Technologie

Teurer Klimaschutz: Strompreise in Deutschland explodieren

Die Strompreise kennen seit Monaten nur noch eine Richtung - nach oben. Zuletzt hat sich die Dynamik noch verschärft.
16.08.2021 10:26
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Teurer Klimaschutz: Strompreise in Deutschland explodieren
Hochspannungsleitungen in Deutschland. (Foto: dpa) Foto: Jens Wolf

Besonders die Unternehmen beklagen es immer wieder als schweren Wettbewerbsnachteil: Deutschland liegt bei den Strompreisen seit Jahren ganz oben in der europäischen Spitzengruppe. Im ersten Halbjahr 2021 verschärfte sich die Lage zusätzlich. Die Tarife an den Börsen stiegen rasant. Im Juli gab es bei den Großhandelspreisen sogar einen Rekord: Strom war zuletzt 2008 im Wirtschaftsboom vor der Finanzkrise so teuer wie heute. Dies treibt zusammen mit anderen Energiepreisen die Inflation nach oben. Auf der anderen Seite profitieren Versorger wie RWE von der Entwicklung und erhöhen ihre Geschäftprognose. Bei einem langfristigen Aufwärtstrend an der Strombörse müssen dann auch die deutschen Haushaltskunden mehr zahlen.

Der Preis-Anstieg im Vergleich zu 2020 ist im Grundsatz nicht überraschend. Der Schock der Corona-Krise und der Lockdown ließen die Konjunktur und in der Folge auch die Preise einbrechen. Mittlerweile erholt sich die Wirtschaft wieder - und damit auch die Nachfrage nach Energie und Strom. Für Aufsehen sorgt allerdings das Ausmaß der Verteuerung. So hat sich im Juli der Preis für die Megawattstunde im Vergleich zum Vorjahr auf mehr als 90 Euro verdreifacht.

Mit der verstärkten Stromnachfrage haben auch die Preise für Steinkohle auf dem Weltmarkt angezogen. Sie erreichen nach einer Analyse des Energiewirtschaftlichen Instituts der Uni Köln (EWI) mittlerweile den höchsten Stand seit 2011, wozu auch Störungen beim Abbau beigetragen hätten.

Teurer Klimaschutz

Die Stromproduktion aus Kohle- und Gas-Kraftwerken weiter verteuert hat der von der Bundesregierung vorangetriebene „Klimaschutz“. Die Anlagenbetreiber müssen Berechtigungen für den Ausstoß des Naturgases Kohlenstoffdioxid (CO2) kaufen, die ebenfalls an der Börse gehandelt werden. Diese Papiere werden entsprechend der Klimaziele immer weiter reduziert. Da die EU ihre Ziele verschärft und der Klimaschutz auch weltweit - etwa in den USA - wieder an Bedeutung gewonnen hat, zogen die Preise an. Innerhalb gut eines Jahres haben sie sich verdreifacht, was voll auf den Strompreis durchschlägt.

Dämpfend an den Börsen wirkt sich eigentlich der Strom aus Wind- und Sonnenenergie aus. In den Großhandelspreisen sind die Aufschläge für die Förderung der Erneuerbaren Energie (EEG) und die Leitungs-Gebühren noch nicht enthalten. Erneuerbare haben zudem keine Brennstoffkosten. Die Betriebskosten sind daher niedrig, der Strom an der Börse günstig.

Allerdings wehte der Wind im ersten Halbjahr vergleichsweise schwach. Ins Netz eingespeist wurde daher ein Fünftel weniger als im Vorjahreszeitraum. Auch schien die Sonne nicht so oft. Trotz des kräftigen Ausbaus der Photovoltaik-Anlagen im vergangenen Jahr floss nur wenig mehr Solarenergie an die Strommärkte.

Gas als Schlüsselenergie

Einen ausgeprägten Effekt auf die Strompreise hat das Erdgas. Dies liegt an einer Besonderheit des Marktes für Strom. Es produzieren auch um der Stabilität des Netzes willen nur so viele Kraftwerke, wie Elektrizität abgenommen wird. Zunächst werden bevorrechtigt Erneuerbare Energien eingespeist, dann folgen Atom- und Kohlekraftwerke. Den verbleibenden Bedarf bedienen Gaskraftwerke, die besonders flexibel sind, aber meist auch teurer produzieren. Sie setzen als „letztes“ Kraftwerk dann den gesamten Strompreis am Markt.

Die Gaspreise sind ebenfalls rasant gestiegen - laut EWI auf den höchsten Stand seit zehn Jahren. Gründe sind Lieferausfälle wegen Wartungsarbeiten an Pipelines und der kalte Winter in Europa. Daher sind die Speicher vergleichsweise leer und müssen nun für die nächste Kälteperiode aufgefüllt werden.

Ob die aktuelle Strompreis-Entwicklung in Deutschland sich fortsetzt, ist unter Experten umstritten. Auf der einen Seite werden Erneuerbare stark ausgebaut. Auf der anderen gehen im nächsten Jahr die letzten deutschen Atomkraftwerke vom Netz. Der Kohle-Ausstieg ist ebenfalls beschlossen. Zudem wird künftig wegen des Klimaschutzes weit mehr in erster Linie „grüner“ Strom gebraucht: für die E-Mobilität, für Wärmepumpen zur Gebäude-Heizung und für die Wasserstoff-Produktion.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Elektromobilität stärken: Bundesregierung plant Verlängerung der Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge
08.10.2025

Die deutsche Automobilindustrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Steigende Anforderungen an Klimaschutz, die Transformation hin zur...

DWN
Politik
Politik Von der Leyen wirft Russland hybriden Krieg gegen EU vor
08.10.2025

Plant Russland einen Angriff auf die EU? Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht schon jetzt Zeichen für einen Krieg – und...

DWN
Politik
Politik Kranken- und Rentenversicherung wird für Gutverdiener teurer
08.10.2025

Erwerbstätige mit höheren Einkommen müssen sich darauf einstellen, im kommenden Jahr mehr für die Renten- und Krankenversicherung zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Industrieproduktion sinkt erneut deutlich - Einbruch in der Autobranche
08.10.2025

Die deutschen Unternehmen drosseln ihre Produktion stärker als erwartet. Vor allem eine Branche verbucht ein sattes Minus. Hat das...

DWN
Panorama
Panorama Deutschlandticket: Boom vorbei - weniger Fahrgäste im Nahverkehr als vor Corona
08.10.2025

Das Deutschlandticket hat viele in Busse und Bahnen gelockt, doch der Boom ist vorbei. Fahrgastverbände und Verbraucherschützer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Vom Pflichttermin zum Strategiewerkzeug: Jahresgespräche im Wandel
08.10.2025

Was lange als lästige Pflicht galt, entwickelt sich zum strategischen Machtfaktor: Jahresgespräche sollen nicht mehr nur Protokoll...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU kämpft mit Umweltabgaben und Wettbewerbsdruck in der Düngemittelindustrie
08.10.2025

Die europäische Düngemittelindustrie steht unter erheblichem Druck. Hohe Produktionskosten, steigende Emissionsabgaben und der wachsende...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis klettert über 3.450 Euro: Zahl neuer Goldkäufer in Deutschland vervierfacht sich
08.10.2025

Der Goldpreis erreicht ein Rekordhoch nach dem anderen, auch in Euro, trotz ruhiger Märkte. Auch immer mehr Anleger in Deutschland...