Politik

Auswärtiges Amt fordert Deutsche zum Verlassen der Ukraine auf

Während die europäischen Staaten weiter auf Diplomatie setzen, treffen sie gleichzeitig Vorbereitungen für den Ernstfall. Das betrifft auch Deutsche, die sich in der Ukraine aufhalten. Der ukrainische Präsident Selenskyj sagt, Panik schüren helfe seinem Land nicht.
12.02.2022 16:39
Aktualisiert: 12.02.2022 16:39
Lesezeit: 3 min
Auswärtiges Amt fordert Deutsche zum Verlassen der Ukraine auf
11.02.2022, Rumänien, Mihail Kogalniceanu Air Base: Kampfjets der USA fliegen während des Besuchs von NATO-Generalsekretär Stoltenberg auf dem Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogalniceanu. Vor dem Hintergrund der Spannungen rund um den Ukraine-Konflikt besuchte Stoltenberg den US-Luftwaffenstützpunkt in Mihail Kogalniceanu nahe der Schwarzmeer-Stadt Constanta. (Foto: Andreea Alexandru/AP/dpa) Foto: Andreea Alexandru

Nach Warnungen der US-Regierung vor einem möglicherweise bevorstehenden russischen Angriff hat nun auch die Bundesregierung ihre Staatsbürger aufgefordert, die Ukraine zu verlassen. „Wenn Sie sich derzeit in der Ukraine aufhalten, prüfen Sie ob Ihre Anwesenheit zwingend erforderlich ist. Falls nicht, reisen Sie kurzfristig aus“, schrieb das Auswärtige Amt am Samstag in einer neuen Reisewarnung. Andere EU-Staaten wie Belgien und die Niederland veröffentlichten ähnliche Mitteilungen. Zuvor hatten bereits unter anderem die USA, Großbritannien, Dänemark, Australien, Lettland und Estland ihre Staatsbürger zur Ausreise aufgefordert.

Das Auswärtige Amt warnte: „Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine haben angesichts massiver Präsenz und Bewegungen russischer Militärverbände nahe der ukrainischen Grenzen in den letzten Tagen weiter zugenommen. Eine militärische Auseinandersetzung ist nicht auszuschließen.“

US-Außenminister Anthony Blinken hatte am Freitag gewarnt, eine russische Invasion könne jederzeit beginnen. Der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan machte deutlich, dass die USA einen russischen Einmarsch in die Ukraine noch vor dem Ende der Olympischen Winterspiele in China am 20. Februar für möglich halten. Die „New York Times“ schrieb am Samstag, die USA hätten Geheimdienstinformationen erhalten, wonach Russland den kommenden Mittwoch (16.2.) als Zieldatum für eine Militäraktion diskutiere. Es könne aber auch sein, dass dieses Datum Teil einer Desinformationskampagne Russlands sei. Einen Tag zuvor, am Dienstag, wird Bundeskanzler Olaf Scholz in Moskau zu Gesprächen über die Ukraine-Krise erwartet.

Russlands Botschaft in den USA wies die amerikanischen Warnungen vor einem Überfall auf die Ukraine als haltlos zurück. Es werde „Alarmismus“ verbreitet in den USA, ohne dass Beweise für die Behauptungen vorgelegt würden, teilte der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, am mit. Die Aussagen in Washington zeugten lediglich davon, dass die USA ihre „Propaganda-Kampagne gegen unser Land“ verstärkt hätten, sagte Antonow.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reagierte verwundert auf Berichte über eine bevorstehende russische Invasion. „Falls Sie oder jemand anderes zusätzliche Informationen über einen 100-prozentigen Einmarsch am 16. (Februar) haben, dann geben Sie uns bitte diese Information“, sagte er am Samstag Journalisten. Sein Land sei zwar auf alles vorbereitet. Doch: „Der beste Freund für die Feinde ist Panik in unserem Land“, richtete Selenskyj sich auf Englisch an westliche Journalisten. All diese Informationen würden nur Panik schüren und der Ukraine nicht helfen.

US-Präsident Joe Biden und Russlands Staatschef Wladimir Putin wollten noch am Samstag telefonieren. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron wollte mit dem Kremlchef sprechen.

Außenministerin Annalena Baerbock betonte bei einem Besuch in Ägypten: „Wir werden unsere Botschaft in Kiew offen halten.“ Das Personal werde aber reduziert. Dies betreffe auch deutsche Institutionen wie die KfW, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und deutsche Lehrer. Die Familienangehörigen des Botschaftspersonals sollen ihren Worten zufolge ebenfalls das Land verlassen. In Berlin berieten laut Baerbock am Samstag Regierungsbeamte der maßgeblichen Ressorts und der Sicherheitsbehörden über die Umsetzung dieser Beschlüsse.

