Weltwirtschaft

Deutsche Industrie verzeichnet Auftragsminus im April

Lesezeit: 3 min
07.06.2021 10:32  Aktualisiert: 07.06.2021 10:32
Im April ging das Auftragsvolumen für deutsche Unternehmen erstmals seit Jahresbeginn zurück. Besonders ein Problem dürfte die Nachfrage weiterhin schwächen.
Deutsche Industrie verzeichnet Auftragsminus im April
Mitarbeiter fertigen Motorhauben für den Porsche Macan an der neuen sechsstufigen Servo-Pressenlinie im gemeinsamen Presswerk von Porsche und Schuler. (Foto: dpa)
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Nach drei Anstiegen in Folge hat die deutsche Industrie im April erstmals in diesem Jahr weniger Aufträge erhalten als im Vormonat. Die Bestellungen sanken wegen der schwächeren Binnennachfrage und geringerer Großaufträge um 0,2 Prozent, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Montag mitteilte. Allerdings wuchsen die Aufträge im Vormonat mit revidiert 3,9 Prozent deutlich stärker als zunächst mit 3,0 Prozent gemeldet. Gemessen am Februar 2020, dem Monat vor Beginn der Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie, liegen die Bestellungen nun um 9,9 Prozent höher. Verglichen mit April 2020 - dem ersten vollen Lockdown-Monat - schnellten sie sogar um 78,9 Prozent nach oben.

"Es scheint nicht so, dass das Minus im April der Auftakt einer Negativserie ist", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Die Weltwirtschaft kommt in weiter in Fahrt, was für die industrielastige deutsche Wirtschaft ein Segen ist. Die Geschäfte werden deshalb weiterhin gut laufen." Nach dem historischen Einbruch 2020 dürfte die Weltwirtschaft dieses Jahr so stark wachsen wie seit 1976 nicht mehr, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) voraussagt. Treiber sollen die beiden wichtigsten Abnehmer von Waren "Made in Germany" sein: China und die USA.

Allerdings ist offen, ob die Industrie ihren mittlerweile hohen Auftragsbestand rasch abarbeiten kann. "Immerhin halten Lieferengpässe bei Vorprodukten an, weshalb deutlich mehr Schwung für die Produktion nicht bevorsteht", sagte der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, Alexander Krüger. "Dieser Stachel sitzt tief, und wahrscheinlich werden Aufträge erst nach den Sommerferien stärker abgearbeitet."

Dafür spricht die schwache Umsatzentwicklung im Verarbeitenden Gewerbe: Es setzte dem Statistischen Bundesamt zufolge im April 2,6 Prozent weniger um als im März, was als schlechtes Signal für die Produktion gilt. "Dies zeigt einmal mehr, dass die Industrie wohl kaum einen Beitrag zum Wachstum der deutschen Wirtschaft im zweiten Quartal leisten wird", sagte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. "Trotzdem rechnen wir weiter mit einem kräftigen Plus, da die zunehmenden Lockerungen der Corona-Restriktionen in einigen Dienstleistungssektoren zu einer sehr kräftigen Erholung führen werden."

Die Aufträge aus dem Inland schrumpften diesmal um 4,3 Prozent zum Vormonat. Das Auslandsgeschäft wuchs dagegen um 2,7 Prozent. Dabei nahmen die Bestellungen aus der Euro-Zone um 0,7 Prozent zu, die aus dem restlichen Ausland um 3,8 Prozent. Gefragt waren beispielsweise Investitionsgüter wie Maschinen und Fahrzeuge: Hier zog die Nachfrage um insgesamt 0,2 Prozent an, die nach Konsumgütern sogar um 1,4 Prozent. Hersteller von Vorleistungen meldeten ein Minus von 1,0 Prozent.

