Finanzen

Degussa-Marktbericht: Die Russland-Sanktionen des Westens und die langfristigen Interessen Chinas

Lesezeit: 10 min
22.03.2022 12:15  Aktualisiert: 22.03.2022 12:15
Der Westen erblickt in sehr harten Sanktionen das Instrument, um Russland für den militärischen Angriff auf die Ukraine zu bestrafen und zur Umkehr zu bewegen oder gar einen „Regime Change“ herbeizuführen. So sehr man auch hoffen mag, dass dadurch Frieden geschaffen wird: Die ungewollten Nebenwirkungen könnten noch sehr schmerzhaft werden, vor allem auch weil China nicht mitzieht.
Degussa-Marktbericht: Die Russland-Sanktionen des Westens und die langfristigen Interessen Chinas
Goldbarren liegen am 10.11.2016 bei der Degussa in Frankfurt am Main (Hessen). (Foto: dpa)

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Die Degussa Goldhandel GmbH hat im Zusammenhang mit den westlichen Sanktionen einen umfassenden Marktbericht veröffentlicht. Die wichtigsten Abschnitten werden unkommentiert wiedergegeben:

Als Reaktion auf die militärische Invasion Russlands in die Ukraine haben die Staaten des Westens beispiellos harte Sanktionen auf den Weg gebracht. Dazu zählen zum Beispiel der Ausschluss von russischen Banken vom internationalen Zahlungssystem SWIFT, das Einfrieren der russischen Währungsreserven im Ausland, Verbote für russische Emittenten, Kapital im Ausland aufzunehmen, Ausfuhrverbote für Güter, die westliche Firmen nach Russland liefern, Sperrung des Lufttraums für russische Flugzeuge. Zudem wurden gezielt Personen auf die Sanktionsliste der USA, EU und Großbritannien gesetzt: Präsident Vladimir Putin, Außenminister Sergej Lavrov, weitere russische Minister sowie auch eine große Zahl von Oligarchen und Vorstände russischer Banken und Unternehmen.

Ausländische Investoren hielten Ende 2021 russische Wertpapiere von knapp 150 Mrd. US-Dollar: In US-Dollar denominierte Schulden in Höhe von 20 Mrd. USD und 41 Mrd. US-Dollar in Rubel-denominierten Kreditpapieren. Hinzu kommen russische Aktien in Höhe von etwa 86 Mrd. US-Dollar. Der Handel für russische Wertpapiere wurde eingestellt – beispielsweise setzte die Deutsche Börse AG den Handel für 16 russische Firmen aus (darunter Aeroflot, Rosneft, Sberbank, VTB und VEB Finance). Die NASDAQ und die New York Stock Exchange haben ebenfalls den Handel für Wertpapiere aus Russland beendet. Investoren der von den Sanktionen betroffenen Wertpapieren können diese nun im regulären Börsenhandel nicht mehr verkaufen.

Euroclear und Clearstream, die beiden in Belgien operierenden Verwahr- und Zahlungsabwicklungs-Giganten, haben erklärt, dass sie ab dem 3. März 2022 keine Rubel-Transaktionen, die außerhalb Russlands getätigt werden, mehr durchführen werden. Zudem hat der Index-Anbieter MSCI am 28. Februar 2022 verkündet, russische Wertpapiere könnten aus den von ihm veröffentlichten Kapitalmarktindizes herausgenommen werden, da die russischen Wertpapiere aufgrund der Sanktionen nicht mehr handelbar und damit de facto für Investoren „uninvestierbar“ geworden sind. Das für sich genommen, erwirkt in der Praxis ein de facto Ende für den Zufluss von Auslandskapital nach Russland. Es ist damit zu rechnen, dass Russland angesichts der Sanktionen den Schuldendienst auf seine in Auslandswährung denominierten Schulden aussetzt. Allein schon deshalb, weil schätzungsweise die Hälfte der russischen Währungsreserven in Währungsräumen gehalten wird, die sich den Russlandsanktionen angeschlossen haben, und daher den russischen Schuldnern nicht verfügbar sind; und das Zurückhalten von Auslandswährungen wird unter den gegenwärtigen Umständen für Russland vermutlich wichtiger sein als die Begleichung des Schuldendienstes. Die Rating-Firma Standard & Poor‘s hat russische Schulden in Fremdwährung von bisher ‚BB+‘ auf ‚BBB-‘ heruntergestuft – und ihnen damit „Junk“-Status verliehen. Moody’s Investor Service hat angedeutet, in gleicher Weise zu reagieren. Hinzu kommen viele weitere Maßnahmen, die sich gegen Russland und seine Bevölkerung richten: So hat Boeing verkündet, keine russischen Flugzeuge mehr zu warten; große Ölgesellschaften wie MobilExxon, Shell und BP ziehen sich aus dem russischen Markt zurück; Redereien (HapagLloyd, Mersk) laufen keine russischen Häfen mehr an; Läden und Barbesitzer entfernen russischen Wodka aus ihrem Angebot; die FIFA will Russland von der Fußball-WM suspendieren; in Westeuropa wird dem russischen Dirigenten Valery Gergiev die Zusammenarbeit aufgekündigt, er verliert seine Stelle als Chef der Münchener Philharmoniker; die Opernsängerin Anna Netrebko sieht sich gezwungen, ihre Konzerte abzusagen; Diplomaten verlassen den Raum, als der russische Außenminister Lavrov vor dem UN-Menschenrechtsrat spricht. Die Sanktionen bergen also auch Elemente der Ächtung.

