Finanzen

Inflation im Euro-Raum auf Rekordhoch – „Worauf wartet die EZB?“

Lesezeit: 2 min
07.01.2022 15:57  Aktualisiert: 07.01.2022 15:57
Die Inflation im Euro-Raum ist im Dezember überraschend auf ein erneutes Rekordhoch gestiegen. „Worauf wartet die EZB noch?“, fragt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Inflation im Euro-Raum auf Rekordhoch – „Worauf wartet die EZB?“
Die Lichter in den Büros der Europäischen Zentralbank (EZB) leuchten im letzten Licht des Tages. (Foto: dpa)
Foto: Boris Roessler

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Inflation im Euro-Raum ist im Dezember überraschend auf ein erneutes Rekordhoch gestiegen. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 5,0 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag zu seiner ersten Schätzung mitteilte. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Statistik 1997. Im November hatte die Teuerungsrate bei 4,9 Prozent gelegen. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten einen Rückgang auf 4,7 Prozent erwartet. Die Inflationsrate liegt damit weit mehr als doppelt so hoch wie das Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB), die mittelfristig eine Rate von 2,0 Prozent als optimalen Wert für die Wirtschaft anpeilt.

Damit werde es für die Währungshüter um EZB-Präsidentin Christine Lagarde schwieriger, ihre extrem lockere Geldpolitik zu rechtfertigen. „Der Inflationsdruck ist hoch“ , sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Worauf wartet die EZB noch?“ Während etwa die US-Notenbank Fed im Kampf gegen die hohe Teuerung für dieses Jahr mehrere Zinserhöhungen signalisiert, schließt die EZB dies bislang aus. „In den USA möchte man mittlerweile von einem nur temporären Anstieg der Inflationsraten nichts mehr wissen“, sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. „Die EZB hält aber genau an dieser Sichtweise fest.“ Höhere Zinsen machen Kredite teurer, was die Nachfrage und damit den Preisauftrieb dämpfen kann. Außerdem könnte der Euro von höheren Zinsen profitieren, was wiederum Importe verbilligen würde.

Die EZB hat kürzlich ihre Inflationsprognose für das neue Jahr auf 3,2 Prozent angehoben und damit fast verdoppelt. In den Reihen der Euro-Hüter sind zuletzt allerdings Warnungen vor einer länger anhaltenden hohen Inflation laut geworden. Die EZB-Prognose, wonach die Teuerungsrate 2023 wieder unter zwei Prozent fallen werde, könne etwas zu rosig sein, sagte etwa der niederländische Notenbankchef Klaas Knot. In der deutschen Wirtschaft herrscht angesichts der hohen Inflation bereits Unmut über die Geldpolitik. „Die EZB tut nicht zu wenig, sie tut das Falsche“, sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, kürzlich zu Reuters. „Dass sie in Krisenzeiten zur Stabilisierung der Staatsfinanzen beiträgt, kann politisch durchaus gerechtfertigt werden - aber nicht auf Dauer.“ Langfristig gefährde dies das Vertrauen in die Währung durch Geldwertvernichtung. Eine Abkehr von dieser Politik sei daher erforderlich.

Stärkster Preistreiber war erneut Energie, auch wenn sie sich am Jahresende mit 26,0 Prozent etwas weniger stark verteuerte als im November mit 27,5 Prozent. Ohne Energie und unverarbeitete Lebensmittel hätte die Teuerungsrate nur 2,7 Prozent betragen. Lebensmitteln, Alkohol und Tabak kosteten 3,2 Prozent mehr als im Dezember 2020. Industriegüter (ohne Energie) verteuerten sich um 2,9 Prozent, Dienstleistungen um 2,4 Prozent.

Experten gehen davon aus, dass der Höhepunkt der Inflation überschritten ist. Gleichwohl dürfte die Zwei-Prozent-Marke noch eine ganze Weile nicht erreicht werden. „Als Risiko verbleibt indes eine fortwährende Verspannung internationaler Lieferketten“, warnte Ökonom Gitzel. "Würden dadurch vielfältige Güter weiter knapp bleiben, bestünde weiterer Teuerungsdruck." Kämen dann noch höhere Lohnforderungen der Arbeitnehmer hinzu, bliebe das Preisgefüge noch über einen längere Zeit in Bewegung.

Der EZB-Rat hatte im Dezember zwar das Ende der Anleihen-Zukäufe über das 1,85 Billionen Euro schwere Pandemie-Notprogramm PEPP ab dem Frühjahr beschlossen. Fällige Tilgungsbeträge sollen jedoch noch bis mindestens Ende 2024 reinvestiert werden. Damit die Finanzmärkte nach dem Auslaufen der PEPP-Zukäufe ab April 2022 nicht auf dem Trockenen sitzen, schafft die EZB zudem eine flexible Brücke über das kleinere Anleihenprogramm namens APP. Dessen Ende, das als eine Voraussetzung für eine Zinswende gilt, ließen die Währungshüter aber bewusst offen. EZB-Chefin Christine Lagarde ließ durchblicken, dass die Nullzinspolitik auch im Jahr 2022 fortgesetzt werden soll.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Erbschaftssteuer: Droht durch Klage Bayerns ein Wettbewerb der Länder beim Steuersatz?
07.05.2024

In Karlsruhe wird es diesen Sommer mal wieder um den Dauerbrenner Erbschaftssteuer gehen. Schon zweimal hat das Verfassungsgericht von der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Menge sichergestellten Kokains im Hamburger Hafen verdreifacht
06.05.2024

Im Hamburger Hafen werden alle nur erdenklichen Waren umgeschlagen - auch Drogen. Immer mehr Kokain findet durch das Tor zur Welt seinen...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Der internationale Handel und Kriege im Fokus bei Xi-Besuch in Frankreich
06.05.2024

Auf gute Stimmung machen in Europa: Chinas Staatspräsident Xi besucht seit fünf Jahren mal wieder Frankreich und lächelt, als ihn...

DWN
Politik
Politik Neues Gesicht in der CDU: Helmut Kohl-Enkel will in Bundesvorstand gewählt werden
06.05.2024

Die Kinder von Helmut Kohl haben auf eine Karriere in der Politik verzichtet. Jetzt versucht der Enkel des früheren Bundeskanzlers,...

DWN
Politik
Politik Friedrich Merz bleibt Parteichef: CDU zur sofortigen Regierungsübernahme bereit
06.05.2024

Die CDU trifft sich zum dreitägigen Bundesparteitag in Berlin. Es geht um die Verabschiedung des neuen Parteiprogramms der Union und auch...

DWN
Politik
Politik Scholz zu Besuch in Litauen: „Jeden Zentimeter ihres Territoriums verteidigen"
06.05.2024

Mit der anlaufenden Stationierung einer gefechtsbereiten Brigade an der Nato-Ostflanke geht Deutschland im Bündnis voran. Der...

DWN
Politik
Politik Über Fidschi nach Down under: Annalena Baerbock an der Frontlinie der Klimakrise
06.05.2024

Sie zählen zu den kleinsten Klimasündern, haben aber am stärksten unter den Folgen der Erderwärmung zu leiden. Baerbock ist um die...

DWN
Technologie
Technologie Sprunginnovation: In der Lausitz wird das größte Höhenwindrad der Welt errichtet
06.05.2024

Die Sache klingt zunächst irgendwie tragisch. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen versucht, in der Lausitz in 365 Metern Höhenwinde...