Deutschland

Deutsche Produktion im Juli gestiegen, Negativserie gestoppt

Industrie, Bau und Energieversorger stellten mehr her als im Vormonat. Das war die erste Steigerung nach zuvor drei Rückgängen in Folge.
07.09.2021 08:35
Aktualisiert: 07.09.2021 08:35
Lesezeit: 2 min

Die deutsche Wirtschaft hat ihre Produktion im Juli trotz Engpässen bei wichtigen Vorprodukten gesteigert. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 1,0 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag mitteilte. Das war die erste Steigerung nach zuvor drei Rückgängen in Folge und überhaupt erst das zweite Plus in diesem Jahr. Von Reuters befragte Ökonomen hatten einen Zuwachs von 0,9 Prozent vorausgesagt, nach minus 1,0 Prozent im Juni. Trotz des Anstiegs liegt die Produktion noch 5,5 Prozent niedriger als im Februar 2020, dem Monat vor dem Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in Deutschland.

Am Bau gab es ein Plus von 1,1 Prozent, während die Energieerzeugung um 3,2 Prozent zum Vormonat sank. Die Industrieproduktion allein legte diesmal um 1,3 Prozent zu. "Auch wenn die Lieferengpässe bei Halbleitern, die zuletzt die Produktion bremsten, noch eine Zeit lang fortbestehen dürften, deuten die Zahlen darauf hin, dass der Tiefpunkt nun überwunden sein könnte", schrieb das Ministerium. Ähnlich sehen das Ökonomen. "Der Konjunkturmotor brummt zwar, aber er läuft nicht rund", sagte der Chefvolkswirt von Union Investment, Jörg Zeuner. "Die immer noch anhaltenden Lieferengpässe haben der Industrie das Geschäft teilweise verhagelt, denn die außerordentlich große Nachfrage hätte durchaus eine noch stärkere Ausweitung der Produktion erlaubt."

Produktionserwartungen legen zu

Die Industrie hat derzeit prall gefüllte Auftragsbücher. Im Juli gab es sogar einen Rekordauftragseingang. Vielfach können die Bestellungen jedoch nicht rasch abgearbeitet werden angesichts akuter Engpässe bei Vorprodukten wie Mikrochips. 70 Prozent der Industrieunternehmen geben derzeit an, dass ihnen Engpässe zu schaffen machen, wie das Ifo-Institut in seiner Firmenumfrage herausfand.

Die Industrie geht aber davon aus, künftig wieder mehr herzustellen. Das Barometer für die Produktionserwartungen kletterte im August um vier auf 27 Punkte, wie das Ifo-Institut ermittelte. Das ist ein sehr hoher Wert im langjährigen Vergleich. "Offenbar hoffen die Firmen, dass sich die Lieferengpässe bei Vorprodukten in den kommenden Monaten langsam auflösen", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Merklich gestiegen sind die Erwartungen in der Autobranche, in der Chemieindustrie und im Maschinenbau.

Damit der Konjunkturmotor in Schwung bleibt, dürfen sich die Lieferengpässe nicht verschärfen. "Doch auch dann wird sich die Lücke zwischen Nachfrage und Angebot nicht von heute auf morgen schließen", sagte Chefökonom Zeuner. "Manche Branchen wie etwa die Automobilindustrie könnten mit einem Ende der Schwierigkeiten erst im Jahr 2023 rechnen." Immerhin sehe es aber danach aus, dass viele Aufträge nicht storniert würden, sondern sich nur in die Zukunft verschöben.

Ökonomen zur wachsenden deutschen Produktion

CARSTEN BRZESKI, ING:

"Es sei daran erinnert, dass die deutsche Industrieproduktion trotz der Aufhebung von Corona-Beschränkungen in der ganzen Welt im zweiten Quartal enttäuschte. Sie ging zwischen April und Juni in jedem Monat zurück. Spannungen in der Lieferkette wie die Blockade des Suezkanals und Lieferprobleme bei Halbleitern beeinträchtigten wichtige Sektoren der deutschen Industrie. Die Spannungen in der Versorgungskette sind zwar nicht verschwunden, aber zumindest im Juli war der Druck aus den vollen Auftragsbüchern und den niedrigen Lagerbeständen einfach zu stark, als dass die Industrieproduktion nicht hätte ansteigen können."

JENS-OLIVER NIKLASCH, LBBW:

"Das lag im Rahmen der Erwartungen. Angesichts der Rückstandes zum Vorkrisenniveau könnte man zwar sagen, dass die Produktion dynamischer wachsen sollte. Aber vor dem Hintergrund der jüngsten Enttäuschungen gerade in diesem Bereich kann man mit dem Auftakt des dritten Quartals trotzdem zufrieden sein."

THOMAS GITZEL, VP BANK:

"Was für ein seltener Anblick: Die Industrieproduktion ist endlich einmal mit einem positiven Vorzeichen versehen. Im jeweiligen Monatsvergleich ist dies im laufenden Jahr gerade einmal das zweite Mal, dass ein Zuwachs zu verzeichnen ist. Trotz proppenvoller Auftragsbücher war die Entwicklung der Industrieproduktion bislang ein Trauerspiel. Der Materialmangel bremst die Produktion aus."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Home-Office und Feierabend: Warum das Recht auf Abschalten jetzt gesetzlich gestärkt wird
11.11.2025

Die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen, besonders im Home-Office. Viele fühlen sich nach Feierabend verpflichtet, E-Mails...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland verschlechtern sich unerwartet
11.11.2025

Die ZEW-Konjunkturerwartungen liefern ein wichtiges Signal für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands. Doch die Stimmung der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EuGH kippt Teile der EU-Mindestlohnrichtlinie: Was das für den Mindestlohn in Deutschland bedeutet
11.11.2025

Die EU-Mindestlohnrichtlinie sollte faire Bezahlung europaweit sichern – doch nun hat der Europäische Gerichtshof zentrale Teile...

DWN
Finanzen
Finanzen Hensoldt-Aktie rutscht ab: Rüstungskonzern will weiter zulegen – Ziele enttäuschen Anleger
11.11.2025

Die Hensoldt-Aktie gerät nach ambitionierten Wachstumsprognosen und enttäuschenden Kurzfristaussichten in Bewegung. Zwischen hohen...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto-Prognose: Bitcoin-Kurs zwischen Stabilisierung und freiem Fall
11.11.2025

Kryptowährungen befinden sich im Abwärtstrend, auch der Bitcoin-Kurs geht am Dienstag wieder auf Tauchstation. Sicherheitsvorfälle und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Agenda 2030: Reiche fordert Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik
11.11.2025

Deutschland steht vor einem wirtschaftspolitischen Wendepunkt. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche fordert mit ihrer Agenda 2030...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Institut warnt: Deutsche Industrie verliert weiter an Wettbewerbsfähigkeit
11.11.2025

Die deutsche Industrie steht vor einer Bewährungsprobe: Steigende Energiekosten, Fachkräftemangel und globale Konkurrenz setzen den...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs: Erholungsversuch geht beim DAX aktuell weiter – Ende des US-Shutdowns in Sicht
11.11.2025

Der DAX-Kurs zeigt im Börsenhandel am Dienstag wieder seine aktuelle Stärke – doch wie nachhaltig ist der Aufwärtstrend beim DAX...