(...)

Kollateralschäden

Ein Anhalten der Kriegshandlungen in der Ukraine, verbunden mit einem Fortdauern der Sanktionen gegen Russland hätte weitreichende Folgen, nicht für die Menschen in der Ukraine und Russland, sondern auch für die Menschen in Europa und in weiten Teile der Welt. Russland, ein Land mit einer geschätzten Gesamtbevölkerung von 144 Millionen Menschen, aus der internationalen Arbeitsteilung zu verbannen, wird ganz sicher gewaltige Konsequenzen haben. Nachstehend sind einige dieser möglichen Folgen kurz skizziert.

 Die Ukraine ist, zusammen mit Russland, gesehen einer der Hauptproduzenten und –exporteur für Nahrungsmittel weltweit. Vor allem Entwicklungsländer und Länder der Dritten Welt hängen stark von Nahrungsmittelimporten aus Russland ab (siehe nachstehende Abbildung). Fortgesetzte Kriegshandlungen in der Ukraine und Russland drohen, den Ernteausstoß und das Marktangebot (durch Arbeitskraftausfall, Maschinen- und Transportknappheit etc.) zu verringern. Angebotsverknappung und steigende Nahrungsmittelpreise wären weltweit zu spüren: Nahrungsmittel verteuern sich. Besonders hart wären die Menschen in den ärmeren Regionen der Welt getroffen. Verteuerung und Verknappung von Nahrungsmitteln führen bekanntlich zu sozialen und politischen Unruhen, lösen Flüchtlingsbewegungen aus. Russland ist zudem ein bedeutender Lieferant für viele (Industrie-)Rohstoffe auf den Weltmärkten. Dazu zählen nicht nur Öl und Gas, sondern auch Eisen und Stahl, Edelmetalle (Gold, Palladium), Holz, Aluminium(-produkte) und vor allem auch Düngemittel (Stickstoff, Phosphor und Kali). Russland, das 2/3 des weltweiten Düngemittels Ammoniumnitrat (ein Salz, das sich aus Ammoniak und Salpetersäure bildet) produziert, und das vorwiegend von Ländern auf der nördlichen Erdhalbkugel importiert wird, hat mittlerweile ein Exportverbot für Ammoniumnitrat von Februar bis Anfang April 2022 verhängt. Ist dieses Düngemittel nicht verfügbar, ist mit einem empfindlichen Rückgang des Ernteertrages und einer Verschärfung der Nahrungsmittelverteuerung zu rechnen.

Die „Grüne Politik“ sorgt in der westlichen Welt schon jetzt für eine drastische Verteuerung der Energie. Sollte Russland seine Öl- und Gaslieferungen nach Europa drosseln oder gar einstellen, könnte daraus ein überaus schwerer Energiepreisschock erwachsen, der auch die Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleisten würde und die Volkswirtschaften in eine mitunter schwere Rezession schicken könnte. So mancher Betrieb würde aufgrund steigender Produktionskosten unrentabel und aus dem Markt gedrängt. Steigenden Energiepreise würden zu dem früher oder später nahezu alle Güterpreise in die Höhe befördern. Das wiederum würde die Kaufkraft des Geldes und damit die realen Einkommen der Menschen, ihren materiellen Wohlstand zusätzlich herabsetzen.

