Technologie

Gigantischer Stromkonsum sprengt die Energiewende

Lesezeit: 7 min
11.09.2021 10:29
Nicht nur immer mehr Computer und Pkw sollen künftig elektrisch betrieben werden, sondern zum Beispiel auch Flugzeuge und Lastkraftwagen. Mit Strom aus Wind- und Sonnen-Anlagen allein kann dies nicht funktionieren.
Gigantischer Stromkonsum sprengt die Energiewende
Stromkunsum wird zum Problem. (Foto: dpa)

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Die Digitalisierung ist erst in den Anfängen einer Entwicklung, die alle Lebensbereiche erfasst, und lässt die Zahl der Computer ständig explosionsartig wachsen. Und mit der Zunahme der Computer steigt auch der Strombedarf. Schon jetzt gehören die Cloud-Zentralen mit tausenden Computern, die hunderttausende Kunden bedienen, zu den größten Verbrauchern. Es ist leicht abzuschätzen, dass in den nächsten Jahren ein Vielfaches des jetzigen Volumens anfallen wird. Diese Entwicklung ist unaufhaltsam schon im Gange. Noch in den Kinderschuhen steckt der Umstieg auf Elektro-Autos. Gelingt aber dieses Projekt, so entsteht hier ein weiterer gigantischer Stromkonsum, wobei zu beachten ist, dass nicht nur PKW, sondern vom Flugzeug bis zum LKW alle Transportmittel elektrisch betrieben werden sollen. Kommt zudem auch der Wechsel aller privaten Zentralheizungs- und Warmwasseranlagen auf Elektrogeräte, so wird der Stromverbrauch durch einen weiteren Turboschub gesteigert. Diese gigantische Nachfrage soll mit Strom aus Wind- und Sonnen-Anlagen befriedigt werden. Das ist schlicht unmöglich

Die Digitalisierung wird gefeiert. Der damit verbundene Strombedarf wird übersehen.

Die Cloud-Fabriken sind die Motoren der modernen Wirtschaft und tragen somit entscheidend zur Überwindung der Corona-Krise und zur Erschließung neuer Märkte, neuer Produkte und neuer Dienstleistungen bei. Die Digitalisierung wird zudem allgemein begrüßt. Auch von den Umweltaktivisten, die ständig eine Reduktion des Stromverbrauchs einfordern und dabei die Industrie an den Pranger stellen. Die Industrie ist ohne Zweifel ein Großverbraucher, doch der Stromverbrauch der Clouds übertrifft alle bisherigen Volumen. Im Mittelpunkt steht folglich die Notwendigkeit einer ausreichenden Stromproduktion.

Die Sicherheit der Stromversorgung ist durch Wind und Sonne nicht gewährleistet.

Diese ist derzeit nicht gegeben. Jede Gemeinde ist zwar froh, wenn sie eine Cloud-Fabrik beherbergen kann, die Bereitstellung des Stroms für den Betrieb und die Kühlung muss aber das nächste E-Werk sicherstellen. Und damit ist man bereits beim Thema Nummer 1: Was geschieht, wenn das E-Werk Lieferprobleme hat, wem wird dann der Strom abgeschaltet, der Cloud oder den Privathaushalten in der Heimatgemeinde der Cloud? Die Cloud-Betreiber schließen mit den Energieversorgern Verträge ab, in denen die Liefersicherheit verankert ist. Liefersicherheit ist aber genau der Schwachpunkt der aktuellen Energiepolitik.

Kompromisslos wird der Einsatz der Sonnen- und der Windenergie forciert, die anderen Energieträger – Kohle, Öl, Gas und Atom – werden mit aller Kraft reduziert. Nur: Die Sonne scheint nicht immer und vor allem in Europa meist nicht mir entsprechender Dauer und Stärke, auch auf den Wind ist nicht Verlass. Somit kann auf die anderen Energieträger nicht verzichtet werden. Frivol ist der ständig wiederkehrende Hinweis, dass in Deutschland schon 50 Prozent des Stroms aus alternativen Quellen kommt. Ja, wenn von Mai bis September schönes Wetter ist. Die Sonnenstrahlen vom August kann man aber nicht bis November aufheben. Dazu müssten endlich Batterien und Akkumulatoren entwickelt werden, die Strom in großen Mengen speichern könnten.

