Finanzen

Finanz-Berater: "Ein Anleger sollte überhaupt nicht in Gold investieren"

Lesezeit: 6 min
10.02.2022 10:18
Viele Investmenthäuser raten ihren Kunden, sich unbedingt Gold ins Depot zu holen, weil dies in Krisenzeiten eine hervorrage Absicherung sei. Das sieht der Berliner Berater Klaus Porwoll vollkommen anders.
Finanz-Berater: "Ein Anleger sollte überhaupt nicht in Gold investieren"
Der Kongress-Saal in der Mainzer "Rheingoldhalle" mit seinen Wänden in Gold-Anmutung. (Foto: dpa)

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Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie ist die Krise aus Anlagesicht zu bewerten?

Klaus Porwoll: Wissenschaftlich ist erwiesen, dass die Krise aus vier Phasen besteht. Wir befinden uns jetzt bereits in der vierten und letzten Phase. Grundsätzlich lässt sich nie genau vorhersagen, wie die Entwicklung verlaufen wird. Erst wenn das Ereignis eingetreten ist, kann man rückwirkend analysieren, welche Ursachen wohl dazu geführt haben. Derzeit belastet die Ausbreitung der Omikron-Varianten die Märkte – ein ganz wichtiger Faktor. Das haben wir an zahlreichen Einbrüchen gesehen, die es aktuell immer wieder gegeben hat.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Verläuft denn die medizinische Krise, die durch die Pandemie ausgelöst worden ist, genauso wie die wirtschaftliche Krise?

Klaus Porwoll: Besonders wichtig ist, dass das Wirtschaftssystem während der gesamten Krise relativ stabil geblieben ist. Sie wurde durch einen medizinischen Faktor ausgelöst – und zwar durch die plötzliche Verbreitung eines damals unbekannten Virus. Das Günstige für die Beobachter daran ist, dass die Entwicklung der Krise bisher sehr transparent verlaufen ist. Sie wird im Wesentlichen von der Unsicherheit bestimmt, welche Impfstoffe wie am besten eingesetzt werden. Andere bedeutsame Fragen, die sich dabei entwickeln, sind die, wie man sich vor neuen Pandemien schützen kann. Dabei gab es Wirtschaftszweige, die stark gelitten haben, wie die Flugindustrie, denen die Reisebeschränkungen sehr zu schaffen gemacht haben. Darüber hinaus war das Gastronomiegewerbe davon betroffen. Wir Anlageberater haben allerdings weniger die Gaststätten-Eigentümer beobachtet als die Unternehmen der Luftfahrtindustrie, weil diese Firmen oft börsennotiert sind und somit für uns grundsätzlich als Investments in Frage kommen. Denn wir investieren in Unternehmen, die an der Börse notiert sind.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Gut, dann sprechen wir jetzt konkret über Anlagen. Der Goldpreis ist im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr sogar rückläufig gewesen. Der Dax hingegen ist um rund 16 Prozent gestiegen. Eigentlich sagt man immer, die Anleger würden in der Krise gerade auf Gold zurückgreifen. Wie bewerten Sie die Entwicklung?

Klaus Porwoll: Es waren im vergangenen Jahr generell starke Kursschwankungen zu sehen. Anleger, die auf kurzfristige Investments setzen, haben oft die Szenerie bestimmt. Sie haben investiert, aber sofort wieder ihre Engagements beendet. Meistens haben wenig seriöse Anlageberater starke Wachstumsprognosen für den Goldpreis gemacht und diese Anleger dazu ermutigt, schnell zu investieren. Doch sind diese Erwartungen dann doch nicht eingetreten, so dass die Investoren erneut rasch ihre Aktivitäten aufgegeben haben. Deshalb würde ich hier nicht von investieren, sondern von spekulieren sprechen. Ganz wichtig: Wir haben bei uns keinen Anleger, der in Gold investiert – außer vielleicht diejenigen, die privat Goldmünzen halten. Diese haben in der Regel nur ein privates Vergnügen, solche Münzen zu sammeln. Sie nutzen das Gold aber nicht als richtiges Investment.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Probleme gibt es aus Ihrer Sicht bei Investments in Gold?

