Währungsgeschichte zeigt jedoch: Die Exzesse der Zentralbanken sind gar nicht so neu, wie man vielleicht denkt.
Geschichte der Zentralbanken Teil 1: Von Inflation und Bankrun
Banken haben große Angst vor sogenannten Bankruns. (Foto: dpa)

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Die Zentralbanken der Welt sind heutzutage zunehmend umstritten. Zu extrem seien die Verzerrungen der Zinsen nach unten, lautet der Vorwurf, zu viel Geld würde bei jeder noch so kleinen wirtschaftlichen und/oder systemischen Krise ins System gepumpt. Probleme würden auf diese Weise nur in die Zukunft verschoben und gleichzeitig immer weiter verschärft.

Ein Blick in die Bücher der EZB fördert zutage, dass sich die Bilanzsumme seit ihrer Gründung im Jahr 1998 in etwa verzehnfacht hat – und das in weniger als einem Vierteljahrhundert. Mit dem jüngsten Anstieg ähnelt der Verlauf zunehmend einer exponentiellen Kurve.

Die Kritik geht aber noch weiter: Die neu geschaffenen Milliarden und Billionen würden größtenteils nicht mal in der Realwirtschaft ankommen, sondern stattdessen an den Finanzmärkten zirkulieren und dort für eine starke Inflation bei den Vermögenspreisen (die Preise für Immobilien, Aktien, etc.) sorgen. Auch der Aufkauf von Staatsanleihen durch die Zentralbanken wird immer öfter als das benannt, was es ist – (indirekte) monetäre Staatsfinanzierung.

Ein Aspekt wird aber fast überhaupt nicht in der Öffentlichkeit diskutiert – und zwar die Frage nach der generellen Sinnhaftigkeit von Notenbanken. Um diese Frage zu erörtern, müssen wir zuerst einen Abstecher in die Geld- und Währungsgeschichte machen.

Vorab noch eine Anmerkung: Die Definition von Inflation ist eine heikle Angelegenheit, denn Kaufkraftverluste lassen sich nur schwer konsistent messen. Wenn im Folgenden von „Inflation“ oder „Geldentwertung“ die Rede ist, dann ist damit explizit die Aufblähung der Geldmenge gemeint – getreu dem lateinische Begriff inflatio für Aufblähen. Eine Erhöhung der Geldmenge kann, muss aber nicht unmittelbar zu einer Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus führen – hierfür gibt es nämlich noch sehr viele andere Faktoren.

Inflation gab es schon in der Antike

Systematische Geldentwertung gab es schon in der Antike, als Gold- und Silbermünzen durch Beimischung von immer mehr Kupfer und anderen minderwertigen Metallen zunehmend an Sachwert verloren. Eine solche Münzverschlechterung kam im Zuge der staatlichen Kriegsfinanzierung immer wieder vor. Auch die Geldproduzenten – damals Gold- und Silberschmiede – verfielen immer wieder mal den Verlockungen der Münzverschlechterung.

Nicht nur der Staat oder die Geldproduzenten, sondern auch private Banken sind seit jeher ein Quell von Inflation: Wenn die Summe der vergebenen Kredite die Summe der Einlagen (in Form von Edelmetall, Edelmetall-Münzen und hundertprozentig durch Edelmetall gedecktes Bargeld) übersteigt, dann hat die Bank Geld aus dem Nichts geschöpft und die Geldmenge aufgebläht. Das übermäßige Geld nannte der berühmte österreichische Ökonom Ludwig von Mieses „Umlaufsmittel“. Ob diese Umlaufsmittel in Form von Bargeld, Schuldverschreibungen oder als reine Buchwerte existieren, ist dabei zweitrangig.

Für die kurz- bis mittelfristige wirtschaftliche Stabilität ist es sicher am besten, wenn die nicht gedeckten Geldmittel überwiegend als Buch-Ansprüche gegenüber der Bank bestehen. Das Ausmaß der Geldentwertung bleibt dann in gewisser Weise in Buchwerten verborgen und wird erst dann wirklich sichtbar, wenn es massiv auf die Preise durchschlägt oder die Unterdeckung der Kundeneinlagen durch einen Ansturm der Kunden auf eine Auszahlung ihrer Einlagen (Bankansturm) offensichtlich wird.

Lange, bevor im späten 17. Jahrhundert die ersten Zentralbanken ins Leben gerufen wurden, hatten ausgewählte Depositen-Banken das implizite Recht zur Geldschöpfung. Diese Banken gaben damals Zettel, Kassenanweisungen und später auch Banknoten für die Verwahrung von Hartgeld – meist in Form von Gold und Silber – heraus, die dann wiederum als Geld zirkulierten. Diese Scheine waren Quittungen für hinterlegte Edelmetalle und Münzgeld. Da diese Scheine nur selten bei der Bank eingelöst wurden, gaben die meisten Banken mehr davon heraus, als echtes Hartgeld in den Tresoren lagerte. Ein solches Geldsystem nennt man Teilreserve-Banking.