Die Nachfrage nach Handys und anderen elektronischen Geräten verhindert einen Maschinensturm auf die Clouds

Man mag noch so viele Nachhaltigkeits-Parolen dreschen und von einer grünen Welt träumen, ein Cloud-Betreiber wird stets die kontinuierlich sichere Belieferung aus einem Kohle- oder aus einem Atomkraftwerk bevorzugen. Und die IT-Industrie kann nicht populistisch und publikumswirksam als böse Macht sabotiert werden, weil die Clouds auch das Funktionieren der Handys, Spielkonsolen und Heimcomputer ermöglichen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sämtlichen Unternehmen ohne IT-Anlagen und somit ohne die Clouds nicht mehr existieren könnten. Es ist also unbegreiflich, warum die Energiepolitik nicht den intelligenten und praxisnahen Weg beschreitet und sich einem machbaren Motto widmet: „So viel Strom aus Sonne und Wind wie möglich, so viel traditionelle Kraftwerke wie nötig.“ Allen Parolen zum Trotz, es wird nichts anderes übrig bleiben als einen vernünftigen Energie-Mix umzusetzen.

Die derzeit von der Politik betriebene Forcierung von Strom aus Sonnen- und Windenergie erinnert an den Eifer religiöser Fundamentalisten. Diese Ausrichtung, die nicht in Alternativen denken lässt, bremst jede Entwicklung.

Die Betonung der reinen E-Autos ist eine Folge des grünen Fundamentalismus

In Kürze soll der Verkauf von Benzin- oder Dieselfahrzeugen verboten werden. Noch ist nicht davon die Rede, dass alle in Betrieb befindlichen Benzin- und Dieselautos an einem Tag verschrottet werden müssen, man will doch den Wechsel durch die Besitzer abwarten. Letztlich sollen aber die knapp 66 Millionen Fahrzeuge, die heute in Deutschland unterwegs sind und mit ihnen die hunderten Millionen weltweit durch E-Autos ersetzt werden. In Deutschland würden die E-Fahrzeuge geschätzt zwischen 130 und 150 Milliarden Kilowattstunden verbrauchen und somit den gesamten deutschen Strombedarf um etwa 30 Prozent steigern. Auch in diesem Zusammenhang wird der Einsatz von Sonne und Wind propagiert, auch hier ist die Wetterabhängigkeit problematisch. Doch für den Transportbereich bietet sich eine spezielle Perspektive an, die ebenfalls durch den fundamentalistischen Eifer gegen fossile Brennstoffe bekämpft wird.

Akzeptiert werden nur reine Elektro-Autos. Die so genannten Hybrid-Autos, die eine Kombination von Elektro und Benzin, Öl oder Gas vorsehen, werden abgelehnt, weil dann letztlich doch fossile Energie zum Einsatz kommt. Dabei haben Hybrid-Autos den großen Vorteil, dass die Energie nicht vom Kraftwerk geliefert werden muss, sondern dass das Auto grundsätzlich den Strom selbst erzeugt, weil mit dem Fahrprozess die Batterie aufgeladen wird. Man wechselt also zwischen Benzin- und Elektro-Antrieb, je nach Ladestand der Batterie. Manche Hybrid-Autos brauchen eine zusätzliche, externe Aufladung, doch entsteht bei der Hybrid-Technologie nicht die explosionsartige Zunahme des Stromverbrauchs wie bei der Umstellung des gesamten Verkehrs auf reine E-Autos. Warum setzt die Energiepolitik nicht auf diese Variante, die sicher noch entwicklungsfähig ist?

