Deutschland

Nur wenige deutsche Firmen wollen ihre globalen Lieferketten ersetzen

Trotz massiver Probleme mit den Lieferketten wollen einer Ifo-Studie zufolge nur wenige Unternehmen in Deutschland die globale Beschaffung ersetzen. Sie haben andere Lösungen gefunden.
10.08.2021 10:38
Lesezeit: 2 min
Nur wenige deutsche Firmen wollen ihre globalen Lieferketten ersetzen
Deutsche Unternehmen halten an ihren globalen Lieferketten fest. (Foto: dpa) Foto: Marcus Brandt

Trotz massiver Probleme mit den Lieferketten wollen einer Studie zufolge nur wenige Unternehmen in Deutschland die globale Beschaffung ersetzen. Von 5000 befragten Firmen will nur jede zehnte in Zukunft vermehrt auf heimische Lieferketten setzen, wie aus der am Dienstag veröffentlichten Untersuchung des Ifo-Instituts für die Konrad-Adenauer-Stiftung hervorgeht.

"Viele Firmen planen stattdessen, ihre Lagerhaltung auszubauen und die Anzahl ihrer Zulieferer zu erhöhen", sagte die Leiterin des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, Lisandra Flach. Die Corona-Pandemie hatte eine Debatte über die Rückholung von Produktion nach Deutschland ausgelöst, nachdem medizinische Güter wie Masken oder Schutzanzüge im Ausland kaum zu beschaffen waren. Aktuell beklagt die Wirtschaft einen massiven Mangel an wichtigen Vorprodukten wie Mikrochips.

Großunternehmen setzen dem Ifo-Institut zufolge auf eine größere Anzahl an Zulieferern, während kleine und mittelständische Unternehmen mehr Lagerhaltung planen. In der Industrie haben 44 Prozent der Unternehmen vor, ihre Beschaffung zu ändern. "Industrieunternehmen geben häufiger an, ihre Beschaffungsstrategie zu verändern, wenn sie von Materialmangel betroffen sind", sagte Flach. Beim Großhandel liegt der Wert bei 35 Prozent, im Einzelhandel sind es 27 Prozent. Im Dienstleistungssektor planen lediglich zehn Prozent eine andere Beschaffungsstrategie.

Eine Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland oder ins nahe gelegene Ausland droht der Studie zufolge zu hohen Wohlstandsverlusten zu führen. So könne es beispielsweise der Fall sein, dass Zwischengüter in Deutschland produziert werden müssten, obwohl diese zuvor kostengünstiger und eventuell sogar qualitativ hochwertiger aus dem Ausland bezogen wurden. Das schade der Wettbewerbsfähigkeit.

"Bei einer Rückverlagerung könnte die reale Wirtschaftsleistung Deutschlands um fast zehn Prozent zurückgehen", sagte Flach. Gleiches gelte für die Rückverlagerung der Produktion zu europäischen Nachbarn. In diesem Fall würde die deutsche Wirtschaftsleistung um 4,2 Prozent sinken. Damit werde deutlich, dass "eine politisch gesteuerte, umfassende Umorganisation der Lieferketten deutscher Unternehmen nicht nur unnötig wäre", sagte Jan Cernicky, Experte für internationalen Handel und Wirtschaft bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. "Ein solches Reshoring wäre darüber hinaus für Wirtschaft und Gesellschaft immens kostenintensiv."

Besonders kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) fällt den Angaben zufolge eine stärkere Diversifizierung ihrer Lieferbeziehungen oft nicht leicht. Für sie sei es häufig mit verhältnismäßig großem Aufwand verbunden, Geschäftsbeziehungen mit mehreren ausländischen Zulieferern aufzubauen und zu koordinieren. "Eine mittelstandsfreundlichere Ausgestaltung von Handelsabkommen kann einen wichtigen Beitrag zu robusteren Lieferketten leisten", sagt Andreas Baur, Co-Autor der Studie.

Die Wertschöpfungsketten innerhalb der EU spielen der Untersuchung zufolge aus deutscher Perspektive mit Abstand die wichtigste Rolle. Die deutsche Wirtschaft allein sei als Zulieferer für China und die USA weniger bedeutend. Werde die EU aber als Ganzes betrachtet, sei sie sowohl für China als auch für die USA der wichtigste Zulieferer von Zwischenprodukten. "Diese wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen China und der EU können die Wahrscheinlichkeit für eine aggressive Handelspolitik verringern, da beide Seiten bei einem Handelskonflikt viel zu verlieren hätten", sagte Flach.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt Tesla-Aktie kaufen? Welche Erwartungen Investoren an Elon Musk haben
21.12.2025

Visionäre Unternehmer haben an den Kapitalmärkten immer wieder ganze Branchen neu geordnet. Ob Tesla-Aktien weiterhin von technologischem...

DWN
Panorama
Panorama Gaudís Sagrada Família: Der höchste Kirchturm der Welt
21.12.2025

Barcelona feiert 2026 die Architektur – und ein Turm der Sagrada Família soll Geschichte schreiben. Doch hinter dem Rekord stecken Geld,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Leadership-Coach Lars Krimpenfort: „Klopp ist ein gutes Beispiel für klare Führung unter Druck“
21.12.2025

Im Mittelstand steigen die Belastungen gefühlt täglich. Wie gelingt es Führungskräften dennoch, unter Druck richtig zu entscheiden?...

DWN
Politik
Politik EU-Kapitalmarktunion: Warum kleine Staaten um ihre Finanzmacht kämpfen
21.12.2025

Die EU will ihren Kapitalmarkt neu ordnen und zentrale Aufsichtsrechte nach Paris verlagern, während kleinere Staaten den Verlust ihrer...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 51: Die wichtigsten Analysen der Woche
21.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 51 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mittelstand vor existenziellen Problemen: Keine Aufträge und schlechte Rahmenbedingungen
21.12.2025

Wie eine aktuelle Umfrage des ifo-Instituts ergab, sehen sich 8,1 Prozent der befragten Firmen direkt in ihrer wirtschaftlichen Existenz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Zölle auf Kleinsendungen: Neue Abgabe trifft Online-Bestellungen aus Drittstaaten
21.12.2025

Der Online-Handel mit günstigen Waren aus Drittstaaten wächst rasant und stellt den europäischen Binnenmarkt vor strukturelle...

DWN
Finanzen
Finanzen Topanalyst enthüllt: Das sind die attraktivsten Rüstungsaktien
21.12.2025

Die globale Sicherheitslage wandelt sich rasant, und die Verteidigungsindustrie gewinnt an Bedeutung für Regierungen und Kapitalmärkte....