Deutschland

Flaschenbier statt Oktoberfest: Brauer weiter auf Corona-Durststrecke

Schlechte Zeiten für deutsche Bierbrauer: Die Gastronomie läuft nur schleppend an, und die Delta-Variante hält die Furcht vor dem Corona-Virus wach. Doch es gibt auch Gewinner.
30.07.2021 14:29
Aktualisiert: 30.07.2021 14:29
Lesezeit: 2 min

In der Corona-Krise trinken die Menschen in Deutschland so wenig Bier wie noch nie seit der Wiedervereinigung. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres ist der Absatz im Inland um fast 5 Prozent auf den Tiefstwert von 3,3 Milliarden Liter gefallen, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden berichtete. Nach Einschätzung der Brauwirtschaft fehlt vor allem das Geschäft in der Gastronomie und auf den vielen Großveranstaltungen, die wegen der Pandemie schon das zweite Jahr in Folge ausfallen oder im wesentlich kleineren Rahmen stattfinden. Einziger Lichtblick ist der Verkauf von Flaschenbier im Einzelhandel, von dem aber nur wenige große Brauereien profitieren. Zum Beispiel Veltins aus dem Sauerland: „Die Flaschenbierverkäufe gingen in einigen Sommerwochen durch die Decke», berichtet Brauerei-Chef Michael Huber. Das Unternehmen bilanzierte im Halbjahr einen um 3,2 Prozent gestiegenen Umsatz und trotz mäßiger Leistungen der Fußball-Nationalmannschaft den besten Juni-Ausstoß in der Brauereigeschichte. Der „Homing-Trend“ sei allenthalben spürbar, jubelt Huber. „Die Menschen haben sich die Normalität in den eigenen vier Wänden, auf Terrasse und im Garten bewahrt und sich mit Biergenuss belohnt.“

Unter den Top-10-Marken haben neben Veltins nur noch die Münchener Häuser Paulaner und Augustiner ihren Halbjahresabsatz steigern können, berichtet das Branchen-Magazin „Inside“. Im ersten Halbjahr fehlten zwischen 40 und 50 Prozent des eigentlich lukrativeren Fassbiergeschäfts, sagt Inside-Experte Niklas Other. „Das schlägt brutal auf die Ergebnisse durch.“ Der zusätzliche Umsatz am Supermarktregal hat bereits mit dem ersten Lockdown begonnen und sich seitdem ungebremst fortgesetzt. Wegen der zusätzlichen Nachfrage ist nun bei vielen Brauern das Leergut knapp. „Kisten und Flaschen kommen sehr spät und langsam zurück“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauerbundes, Holger Eichele. Lieferengpässe bei Paletten, Glas und Kronkorken sowie die explodierenden Logistikkosten begleiten den Boom des Flaschenbiers.

Von dem profitieren aber längst nicht alle, mahnt der Brauer-Bund in Berlin. „Nach sieben Monaten Lockdown ist die Wiedereröffnung der Außengastronomie und der Innengastronomie nur schleppend angelaufen. Der Stotterstart im Gastgewerbe schlägt voll auf Brauereien und das Fassbiergeschäft durch“, erklärt der Verband in Berlin. Vor allem kleinere Brauereien seien abhängig von Gastronomie und Veranstaltungsgeschäft, wo es derzeit wieder täglich Absagen hagele. „Viele Betriebe befinden sich in einer äußerst prekären Lage und werden acht bis zehn Jahre benötigen, um die erlittenen Einbußen wieder aufzuholen“, schildert Eichele die Lage.

Zunehmende Exporte konnten die Einbußen im Inland durch die Corona-Einschränkungen zumindest teilweise ausgleichen, wie das Statistische Bundesamt weiterhin berichtete. So legten die Exporte in die EU (+3,5 Prozent) und in die Staaten außerhalb der Gemeinschaft (+11,9 Prozent) zu. Einschließlich des Inlands setzten die in Deutschland ansässigen Brauereien und Bierlager in den sechs Monaten 4,2 Milliarden Liter Bier ab. Das waren 2,7 Prozent weniger als in der ersten Hälfte des Vorjahres.

Besonders starke Rückgänge bei der Gesamtmenge waren im Januar (-27 Prozent) und Februar (-19,1 Prozent) zu beobachten, in deren Vergleichsmonaten im Jahr 2020 noch ein von der Pandemie ungetrübter Betrieb in den Restaurants, Bars und Hotels herrschte. Umgekehrt wurde im Juni dieses Jahres 11,2 Prozent mehr Bier abgesetzt als in dem noch vom ersten Lockdown geprägten Vorjahresmonat.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeitsmarkt: Sieben Wege wie Unternehmen Fachkräfte finden und halten
09.12.2025

Qualifizierte Fachkräfte werden knapp – das spüren Unternehmen bei der Personalsuche immer deutlicher. Die Folgen: Engpässe,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Milan Nedeljkovic folgt auf Oliver Zipse bei BMW
09.12.2025

BMW bekommt einen neuen Chef: Milan Nedeljkovic übernimmt das Ruder von Oliver Zipse. Der Produktionsvorstand bringt Erfahrung aus fast...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie im Fokus: Allianz-Kooperation mit Oaktree – was der Syndikat-Pakt für Anleger bedeutet
09.12.2025

Ein neuer Deal in London, ein bestätigtes Top-Rating und höhere Gewinnziele treiben die Allianz-Aktie bis an das Jahreshoch. Doch hinter...

DWN
Politik
Politik Merz fordert Abschaffung: EU-Lieferkettengesetz wird deutlich gelockert
09.12.2025

Das EU-Lieferkettengesetz sollte Unternehmen weltweit verpflichten, Menschenrechte zu achten. Doch bevor es überhaupt greift, haben sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kosten für Wohnen und Essen fressen geringere Einkommen auf
09.12.2025

Wohnen und Lebensmittel werden teurer – doch die Härte trifft nicht alle gleich. Neue Daten der Statistiker zeigen, wie stark vor allem...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putins Besuch in Indien zeigt die gefesselten Hände des Kreml
09.12.2025

Wladimir Putins Besuch in Indien sollte Stärke demonstrieren, doch die Realität wirkt gegenteilig. Der Kreml ist stark von Ölexporten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Thyssenkrupp-Aktie: Rückkehr in die Gewinnzone trotz Sanierungsdruck
09.12.2025

Thyssenkrupp meldet wieder Gewinn, doch der Preis dafür ist hoch. Der Konzern kämpft mit sinkender Nachfrage, Sanierungsrückstellungen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Butterpreis im Sturzflug: Milchbauern schlagen Alarm – "wirtschaftliches Desaster"
09.12.2025

Der Butterpreis rutscht auf 99 Cent je 250 Gramm und jubelnde Kunden treffen auf alarmierte Milchbauern. Hinter dem Preisschub steckt der...