In die Praxis übersetzt bedeutet die Energie-Wende eine Verdoppelung des Stromverbrauchs

Die Umstellung auf Strom, der aus Sonne und Wind produziert wird, soll auch die Haushalte erfassen. In der Bundesrepublik gibt es fast 42 Millionen Haushalte, die zumeist mit einer Gastherme Warmwasser produzieren und die Zentralheizung betreiben, einen Heizölkessel haben oder Kohle verwenden. Will man die Haushalte auf Strom umstellen, so benötigt man zusätzlich rund 125 Milliarden Kilowattstunden, also weitere 25 Prozent des derzeitigen Strombedarfs von über 500 Mrd. kWh.

Noch ist die Digitalisierung im Wachsen. Der Verbrauch der Cloud-Fabriken in Deutschland wird nicht ausgewiesen, weil die Unternehmen das Thema als Betriebsgeheimnis betrachten, doch kann man von einem Jahresbedarf von derzeit etwa 25 Mrd. kWh ausgehen. Die geplante Umstellung des Verkehrs auf E-Fahrzeuge würde zusätzlich 130 bis 150 Mrd. kWh auslösen, die Haushalte müssten mit weiteren 125 Milliarden beliefert werden. Die Grün-Politik bedeutet also in der Realität einen zusätzlichen Strombedarf von 280 bis 300 Milliarden kWh auf Basis der aktuellen Gegebenheiten. Durch die Digitalisierung steigt dieser Wert laufend an, sodass man sich bald auf eine Verdoppelung des derzeitigen Bedarfs von über 500 Mrd. kWh einstellen muss.

Die Alternativen sind extrem teuer. Ihre Möglichkeiten werden überschätzt.

Selbst wenn in Deutschland jedes Dach mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet und ein dichter Wald von Windanlagen im gesamten Bundesgebiet gebaut wird, wenn die Nord- und die Ostsee komplett zu einem Windpark umfunktioniert werden, schaffen die „Alternativen“ die Deckung des Bedarfs auch nicht einmal in den Perioden, in denen die Sonne scheint und der Wind weht. Zuletzt haben Sonne und Wind gemeinsam 180 Milliarden kWh geliefert, berücksichtigt man auch die Wasserkraft und die Biomasse, die nur schwer zu steigern sind, kam man auf 247 Mrd. kWh im Jahr.

Deutschland ist weltweit führend bei der Förderung von Energie aus Wind und Sonne. Finanziert wird der Ökostrom über Aufschläge, die die Konsumenten bei jeder Kilowattstunde mitbezahlen. 2021 erreichte die Subvention 30 Mrd. Euro, ein Beitrag, den andere Länder für den Ökostrom nicht zu zahlen bereit sind. Will man nur annähernd die Zusatzkosten im Gefolge der Energiewende abdecken, so wären weitere 30 Mrd. Euro erforderlich. Der ohnehin europaweit höchste Strompreis in Deutschland würde also noch einmal kräftig ansteigen. Zur Orientierung: 30 Milliarden bedeuten auf den einzelnen Bundesbürger umgelegt rund 350 Euro im Jahr.

Auch schläft die Konkurrenz nicht. Seit Jahrzehnten demonstrieren die Erdöl produzierenden Länder eine geschickte Preispolitik: Man hält den Preis einer Energie-Einheit stets unter den Kosten, die bei den anderen Energien anfallen. Mit dieser Vorgangsweise wurde ab den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Vormacht der Kohle gebrochen und ähnlich agiert man jetzt gegen Wind und Sonne. Das war vor kurzem angesichts extrem niedriger Ölpreise keine besondere Herausforderung, aber auch jetzt, im Zuge der wieder anspringenden Konjunktur und einem mittlerweile von 40 auf 70 Dollar angestiegenen Preis, werden Wind und Sonne diesen Druck zu spüren bekommen. Im Sog der Ölpreise entwickeln sich die Gaspreise ähnlich.

Der aktuelle UNO-Klimabericht relativiert die bisherigen Szenarien. Doch die Katastrophen-Rhetorik ist unverändert.