Die wirtschaftlichen Erschütterungen des Ukraine-Russland-Krieges haben zudem das Potenzial, das ungedeckte Geldsystem ins Wanken zu bringen, seine Schwach- und Bruchstellen, die bisher immer wieder übertüncht und notdürftig geflickt wurden, schonungslos zum Vorschein bringen. So könnte durch einen Energiepreisschock eine Rezession bei gleichzeitig steigender Inflation eintreten. Um die drohende Arbeitslosigkeit und Kreditausfälle auf breiter Front zu verhindern und vor allem die Staaten liquide zu halten, würde die Europäische Zentralbank (EZB) vermutlich die Zinsen weiter auf extrem niedrigen Niveau halten und die Geldmenge noch stärker als bislang ausweiten. Die steigende Geldmenge wiederum treibt die Inflation noch stärker in die Höhe. Eine Situation entsteht, in der der Kaufkraftruin des Euro nur noch verhindert werden kann, wenn die Leitzinsen stark angezogen werden, die Realzinsen (das heißt Nominalzinsen abzüglich der Inflation) wieder merklich über die Nulllinie gehoben werden und das Geldmengenwachstum abgebremst wird. Doch genau das ist für das ungedeckte Geldsystem eine geradezu toxische Mischung. Sie stellt die Zentralbank vor die Entscheidung, entweder sofort Rezession und Arbeitslosigkeit als Folge der Inflationsbeendigung hinzunehmen oder zumindest für eine gewisse Zeit Rezession und Arbeitslosigkeit durch fortgesetzte Inflation abzumildern. In solch einer Entscheidungssituation wird die Zentralbank sehr wahrscheinlich den Weg der Inflation beschreiten: In der Stunde der Not erscheint die Inflationspolitik für Regierende und auch Regierte als die Politik des vergleichbar kleinsten Übels. Zumindest ist es das, was sich aus der unerfreulichen Geschichte des ungedeckten Geldes ableiten lässt.

China

Besonders auffällig ist in dieser Krisensituation, dass Chinas Einwürfe zum Ukraine-Russland-Konflikt im Westen nur auf relativ wenig Aufmerksamkeit stoßen. Am 28. Februar 2022 ließ der chinesische Außenminister Wang Yi verlauten (wie China Daily berichtete), dass China Sanktionen zur Lösung von Konflikten missbillige, wenn diese nicht durch internationales Recht begründet seien. Die Erfahrung zeige, so Wang Yi, dass Sanktionen keine Probleme lösen, sondern dass sie neue schaffen würden. Am vergangenen Freitag, den 25. Februar 2022, hatte sich China, zusammen mit Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE), bei einer gegen den Einmarsch Russlands gerichteten Resolution im UN-Sicherheitsrat der Stimme enthalten. Diplomaten haben das als Erfolg gewertet, Russland zu isolieren, einen Keil zwischen Russland und China zu treiben. Doch ist das eine treffende Interpretation?

Chinas Außenminister Wan Yi scheint eine Schlichterrolle seines Landes vorsehen zu wollen: Was die Frage der europäischen Sicherheit anbelangt, so sollten ihm zufolge die legitimen Besorgnisse aller Länder berücksichtigt werden, und er fügte hinzu, dass nach fünf Erweiterungsrunden der Nato nach Osten Russlands legitime Sicherheitsinteressen angemessen berücksichtigt werden sollten. China unterstützt, so Wan Yi, dass die NATO, die EU und Russland den Dialog wiederaufnehmen und versuchen, eine balancierte, effektive und tragfähige Sicherheitsarchitektur in Europa zu bauen, um dauerhaft Frieden und Stabilität auf dem Kontinent zu erreichen.

