Wirtschaft

Norwegen weitet Öl-Förderung massiv aus: Riesige Gewinne winken - aber auch gesellschaftliche Spannungen

Norwegen entdeckt immer neue Ölfelder - und wird sie ausbeuten.
31.07.2021 12:37
Lesezeit: 2 min

Norwegen will in den nächsten Jahren seine Ölförderung massiv ausbauen. Das geht aus einem Bericht der zuständigen Behörde „Norwegische Rohöl Direktion“ (NPD) hervor. Danach sind im bisherigen Verlauf dieses Jahres acht große Felder entdeckt worden, von denen Experten annehmen, dass sie mindestens 62 Milliarden Liter Öl umfassen. Das entspricht rund 390 Millionen Barrel. Zum besseren Verständnis: Ein Supertanker der Kategorie VLCC (Very Large Crude Carrier, zu Deutsch: sehr großer Öltanker) verfügt über ein Fassungsvermögen von rund zwei Millionen Barrel.

Insgesamt sollen im Bereich des norwegischen Festlandsockels, dessen Ausdehnung dem Vierfachen des norwegischen Festlands entspricht, dieses Jahr circa 40 Probebohrungen durchgeführt werden (der entsprechende Bericht der Direktion ist mit „große Aktivität und bedeutende Investitionen“ betitelt). Die Zahl der Unternehmen, denen Bohrlizenzen zugesprochen werden, wächst seit Jahren beständig, allein in diesem Jahr waren es rund 30. Im Laufe der letzten Jahre waren es insgesamt mehrere hundert.

Der Leiter der Abteilung „Technologie und Koexistenz“ der NPD, Torgeir Stordal, sagte: „Die Exploration von Lagerstätten hat für die Schaffung von langfristigen Werten im Bereich des Festlandsockels große Bedeutung.“ Es sei notwendig, neue Öl- und Gasfelder zu entdecken, um einen „starken Rückgang der Aktivitäten der Rohstoff-Industrie nach 2030 zu verhindern“. Ohne weitere Funde könne es passieren, dass die Fördermenge im Jahr 2040 70 Prozent weniger als die im Jahr 2020 betragen wird.

Norwegens Ölförderung wird von Umweltschützern immer wieder hart kritisiert. Die aktuellste große Aktion war die von Ende Juni, als eine Gruppe von Greenpeace-Aktivisten sich vor dem „Norwegischen Rohöl- und Energie-Ministerium“ anketteten und Banner entrollten, auf denen unter anderem stand „Norwegens Öl kocht den Planeten“. Der Chef von Greenpeace Norwegen, Frode Pleym, forderte den sofortigen Stopp jedweder Suche nach neuen Ölfeldern.

Tatsächlich wird der Umweltschutz in Norwegen groß geschrieben. Paragraph 112 der Landes-Verfassung liest sich folgendermaßen: „Jeder hat das Recht auf eine gesunde Umwelt und eine Natur, deren … Vielfalt unverändert erhalten bleibt. Über die natürlichen Ressourcen ist unter langfristigen und umfassenden Aspekten zu verfügen, wodurch dieses Recht auf sichtbare Art und Weise für die kommenden Generationen gesichert bleibt … .“ Auf Grundlage dieses Paragrafen hatten im Jahr 2016 vier große Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Klage gegen die Fortsetzung der norwegischen Ölbohrungen in der Nordsee eingereicht. Im Dezember 2020 war die Klage vom obersten norwegischen Gericht mit 11 zu vier Stimmen abgelehnt worden.