Klaus Porwoll: Es geht immer darum, die Geldentwertung auszugleichen, die durch Inflation entsteht, und stets darum, auch noch eine gute Rendite zu erzielen. Ich muss mich immer fragen: Was bringt mir mein Investment, wenn ich die Belastungen herausgerechnet habe, die durch den Markt entstehen? Das Problem: Wenn Sie sich langfristig die Entwicklung beim Goldpreis nach Inflation anschauen, dann stellt sich heraus, dass die Renditen beim Gold gar nicht hoch sind. Und genau das muss ich als Anlageberater immer berücksichtigen. Ein Anleger, der in Gold investiert, hat selbstverständlich einen Wertzuwachs. Doch ist die Frage, ob es nicht noch bessere Alternativen gibt. Und genau das ist hier der Fall. Der weltweite Aktienmarkt hat in dem Zeitraum von 1975 bis heute rund vier Prozent mehr an inflationsbereinigter Rendite per annum erzielt als Gold und das bei einem Drittel weniger an Volatilität, also mit weniger Schwankungsbreite und damit weniger Risiko. Natürlich könnten wir auch Investments in Edelmetalle anbieten, doch sind diese Engagements aus unserer Sicht weniger attraktiv. Oft haben die Anleger einfach nur sehr große Wissenslücken bei dem Thema. Und genau hier wollen wir Aufklärung leisten.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Woran liegt das?

Klaus Porwoll: Die Informationen, die Anleger zum Thema Geld erhalten, stehen immer unter einem starken Vorbehalt. Es gibt zwar viele gute Artikel im Internet, auf die Investoren zugreifen können. Doch wird dieses Wissen nie in der Schule oder in einer Berufsausbildung vermittelt. Viele unserer Kunden sind Unternehmer, aber auch ganz normale Privatpersonen, die geschäftlich und beruflich sehr erfolgreich sind. Doch verfügen sie über nur sehr wenig Wissen über Geldanlagen. Und genau dabei wollen wir sie unterstützen. Grundsätzlich sind die Anleger in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern bei ihren Investments sehr vorsichtig. Und hier wollen wir sie beraten, vielleicht doch verstärkt auf Aktien zurückzugreifen. Die Deutschen investieren immer noch verhältnismäßig wenig in diese Form der Geldanlage. Im Europavergleich legen wir sehr viel Geld zurück. Statistiken zufolge liegen wir auf dem Kontinent bei der Sparquote zwar auf dem zweiten Platz – gleich nach den Niederlanden. Da sind wir sehr engagiert. Doch legen wir das Kapital nur mit sehr geringen Renditen an. Sie liegen pro Haushalt bei nur 50.000 Euro, während es in den Niederlanden 100.000 Euro beträgt. Die Belgier investieren noch weniger und verfügen sogar über ein Haushaltsvermögen von über 200.000 Euro. Wenn man die Tabellen studiert, dann wird klar, dass die Vertreter anderer europäischer Länder mit viel weniger finanziellen Mitteln wesentlich höhere Erträge erwirtschaften.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Rolle sollte aus Ihrer Sicht das Gold bei einer Anlageentscheidung spielen?

Klaus Porwoll: Ein Investor sollte überhaupt nicht in Gold investieren. Unsere Kunden, die wir beraten, haben fast alle kein Gold in ihren Portfolios. Sie greifen nur dann darauf zurück, wenn sie an den Mythos glauben, dass es eine echte Absicherung im Falle eines Weltunterganges ist. Doch lässt sich der Mythos in der Realität nicht belegen, wie ich schon gesagt habe. Wenn ein Kunde doch darauf besteht, raten wir ihm, dass er sich maximal fünf Prozent davon in sein Investment-Portfolio holt. Wer Gold als sicheren Hafen in Krisenzeiten betrachtet, könnte auf Goldbarren setzen. Bei der Investition in Barren muss man auf Goldgehalt, Gewicht und Kosten achten. Nur die Barren mit einem Feingoldgehalt von 99,99 Prozent sollte man kaufen. Andere sind schwerer zu verkaufen. Eine beliebte Alternative zu Barren sind Münzen. Sie sind schon zu deutlich geringeren Beträgen zu haben. Wichtig ist, sogenannte Anlagemünzen zu kaufen. Sie sind international anerkannt. Zu den bekanntesten Münzen zählen Krügerrand, Eagle, Maple Leaf, Britannia, Wiener Philharmoniker und Känguru.