Selbstverständlich hat China, hat seine kommunistische Parteiführung dabei auch eigene und selbstbezogene geopolitische Interessen. Doch diese Tatsache sollte die Menschen im Westen nicht kurzsichtig übersehen zu lassen, dass Russland in China einen mächtigen Verbündeten findet – weil Russland mit einem gewaltigen Angebot an natürlichen Ressourcen Chinas wirtschaftlichen und militärisch-politischen Aufstieg befördern kann. China wird seine Unterstützung für Putins Russland daher nicht aufgeben wollen – schon einfach deshalb nicht, weil sich bei einem „Regime Change“ sonst der Westen Russlands Ressourcenreichtum unter den Nagel reißen könnte – zum Nachteil Chinas. Nein, China wird kein Interesse daran haben, dass die Putin-Regierung stürzt – und das scheint man mit den Sanktionen, gerade mit ihrer Ausrichtung auf die Oligarchen, vermutlich durchaus zu beabsichtigen. Eine liberale Demokratie in Russland, die sich dem Westen zuwendet, wird China wohl kaum befürworten. China wird daher sehr wahrscheinlich Russland helfen, den Sanktionen zumindest teilweise zu entgehen. Etwa durch fortgesetzte und erhöhte Abnahme von Öl und Gas und anderen Rohstoffen. Die Kooperationspläne der beiden Staaten sind langfristig ausgerichtet: Russland und China sind zum Beispiel dabei, einen Vertrag über den Bau der gewaltigen Gaspipeline „Soyuz Vostok“ zu beschließen, die über die Mongolei pro Jahr 50 Milliarden Kubikmeter Gas nach China transportieren soll. Sicherlich lassen sich weitere Szenarien durchdenken, welchen Verlauf der Ukraine-Krieg noch nehmen kann. An dieser Stelle sei der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass der Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich sein Ende findet, dass er nicht weiter eskaliert; dass die Kräfte, die den Frieden wollen, nicht von denjenigen Kräften, die andere Interessen verfolgen, die den Krieg für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren wollen, übertrumpft werden.

Abrutschen in ein Inflations-Regime

Sparer und Investoren sind gut beraten, wenn sie das Inflationsproblem sehr ernst nehmen, es als eine der zentralen Herausforderungen für die Kapitalanlage in den kommenden Jahren identifizieren.

Warum soll die Inflation der Güterpreise eigentlich niedrig sein? Kann eine Volkswirtschaft nicht eben so gut mit einer Rate von 5 Prozent pro Jahr zurechtkommen anstatt mit 2 Prozent pro Jahr? Um die Kosten der Inflation und ihre Problematik zu verstehen, muss man zwischen „korrekt“ und „falsch“ erwarteter Inflation unterscheiden. Wenn die Menschen die Inflation korrekt erwartet haben – sie haben mit X Prozent in einem Jahr gerechnet, und es hat sich auch eine Inflation von X Prozent eingestellt – , dann ist die Inflation dennoch mit Kosten verbunden, und diese Kosten nehmen mit steigender Inflation zu. So verursacht das Halten von Kasse den Menschen Opportunitätskosten – weil sich die Kaufkraft des Geldes im Zeitablauf entwertet und man anstelle von Geld besser andere Güter nachgefragt hätte. Den Unternehmen entstehen „Menükosten“: Sie müssen ihre Preislisten häufiger neuberechnen und anpassen. Für Konsumenten und Firmen wird es (zeit-)aufwendiger, Preisvergleiche anzustellen. Wenn die progressive Einkommensteuer nicht angepasst wird, dann stellt sich eine „kalte Progression“ ein: Wenn die Nominallöhne an die Inflation angepasst werden, geraten die Arbeitnehmer unter einen höheren Grenzsteuersatz. Obwohl also ihre realen Löhne nicht zugenommen haben, müssen sie mehr Steuern zahlen. Das ist jedoch noch nicht alles. Inflation ist im Kern eine Steuer, die dann besonders wirksam greift, wenn sie unerwartet daherkommt, wenn sie von den Menschen nicht korrekt erwartet wird, wenn sie überraschend über die Menschen hereinbricht. Dann nämlich stellen sich zusätzliche Kosten ein. Nehmen wir an, die Marktakteure rechnen mit einer Inflation von, sagen wir, 2 Prozent pro Jahr, die tatsächliche Inflation beträgt aber 5 Prozent. In einem solchen Fall sind diejenigen, die ihr Geld in Form von Bargeld, Sicht-, Termin- und Sparguthaben halten, die Geprellten. Auch die Gläubiger verlieren auf Kosten der Schuldner. Vermieter, die mit ihren Mietern langfristige Mietverträge abgeschlossen haben, verbuchen ebenfalls Verluste. Und solange die Lohnanpassung der unerwarteten Inflation zeitlich hinterherhinkt, erleiden Arbeitnehmer reale Lohneinbußen. Je höher die Überraschungsinflation ausfällt – je größer also der Unterschied zwischen tatsächlicher Inflation und der ursprünglich erwarteten Inflation ist –, desto größer ist auch der Schaden für alle, die die Inflation nicht korrekt antizipiert haben. Und das ist in der Regel die breite Bevölkerung, insbesondere die unteren und mittleren Einkommensverdiener, die den Schäden der Überraschungsinflation meist nicht entkommen können. Man sollte übrigens nicht meinen, wer Aktien oder Häuser besitzt, könne der Inflation per se ein Schnippchen schlagen. Weit gefehlt. Die Gewinne vieler Unternehmen leiden unter Inflation, weil die Firmen nicht in der Lage sind, erhöhte Produktionskosten auf die Absatzpreise abzuwälzen, oder weil die Inflation, die die Kaufkraft der Kunden schmälert, die Nachfrage nach den angebotenen Produkten verringert. Die Folge: Inflation geht mit einem Rückgang des Aktienkurses von so mancher Firma einher. Oder Immobilienbesitzer: Der Marktpreis ihres Hauses mag in Inflationszeiten steigen. Aber was hilft das, wenn man die Immobilie bewohnt oder sie mit einem langfristigen Vertrag vermietet hat, und plötzlich die Kosten für Instandhaltung und Erneuerung etc. in die Höhe schießen? Die Inflation begünstigt den Hausbesitzer nicht, sie schadet ihm.