„Wir arbeiten mit aller Kraft daran, auf diplomatischem Weg eine Lösung zu finden“, sagte Baerbock. Sie ergänzte: „Unsere Botschaft ist überall dieselbe: Wir sind bereit zum Dialog, aber eine erneute Aggression gegen die Ukraine hätte einen drastischen Preis. Denn wir sehen auf militärischer Ebene keine Zeichen von Deeskalation, im Gegenteil.“

Der russische Truppenaufbau gehe weiter, in Belarus führten seit Freitag bis zu 30 000 Soldaten Militärübungen durch, teils in großer Nähe zur ukrainischen Grenze. Am Mittwoch habe Russland ein weiteres Großmanöver mit Raketen und Artillerie im Schwarzen Meer angekündigt. «Wir müssen daher auf alle Szenarien vorbereitet sein», sagte Baerbock. Dazu gebe es intensive Beratungen mit Partnern und Freunden.

Die EU-Delegation in der Ukraine habe keine Evakuierung eingeleitet, sagte ein Sprecher in Brüssel auf Anfrage. Nicht dringend benötigtes Personal habe jedoch die Möglichkeit erhalten, die Arbeit online aus dem Ausland fortzusetzen.

Das deutsche Generalkonsulat in Dnipro wird nach Angaben des Auswärtigen Amtes vorübergehend nach Lwiw (Lemberg) verlegt. Damit sollen die Mitarbeiter künftig weiter entfernt von der sogenannten Kontaktlinie zwischen den ukrainischen Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten in der Ostukraine arbeiten.

Für Montag ist ein Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Ukraine geplant. Am Dienstag will Scholz erstmals als Kanzler in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammentreffen.

Bislang galt für die Ukraine eine Reisewarnung aufgrund der Corona-Pandemie sowie eine Teilreisewarnung für die von den Separatisten kontrollierten Verwaltungsbezirke Donezk und Luhansk und die Gebiete entlang der Kontaktlinie.

Nach der militärischen Evakuierung aus Afghanistan wurde in Berlin darüber diskutiert, ob das Auswärtige Amt die Botschaft in Kabul zum richtigen Zeitpunkt geräumt habe oder nicht. Wie damals in Afghanistan bemüht sich die Bundesregierung auch in der Ukraine darum, die Sicherheit der deutschen Staatsangehörigen zu gewährleisten ohne durch voreilige Maßnahmen zu einer Destabilisierung der Lage beizutragen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der deutsche Markt konzentriert sich auf neue Optionen für XRP- und DOGE-Inhaber: Erzielen Sie stabile Renditen aus Krypto-Assets durch Quid Miner!

Für deutsche Anleger mit Ripple (XRP) oder Dogecoin (DOGE) hat die jüngste Volatilität am Kryptowährungsmarkt die Herausforderungen der...

DWN
Technologie
Technologie Wäschetrockner: Neues Energie-Label einfach erklärt
06.07.2025

Seit dem 1. Juli gelten für Wäschetrockner strengere Energiekennzeichnungen. Verbraucher sollen Geräte nun besser vergleichen können....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Praktika und Probearbeiten: Rechte, Pflichten und Fallstricke für Berufseinsteiger
06.07.2025

Viele Praktikanten kennen ihre Rechte nicht – und riskieren, ausgenutzt zu werden. Was wirklich erlaubt ist, wann Praktika bezahlt werden...

DWN
Technologie
Technologie Lithium: Schlüssel zur technologischen Unabhängigkeit – doch der Rohstoff ist knapp
06.07.2025

Lithium ist der Treibstoff moderner Technologien – von E-Autos bis Energiewende. Doch was passiert, wenn die Nachfrage explodiert und das...

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI-Schäden: Wenn der Algorithmus Schaden anrichtet – wer zahlt dann?
05.07.2025

Künstliche Intelligenz entscheidet längst über Kreditvergaben, Bewerbungen oder Investitionen. Doch was passiert, wenn dabei Schäden...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Made in Germany: Duale Berufsausbildung - das deutsche Erfolgsmodell der Zukunft
05.07.2025

Die duale Berufsausbildung in Deutschland gilt als Erfolgsmodell: Dieses System ermöglicht jungen Menschen einen direkten Einstieg ins...

DWN
Panorama
Panorama Was Autofahrer über Lastwagen wissen sollten – und selten wissen
05.07.2025

Viele Autofahrer kennen das Gefühl: Lkw auf der Autobahn nerven, blockieren oder bremsen aus. Doch wie sieht die Verkehrswelt eigentlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung 2024: Mit diesen 8 Steuertipps können Sie richtig viel Geld rausholen
05.07.2025

Viele Menschen drücken sich vor der Steuererklärung, weil diese manchmal etwas kompliziert ist. Doch es kann sich lohnen, die...