Deutschland

Union rätselt über Merkel: Warum kämpft sie nicht?

Lesezeit: 3 min
06.09.2021 17:13
Die Schwäche der Union in Umfragen hängt wohl auch damit zusammen, dass Bundeskanzlerin Merkel kaum als Wahlkämpferin in Erscheinung tritt. Der SPD-Kandidat Scholz profitiert derzeit mehr von seiner Merkel-Nähe als der Unionskandidat Laschet.
Union rätselt über Merkel: Warum kämpft sie nicht?
Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt am Montag zu der Fraktionssitzung von CDU/CSU am Bundestag an. (Foto: dpa)

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"Was für eine alberne Frage", rutscht es Armin Laschet heraus, als er gefragt wird, ob Kanzlerin Angela Merkel denn bei der Bundestagswahl mit Erst- und Zwei-Stimme die CDU wählen werde. "Natürlich" werde die Kanzlerin am 26. September CDU wählen werde. "Klar", sagt auch CSU-Chef Markus Söder der "Welt am Sonntag" auf die Frage, ob er mit der Unterstützung durch die Kanzlerin zufrieden sei. Aber auch wenn beide die Frage nach der Rolle Merkels im Wahlkampf abtun: In der Union tobt seit Wochen eine Debatte, ob Merkel denn wirklich hinter Laschet steht und ob sich die ehemalige CDU-Vorsitzende ausreichend engagiert.

An der Debatte ist die Kanzlerin nach Ansicht vieler in der Partei nicht unschuldig. So sprach sie in ihrer letzten Sommerpressekonferenz scherzend "von einer Partei, der ich nahe" stehe - bevor Merkel angesichts des Gelächters dann doch hinterher schob, dass sie CDU-Mitglied sei. "Nicht hilfreich", meint ein CDU-Bundesvorstandsmitglied. In einem Wahlkampf, in dem sich der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zu ihrem eigentlichen Erben erklärt, kommt Merkels Flapsigkeit in einer ohnehin verunsicherten CDU nicht gut an. In den 16 Jahren Amtszeit hatte sie ohnehin mehrfach den Eindruck hinterlassen, dass ihre Distanz zur Union größer wird - und Merkel fast erleichtert war, als sie 2018 den Parteivorsitz aufgab.

Auch wenn sie sich als Kanzlerin bewusst aus allen Rennen um ihre Nachfolge heraushielt: Gerade deshalb gab es Zweifel, ob sie in der Frage der Unions-Kanzlerkandidatur wirklich für Laschet oder nicht eher für Söder war. Schon da murrten viel CDU-Politiker aus dem Laschet-Lager, die Kanzlerin möge sich daran erinnern, aus welchem Stall sie komme. Dagegen meint die schleswig-holsteinische Kultusministerin Karin Prien (CDU), es verbiete sich, einer Regierungschefin mit dieser Bilanz am Ende ihrer Amtszeit Vorschriften zu machen.

Auch Laschet selbst verteidigte die Kanzlerin für ihre Zurückhaltung lange Zeit. Er müsse schon selbst die Wahl gewinnen und brauche keine Über-Mutter, die die Menschen zur Wahl ihre Nachfolgers auffordere, betonte er. Dahinter steckte wohl auch die Sorge des CDU-Chefs, dass eine Kanzlerin beim gemeinsamen Auftritt immer mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht. Aber vergangenen Mittwoch deutete der Unions-Kanzlerkandidat dann wohl auch wegen der miserablen Umfragewerte doch an, dass von Merkel nun noch mehr kommen werde.

MERKEL WECHSELT DEN MODUS - RICHTUNG KAMPF

Tatsächlich hat die CDU-Politikerin seit vergangener Woche ihre Strategie erkennbar gewechselt. In einer außenpolitischen Pressekonferenz distanzierte sie sich nach Nachfrage ungewöhnlich deutlich von SPD-Kanzlerkandidat Scholz. Sie sprach von einem "gewaltigen Unterschied" zu ihrem Vizekanzler, weil dieser eine Koalition mit der Linkspartei nicht ausschließe. Am Sonntag legte sie beim Besuch in den Flutgebieten in Nordrhein-Westfalen mit Laschet nach und betonte: "Wer so ein Land führen kann, kann auch die Bundesrepublik Deutschland als Kanzler führen. Armin Laschet weiß um meine Unterstützung."

Beim Versuch der über die Umfragen erschreckten Union, die Reihen zu schließen, tritt sie am Montagabend nun auch zusammen mit Laschet bei einer Digitalveranstaltung der Union auf. Am Dienstag kann man bei der wohl letzten Generaldebatte im Bundestag vor der Wahl davon ausgehen, dass sich Merkel und Laschet in zentralen Punkte ergänzen werden.

Das war allerdings nicht immer so. Denn in der Corona-Pandemie wirkte es lange, als ob die Kanzlerin eher auf der Seite des härter erscheidenden CSU-Chefs Söder stand als bei Laschet. Umgekehrt versucht sich Laschet von der Über-Kanzlerin freizuschwimmen. Am Samstag etwa griff er die Bundesregierung wegen der Afghanistan-Politik frontal an. Zwar gilt der Hauptvorwurf einer verschleppten Evakuierung der afghanischen Ortskräfte eher dem SPD-geführten Außenministerium. Aber wenn der NRW-Ministerpräsident den fehlenden Entscheidungswillen in der Bundesregierung beklagt, ist damit auch Merkel gemeint, die den Ministerien in den 16 Jahren ihrer Amtszeit große Freiräume gab. Den vom CDU-Chef geforderten Nationalen Sicherheitsrat im Kanzleramt hat die Kanzlerin jedenfalls nie eingerichtet.

Zudem stellt sich die Frage, ob das Zusammenspiel zwischen Kandidat und Kanzlerin in der Praxis im Endspiel funktioniert. Denn die Union hat anders als die SPD das Problem, mit einem amtierenden Ministerpräsidenten in die Wahl zu gehen, der schon wegen der Flutkatastrophe einen dichten und sich dauernd ändernden Zeitplan hat - ebenso wie die Kanzlerin nach dem Afghanistan-Disaster. Merkel will zudem erkennbar in der ihr noch verbleibenden Zeit ihr wichtige Themen in der Außenpolitik vorantreiben - und reist wieder. Das bringt Konflikte im Rennen um mediale Aufmerksamkeit. So zum Beispiel am kommenden Samstag: Da wollen Söder und Laschet auf dem CSU-Parteitag eigentlich lautstark das Signal zur Einheit in der Endphase des Wahlkampfes geben. Aber gleichzeitig führt Merkel Gespräche in Polen.


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