Wer profitiert von der Inflation? Die Antwort lautet: der Staat. Dazu muss man wissen, dass, erstens, die Inflation – also das fortgesetzte Ansteigen der Güterpreise auf breiter Front – letztlich immer ein monetäres Phänomen ist. Und dass, zweitens, überall auf der Welt die Staaten das Geldproduktionsmonopol an sich gerissen und das Warengeld, das gedeckte Geld, durch ihr eigenes ungedecktes Geld ersetzt haben. Solange der Staat es mit der inflationären Geldmengenvermehrung nicht übertreibt, kann er seine Untertanen quasi klammheimlich ausplündern – mittels einer Inflation, die von seinen Untertanen korrekt erwartet wird, aber insbesondere natürlich mit einer Inflation, die für die Menschen überraschend daherkommt. Wenn die Inflation allerdings zu hoch ausfällt, dann werden die Menschen aufwachen und den Schwindel bemerken. Will der Staat sich dann weiterhin mittels Inflation bereichern, muss die Zentralbank zu immer höherer Inflation greifen. Das ist der Weg, der geradewegs in die Hoch- oder gar Hyperinflation führt. Die Inflation, die sich in der westlichen Welt nun unübersehbar ihr hässliches Haupt erhebt, ist das Ergebnis des mittlerweile an seine Grenze stoßenden staatlichen Schuldgeldsystems. Die Kreditpyramide, die die Zentralbanken mit ihrem ungedeckten Geld in den letzten Dekaden aufgetürmt haben, lässt sich nur noch vor dem Kollaps bewahren, indem die Geldpolitiker die Zinsen de facto auf die Nulllinie gesetzt beziehungsweise die Realzinsen (das heißt Nominalzinsen abzüglich Inflation) unter die Nulllinie drücken und strauchelnde Schuldner mit neuem, aus dem Nichts geschaffenem Geld über Wasser halten. Es sicherlich nicht übertrieben zu sagen, dass ein inflationäres „Weiter so“ aus Sicht der Regierenden wie auch der Regierten längst als vergleichsweise vorteilhafter angesehen wird als das Beenden der Inflationspolitik und die damit verbundene Anpassungsrezession. „Wer mit Inflation flirtet, wird von ihr geheiratet“. Dieses Zitat wird dem ehemaligen Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Otmar Emminger (1911–1986), zu geschrieben. In der Tat: Wenn die Menschen der Auffassung unterliegen, mit Inflation ließen sich aufgelaufene wirtschaftliche und gesellschaftliche Fehlentwicklungen dauerhaft ausblenden oder sogar ungeschehen machen, dann werden sie wohl erst die hohen Kosten der Inflation am eigenen Leib erfahren müssen, damit ein Umdenken, eine Abkehr von der Inflationspolitik einsetzen kann. Die Wahrscheinlichkeit ist so gesehen sehr groß, dass die westliche Welt weiter in ein Inflationsregime abrutscht, in dem Raten von 4 bis 6 Prozent oder mehr wahrscheinlicher sein werden als 2 Prozent. Sparer und Investoren sind daher gut beraten, wenn sie das Inflationsproblem sehr ernst nehmen, es als eine der zentralen Herausforderungen für die Kapitalanlage in den kommenden Jahren identifizieren.


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