Wenn man es hat, kann es ja auch Spaß machen, weil es auch ein gehobenes Lebensgefühl ausdrückt. Grundsätzlich empfehlen wir unseren Kunden, von allen Rohstoffen Abstand zu nehmen – nicht nur vom Gold. Die Kursanstiege, die sie derzeit bei vielen Rohstoffen beobachten, beruhen aus unserer Sicht nur auf kurzfristigen Effekten. Deshalb halten wir langfristige Investments darin für nicht richtig. Grundsätzlich ist Gold überschätzt. Wenn es jemanden ein sicheres Gefühl gibt, sagen wir, dass er es ruhig mit ins Portfolio nehmen soll. Doch sollte das Investment relativ gering bleiben. Wir haben gerade eben die Entwicklungen der Geldanlagenalternativen getestet und wieder gesehen, dass sich eine Investition in Gold nur sehr wenig lohnt. Deswegen bieten wir dies langfristig im großen Stil nicht an.

"Investmenthäuser verdienen an Transaktionen"

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Ihre Kollegen setzen aber trotzdem weiter auf Gold. Ende 2021 hat das „Handelsblatt“ davon berichtet, dass 20 Fondshäuser, Privatbanken und Family-Offices den Anteil von Gold in den Portfolios ihrer Kunden erhöhen wollen. Sie verwalten ein Gesamtvermögen von 370 Milliarden Dollar. Die Zeitung stützt sich auf eine Studie, die von der Beratungsgesellschaft Truth im Auftrag des World Gold Council herausgegeben worden ist. Die Hälfte davon will in den kommenden drei Jahren den Anteil aufstocken. Sogar zwei Drittel sagen, sie hätten ein bis 20 Prozent des Kundenvermögens in das Edelmetall investiert. Sind Sie eine Einzelstimme am Markt?

Klaus Porwoll: Der Markt ist sehr kostengetrieben. Wissenschaftliche Empfehlungen zu geben, welche Anlageentscheidung man treffen sollte, ist etwas anderes, als aktiv am Markt zu investieren. Man muss sich fragen, womit ein Investmenthaus oder ein Portfoliomanager ihr Geld machen. Sie verdienen an Transaktionen.

Ein Beispiel: Eine Kundin hatte eine relativ hohe Summe bei einer Vermögensverwaltung investiert. Der Anlageberater hatte ihr geraten, dass sie alle Investments, die sie in die Flugindustrie getätigt hatte, wieder aus ihrem Portfolio herausnimmt. Die Kundin folgte diesem Ratschlag und hat in andere Aktien investiert. Doch woran verdient nun das Investmenthaus? An den Transaktionskosten. Das bedeutet, die Rendite für den Kunden wird reduziert, damit der Berater verdient. Doch ist es für den Investor immer besser, langfristig in den gesamten Markt zu investieren, wie wir es tun. Weltweit gibt es rund 16.000 Aktien. Wir nehmen dabei Portfolios auf, die bis zu 15.500 Aktien abbilden. Natürlich kann es sein, dass man in einzelne Unternehmen aus der Flugindustrie, die durch Corona unter Druck stehen, nicht mehr investieren sollte. Allerdings kennen wir die Verlierer erst nach einer Krise. Besser ist es also im gesamten Markt investiert zu bleiben. Falls es dann ein Unternehmen nicht schaffen sollte, besteht sogar die Möglichkeit, dass die anderen Unternehmen dieser Branche von der erhöhten Nachfrage profitieren.

Das heißt also nicht, dass sämtliche Aktien der Flugindustrie damit langfristig nicht mehr attraktiv sind. Die Belastung durch die Pandemie ist ein Faktor, der relativ kurzfristig eingetreten ist, aber nichts an dem langfristigen Wachstumstrend ändert, der intakt ist.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie dürfte das Jahr 2022 verlaufen?

Klaus Porwoll: Ein wichtiger Punkt ist die Entwicklung der Inflation. Das Inflationsniveau dürfte sich aber früher oder später auf einem niedrigeren Niveau einpendeln. Die Zentralbanken machen dafür grundsätzlich eine geeignete Politik.

Derzeit ist die Preissteigerung noch auf einem verhältnismäßig hohen Niveau. Dies dürfte sie aber früher oder später wieder legen. Durch das weiterhin niedrige Zinsniveau können sich die Unternehmen gut refinanzieren, so dass die Aktienmärkte gut davon profitieren könnten. Langfristig ist diese Form der Anlage immer lukrativ.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Herr Porwoll, herzlichen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Klaus Porwoll ist seit 1994 in der Finanzbranche als Honorarberater tätig und hat sich auf die Betreuung von Firmeninhabern, Unternehmern, Geschäftsführern, Selbständigen und Freiberuflern spezialisiert. Er ist für die Finanz-Beratung "PecuniArs" aktiv.


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