Die „Mark Banco“ – Symbol des ehrbaren Kaufmanns

Nicht jede privilegierte Depositen-Bank missbrauchte das Recht zur Ausgabe eigenen Geldes. Ein Paradebeispiel ist die 1619 gegründete „Hamburger Bank“. Im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation kursierten seinerzeit unzählige Münzsorten, von denen viele unter einer Münzverschlechterung durch Geldproduzenten und Fälscher zu leiden hatten. So wurde insbesondere Norddeutschland von minderwertigen Münzen überschwemmt. Für die Handelsstadt Hamburg wurde die schiere Vielzahl von Münzsorten mit unterschiedlichem Metallgehalt, mit denen die Kaufleute rechnen mussten, zu einem Problem. Deshalb beschlossen Stadtherren und Kaufleute die Gründung eines städtischen Bankinstituts, um den Geldwechsel mit einem neuen Umrechnungs-Standard zu vereinheitlichen – das war die Geburtsstunde der „Mark Banco“.

Dank der einheitlichen Recheneinheit konnten die Guthaben von einem Konto auf ein anderes Konto überwiesen werden, was die Hamburger Bank zur ersten Girobank Deutschlands machte. Die Mark Banco wurde – auch um Fälschungen vorzubeugen – nie als Münze geprägt oder in Banknoten ausgegeben, sondern existierte nur als Buchgeld und diente dem bargeldlosen Zahlungsverkehr. Darüber hinaus wurden über eine ausgegliederte „Lehnbank“ Kredite gegen Pfand vergeben.

Guthaben in Mark Banco konnten jederzeit in zugelassene Münzsorten und ungemünztes Edelmetall eingelöst werden. Später wurden sie dann in Feinsilbergehalt definiert. Die Hamburger Referenzwährung erwies sich als sehr wertstabil, weil zu keiner Zeit mehr Buchgeld im Umlauf war als korrespondierendes Hartgeld in den Tresoren lagerte und sich die Hamburger Bank auch nicht an den damals üblichen Geschäften mit ungedeckten Wechsel-Krediten beteiligte.

Die Geschichte der Mark Banco endete 1871, als das deutsche Kaiserreich in den Goldstandard überging und die Hamburger Bank zu einer Zweigstelle der neu gegründeten Reichsbank wurde.

Konjunkturzyklen im Teilreserve-Bankensystem

Wenn Banken aber der übermäßigen Kreditvergabe frönten, dann bestand zu jeder Zeit eine Pleitegefahr durch Bankanstürme (und besteht heute noch). Diese Gefahr sorgte dafür, dass die Kreditschöpfung der Teilreserve-Banken in der Regel keine übermäßigen Ausmaße annahm – man scheute klugerweise das Risiko. Trotzdem kam es in der Geschichte immer wieder zu Kredit-Exzessen und Bankanstürmen.

Hier kommen nun die Zentralbanken ins Spiel. Bankanstürme sind in gewisser Hinsicht eine logische Konsequenz von einer allzu lockeren Kreditvergabe (wenn diese erst einmal öffentlich wird) oder einer generellen Schieflage von Kreditinstituten.

Die kurzfristigen Folgen sind verheerend. Banken gehen pleite, viele Kunden verlieren ihr Vermögen, die Liquiditätsversorgung und Kreditvergabe stockt, die Wirtschaft rutscht in die Rezession – und es kommt zu Deflation. Im 19. Jahrhundert gelangten Politiker und Großbanker zu der Einsicht, dass diese temporären Wirtschaftskrisen unterbunden werden müssen. Zentralbanken sollten in finanziellen Schieflagen als Kreditgeber letzter Instanz („lender of last resort“) agieren und die Banken im Notfall mit Liquidität versorgen.

Die kontroverse Gründung der Federal Reserve

Das war auch eines der wichtigsten Argumente für die Gründung der US-Zentralbank „Federal Reserve“ (Fed) vor etwas mehr als 100 Jahren. Dieser Schritt war jedoch keineswegs unumstritten und wurde damals kontrovers diskutiert. Die Befürworter betonten neben der Funktion als Kreditgeber in der Not noch zahlreiche andere Vorteile, die eine zentrale Bank (angeblich) bereitstellte: Die Monopolmacht der Wall-Street-Banken würde gebrochen und das Währungswesen vereinfacht. Darüber hinaus bräuchte eine wachsende Wirtschaft eine elastische Geldmenge, die nur von einer Zentralbank adäquat bereitgestellt werden könnte.

Besonders letzteres Argument ist eher absurd, da es in den Jahrhunderten zuvor auch ohne eine Zentralbank teilweise sehr hohe Wachstumsraten in Amerika und der Weltwirtschaft gegeben hatte. Auch von einer Entmonopolisierung des US-Bankensektors kann keine Rede sein. Dieser ist noch heute im weltweiten Vergleich sehr oligopolistisch strukturiert. Die Großbanken sind außerdem die Haupt-Anteilseigner der Fed. Und dass man der Monopolisierung des Bankensektors entgegenwirken will, indem man eine Zentralbank aus der Taufe hebt, also die Geldschöpfung monopolisiert: Das ergibt auch nicht wirklich Sinn.

Lesen Sie morgen den zweiten Teil der Geschichte der Zentralbanken: "Eine Chronologie der Exzesse"

  • Warum Zentralbanken ursprünglich ins Leben gerufen wurden
  • Wie das "Gelddrucken" heutzutage wirklich abläuft
  • Warum die EZB nicht auch noch den Klimawandel bekämpfen sollte


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