Norwegen ist eines der reichsten Länder der Welt. In der Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt steht der 5,42-Millionen-Einwohner-Staat (zum Vergleich: Hessen hat knapp 6,3 Millionen Einwohner) hinter Luxemburg, der Schweiz, dem Steuerparadies Irland sowie dem Glücksspiel-Eldorado Macao auf Rang fünf. In der Liste der am höchsten entwickelten Länder nimmt Norwegen seit 2001 fast ausnahmslos Rang eins ein (lediglich 2007 und 2008 wurde es von Island auf Platz zwei verdrängt). Tatsache ist: Seinem Reichtum verdankt der skandinavische Staat in erster Linie seiner Öl- und Gasförderung, die circa 20 Prozent zum Bruttosozialprodukt beitragen. Der Staatsfonds hat einen Wert von unglaublichen 1,109 Billionen Euro. Das sind etwa mehr als 200.000 Euro pro Einwohner (zum Vergleich: Um diesen Wert zu erreichen, müsste ein deutscher Staatsfonds einen Wert von etwas über 16,7 Billionen Euro haben).

An dem kleinen skandinavischen Staat lässt sich gut ersehen, wie die Interessen von Klima- und Umweltschutz auf der einen und wirtschaftlichen Interessen auf der anderen Seite hart aufeinanderprallen. Nun ist Norwegen allerdings ein extrem reiches Land; die jetzige Generation könnte auf weitere Probebohrungen verzichten, ohne einen (spürbaren) Rückgang ihres Lebensstandards hinnehmen zu müssen. In anderen Ländern stellt sich die Situation anders dar – gesellschaftliche Konflikte sind vorprogrammiert.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der deutsche Markt konzentriert sich auf neue Optionen für XRP- und DOGE-Inhaber: Erzielen Sie stabile Renditen aus Krypto-Assets durch Quid Miner!

Für deutsche Anleger mit Ripple (XRP) oder Dogecoin (DOGE) hat die jüngste Volatilität am Kryptowährungsmarkt die Herausforderungen der...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt H&K-Aktie: Rüstungsboom lässt Aufträge bei Heckler & Koch explodieren
04.07.2025

Heckler & Koch blickt auf eine Vergangenheit voller Skandale – und auf eine glänzende Gegenwart und Zukunft. Der Traditionshersteller...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Euro-Aufwertung: Sind jetzt Firmengewinne in Gefahr?
04.07.2025

Der starke Euro wird für Europas Konzerne zur Falle: Umsätze schrumpfen, Margen brechen ein – besonders für Firmen mit US-Geschäft...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Facebook greift auf Ihre Fotos zu – viele merken es nicht
04.07.2025

Eine neue Funktion erlaubt Facebook, alle Fotos vom Handy hochzuladen. Die meisten Nutzer merken nicht, was sie wirklich akzeptieren. Wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Flat Capital-Aktie: Trotz Beteiligungen an OpenAI und SpaceX überbewertet?
04.07.2025

Flat Capital lockt mit Beteiligungen an OpenAI, SpaceX und Co. Doch die Risiken steigen, Insider warnen. Ist die Flat Capital-Aktie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stromsteuersenkung: Wirtschaftsverbände kritisieren Merz für gebrochene Zusage
04.07.2025

Die Entscheidung der Bundesregierung zur Stromsteuersenkung sorgt für Aufruhr. Wirtschaftsverbände fühlen sich übergangen und werfen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China-Zölle auf EU-Weinbrand kommen nun doch – das sind die Folgen
04.07.2025

China erhebt neue Zölle auf EU-Weinbrand – und das mitten im Handelsstreit mit Brüssel. Betroffen sind vor allem französische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaspreise steigen wieder: Was das für Verbraucher und Unternehmen bedeutet
04.07.2025

Nach einem deutlichen Preisrückgang ziehen die europäischen Gaspreise wieder an. Was das für Verbraucher und Unternehmen bedeutet –...

DWN
Panorama
Panorama Schwerer Flixbus-Unfall auf der A19 bei Röbel: Was wir wissen und was nicht
04.07.2025

Ein Flixbus kippt mitten in der Nacht auf der A19 bei Röbel um. Dutzende Menschen sind betroffen, ein Mann kämpft ums Überleben. Noch...