Die Realität zeigt, dass die hoch gesteckten Ziele der „Energiewende“ nicht umsetzbar sind. Allerdings dürfte die drohende Katastrophe nicht so groß sein, wie vielfach angenommen wurde und wird. Hier kommt nun kein Skeptiker zu Wort, sondern das UNO-Gremium für Energie, das seit Jahren mit drastischen Erklärungen ein apokalyptisches Szenario zeichnet und nun, in seinem vor wenigen Tagen erschienen Bericht, sehr vorsichtig formuliert und vor allem den Politikern jedenfalls bis 2040, aber in etwa auch bis 2060, also für fünf bis zehn Legislaturperioden eine Art Entwarnung liefert.

Im IPCC-Report auf Seite 41 stehen die Prognosen für die wahrscheinliche Klimaerwärmung, wobei mehrere Varianten ausgewiesen werden und hier das Szenario „very likely range“ zitiert sei. Demnach dürfte die befürchtete Klimaerwärmung um 2 Grad gegenüber der vorindustriellen Periode 1850 bis 1900 jedenfalls in den nächsten Jahrzehnten nicht eintreten.

Die Tabelle weist 5 Kategorien aus, in der Kategorie 1 werden umfassende Maßnahmen gegen CO2, Methan und andere Treibhausgase angenommen, in den folgenden wird ein jeweils geringerer Einsatz unterstellt, in der Kategorie 5 geht man von einer unveränderten Struktur des Energiekonsums aus.

Erwartete Klimaerwärmung um Grade:

2021-2040 2041-2060 2081-2100

Kategorie 1 1,2 – 1,7 1,2 – 2,0 1,0 – 1,8

Kategorie 2 1,2 – 1,8 1,3 – 2,2 1,3 – 2,4

Kategorie 3 1,2 – 1,8 1,6 – 2,5 2,1 – 3,5

Kategorie 4 1,2 – 1,8 1,7 – 2,6 2,8 – 4,6

Kategorie 5 1,3 – 1,9 1,9 – 3,0 3,3 – 5,7

Leider kommt diese Prognose aus dem 6. Berichts der UN-Klimakonferenz nicht in den Presseerklärungen und sonstigen öffentlichen Aussagen zum Ausdruck. Da hat man die alarmierende Katastrophen-Rhetorik beibehalten und bedient weiter den fundamentalistischen Eifer.

Nur mit Sachpolitik ist der Klimawandel zu bewältigen. Parolen laden zum Nichtstun ein.

Der neue Bericht ist ausdrücklich an die Politik adressiert und könnte zu einer realistischen und machbaren Politik beitragen. Statt die alternativen Energien zu einem Fetisch und einem Allheilmittel hochzustilisieren, wäre es an der Zeit Wind und Sonne so weit wie praktisch möglich zu nutzen, aber auch die anderen Energieträger nicht zu verteufeln.

Vor allem aber dürfte der Hinweis, dass in den nächsten Jahrzehnten die tausendfach zitierte Klimaerwärmung nicht eintreten wird, kein Anlass zur Beruhigung sein. Der Klimawandel ist jetzt objektiv gegeben und aktuell Woche für Woche spürbar, die Stürme, Starkregen, Hagelniederschläge, die einander abwechselnden Hitze- und Kälteperioden sprechen eine deutliche Sprache. Hier und jetzt. Da wären Auffangbecken für die in kurzen Abständen herabstürzenden Wassermassen zu bauen, da müssten die Dächer und die Keller besser gesichert werden. Und für die extrem warmen Sommer wären die Voraussetzungen für Klimaanlagen zu schaffen, Anlagen, die derzeit tausendfach gekauft und installiert werden, ohne dass man zur Kenntnis nimmt, dass sich hier ein weiterer, zusätzlicher, nicht abgesicherter Stromverbrauch aufbaut. Nicht zuletzt wären umfangreiche Aufforstungen durchzuführen, da Bäume die besten CO2-Speicher sind.

Mit dem derzeit betriebenen, fundamentalistischen Aktionismus werden die Probleme nicht gelöst. Man begnügt sich mit markigen Ankündigungen und glaubt damit Politik zu betreiben. Die notwendigen Maßnahmen werden nicht ergriffen. Die Umwelt- und Klimapolitik steckt in einer Sackgasse, der englische Ausdruck „dead end“, totes Ende, beschreibt die Situation genauer.

                                                                            ***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.


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