Ökonomen zum Auftragsrückgang

Ralph Solveen, COMMERZBANK:

"Nach einem Jahr mit teils sehr kräftigen Zuwächsen ist dies wohl kaum Besorgnis erregend. Dies gilt umso mehr, als auch die Umfragen zeigen, dass die Geschäfte der Industrieunternehmen sehr gut laufen. Allerdings haben diese weiter Probleme, die Flut an Aufträgen auch zu bewältigen. Dies ist wohl auch der Grund für den deutlichen Rückgang der Umsätze um 2,6 Prozent, die für die morgen anstehenden Produktionszahlen ebenfalls ein deutliches Minus erwarten lassen."

Alexander Krüger, BANKHAUS LAMPE:

"Der Mini-Rückgang ist unproblematisch. Ohne die Berücksichtigung der volatilen Großaufträge wären deutlich mehr Aufträge erteilt worden. Der Aufwärtstrend bleibt durch die starke Aufwärtsrevision des März-Wertes intakt, auch dank des kräftigen Schubs aus dem Ausland. Große Freude mag über die anhaltend gute Auftragslage aber weiter kaum aufkommen. Immerhin halten Lieferengpässe bei Vorprodukten an, weshalb deutlich mehr Schwung für die Produktion nicht bevorsteht. Dieser Stachel sitzt tief, und wahrscheinlich werden Aufträge erst nach den Sommerferien stärker abgearbeitet. Alles in allem bleibt der bisherige Blick auf die Industrie damit unverändert."

Thomas Gitzel, VP BANK:

"Das leichte Minus im April kann verschmerzt werden. Vermutlich spielen beim leichten Rückgang der Auftragseingänge die Materialknappheiten eine Rolle. Ist Material knapp, leidet die Produktion. Leidet die Produktion wiederum, leiden die Auftragseingänge. Die Vormonatsdaten wurden allerdings deutlich nach oben revidiert, was das geringfügige Minus im April einmal mehr relativiert.

Der hohe Auftragsbestand ist auch eine gute Nachricht für die deutschen Arbeitnehmer. Die Schäden am Arbeitsmarkt werden begrenzt bleiben. Statt Kurzarbeit stehen wohl jetzt Überstunden an."

Materialmangel bremst Möbelindustrie aus

Lieferengpässe bei vielen Vorprodukten von den Spanplatten über Posterschäume bis zu Beschlägen sorgen für immer größere Probleme in der deutschen Möbelindustrie. «Inzwischen ist die Produktion bei rund der Hälfte der Unternehmen aufgrund von Materialengpässen eingeschränkt, vielfach sind Produktionstage weggefallen», berichtete der Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie, Jan Kurth, am Montag gestützt auf eine Branchenumfrage des Verbandes.

Dabei gaben rund 70 Prozent der befragten Möbelhersteller an, dass sich die Materialverfügbarkeit im Mai im Vergleich zum Vormonat nochmals verschlechtert habe. Die größten Lieferengpässe gibt es demnach derzeit bei Metallteilen, Beschlägen und Funktionselementen. Hier klagten knapp 80 Prozent der Umfrageteilnehmer über Knappheiten. Bei Spanplatten berichteten rund 70 Prozent der Unternehmen von einer angespannten Versorgungslage. Massive Engpässe gab es zudem bei MDF- und HDF-Platten, Polsterschäumen, elektronischen Bauteilen und Verpackungsmaterialien. Stoff- und Lederbezüge sind ebenfalls knapp.

Das treibt die Preise. «Die starken und schnellen Preissteigerungen bei den Zulieferprodukten setzen unsere Branche enorm unter Druck und verändern die Kalkulationsbasis erheblich», sagte Kurth. Angespannt ist die Lage nach Verbandsangaben auch bei den Herstellern von Massivholzmöbeln. Hier klagten knapp 60 Prozent der Unternehmen darüber, dass die vertraglich vereinbarten Lieferzeiten von den Zulieferern nicht eingehalten würden. Außerdem stiegen die Preise für Eiche, Buche, Nussbaum und Nadelhölzer.


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