Wirtschaft

Stellenaufbau in den USA verlangsamt sich deutlich

Mehrere aktuelle Datensätze deuten eine Stagnation in der amerikanischen Volkswirtschaft an. An den Finanzmärkten reagieren die Anleger nervös.
03.09.2021 15:34
Aktualisiert: 03.09.2021 15:34
Lesezeit: 2 min

Der Aufschwung am US-Arbeitsmarkt hat sich im August unerwartet stark abgeschwächt. Es entstanden 235.000 neue Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft, wie die Regierung am Freitag in Washington mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem Plus von 728.000 gerechnet, lagen also komplett daneben. Im Juli waren noch mehr als eine Million Arbeitsplätze entstanden. Die Arbeitslosenquote fiel im August dennoch von 5,4 auf 5,2 Prozent.

Die Ausbreitung der Delta-Variante dürfte dabei eine große Rolle spielen. "Insbesondere im Beherbergungs- und Freizeitbereich ist das sichtbar", sagte der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, Alexander Krüger. Besorgte Amerikaner gehen aus Furcht vor Ansteckung weniger aus oder auf Reisen, was auf den Personalbedarf in Restaurants und Hotels durchschlägt. "Die Delta-Variante ist wie ein Sandsturm in einer ansonsten sonnigen Wirtschaft", sagte Sung Won Sohn, Wirtschaftsprofessor an der Loyola Marymount University in Los Angeles. "Ohne das wäre die Beschäftigung im August höher gewesen." Zugleich lastet der Materialmangel auf der Industrie, was den Bedarf an Arbeitskräften ebenfalls drückt.

"Entspannung an der Inflationsfront sieht anders aus"

Aufgrund eines akuten Arbeitskräftemangels können die Unternehmen derzeit die Rekordzahl von zehn Millionen Stellen nicht besetzen. Das Fehlen bezahlbarer Kinderbetreuung und Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus werden dafür mitverantwortlich gemacht. Mitarbeitermangel zwingt die Arbeitgeber dazu, die Löhne zu erhöhen. Die durchschnittlichen Stundenlöhne legten im August um 0,6 Prozent zum Vormonat zu - doppelt so stark wie von Ökonomen erwartet. Im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es ein Plus von 4,3 Prozent. "Eine Entspannung an der Inflationsfront sieht anders aus", sagte der Ökonom der Landesbank Baden-Württemberg, Dirk Chlench. Manche Experten befürchten, dass sich Löhne und Preise gegenseitig nach oben schaukeln. Im Juli lag die Teuerungsrate bei mehr als fünf Prozent.

Die Finanzmärkte haben die Arbeitsmarkzahlen genau im Blick. Der Dollar wertete nach deren Veröffentlichung zum Euro ab, während die Aktienmärkte unter Druck gerieten. Eine nachhaltige Erholung am Jobmarkt gilt als eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Notenbank ihre Anschubhilfe für die von der Corona-Pandemie gebeutelte Wirtschaft in absehbarer Zeit verringern kann. Zentralbankchef Jerome Powell hat angedeutet, noch "dieses Jahr" ein Signal zu geben, wann die Anleihenkäufe gedrosselt werden.

Die Corona-Pandemie hatte die US-Wirtschaft extrem hart getroffen: Die Beschäftigung brach im Frühjahr 2020 im Rekordtempo ein. Seitdem erholt sich der Arbeitsmarkt zwar, allerdings sind immer noch viele Amerikaner ohne Job. US-Präsident Joe Biden wollte sich am Freitag zur aktuellen Lage am Arbeitsmarkt äußern.

Europas Anleger haben sich am Freitag nach den schwachen Signalen vom US-Arbeitsmarkt zurückgezogen. Der US-Dollar geriet ins Hintertreffen, auch die Aktienindizes in Europa und vorbörslich in den USA bröckelten ab. Zunehmende Inflationssorgen trieben die Renditen an den Anleihemärkten nach oben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Umfrage: Deutsche gegen militärische Führungsrolle in Europa
25.11.2025

Rente, Bürgergeld, Wehrdienst – bei solchen Themen ist die Stimmung der Bürger gut erforscht. Für die Außenpolitik gilt das hingegen...

DWN
Politik
Politik Lawrow zu Europa: "Ihr hattet eure Chancen, Leute"
25.11.2025

Haben sich die Ukraine und die USA geeinigt? Europa jedenfalls habe seine Chance verspielt, den Ukrainekonflikt politisch zu entschärfen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Biotech-Unternehmen wandern aus: Europa verliert 13 Mrd. Euro an die USA
25.11.2025

Europas Biotech-Branche steht an einem Wendepunkt, weil zentrale Finanzierungsquellen immer seltener im eigenen Markt zu finden sind....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
25.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Experten warnen vor wachsenden Risiken am Markt
25.11.2025

Die Finanzmärkte stehen unter spürbarer Spannung, während Anleger die Dynamik rund um künstliche Intelligenz bewerten. Doch weist die...

DWN
Finanzen
Finanzen Doppelbesteuerung Rente: Ob Sie betroffen sind und was Sie tun können!
25.11.2025

In Deutschland müssen auch Rentner ihre Rente versteuern, weil Renten als Einkünfte gewertet werden, obwohl Arbeitnehmer bereits im...

DWN
Politik
Politik Georgiens Krise: Welche Machtverschiebung Europa jetzt alarmieren sollte
25.11.2025

Ein Land am Schwarzen Meer verliert seine demokratischen Sicherungen, während die Regierung Kritiker verfolgt und neue Allianzen mit...

DWN
Politik
Politik Insa-Umfrage aktuell: AfD bleibt in Sonntagsfrage vor Union
25.11.2025

Die aktuelle Insa-Umfrage zeigt eine AfD auf Rekordkurs - und eine Union, die langsam näher rückt. Gleichzeitig bröckelt das Tabu-Image...