Politik

Linke und AfD warnen vor Atomkrieg – FDP verweist auf mögliche Kriegsverbrechen Russlands

Lesezeit: 2 min
28.04.2022 12:37  Aktualisiert: 28.04.2022 12:37
Beide Parteien lehnten in der heutigen Bundestagsdebatte Waffenlieferungen in die Ukraine vor dem Hintergrund dieser Drohkulisse ab.
Linke und AfD warnen vor Atomkrieg – FDP verweist auf mögliche Kriegsverbrechen Russlands
Auch Linken-Politiker Klaus Ernst lehnt Waffenlieferungen in die Ukraine ab und warnt vor einem Atomkrieg. Gleichsam kritisiert er die Debatte um die Reise von Kanzler Scholz nach Japan in Anbetracht der anstehenden Entscheidung als unangemessen. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Als einzige Parteien im Bundestag stemmen sich die Linke und die AfD gegen die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine. So erinnerte der linke Fraktionschef Dietmar Bartsch am Donnerstag im Bundestag während der Debatte zur Abstimmung über die Waffenlieferungen an die Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), es dürfe keinen Atomkrieg geben. "Unter anderem mit der Angst vor einem Atomkrieg hat der Bundeskanzler die Lieferung schwerer Waffen ausgeschlossen, und zwar zu Recht", sagte Bartsch. Dies erwarteten die Menschen von der Bundesregierung. "Das muss das oberste Ziel sein in dieser dramatischen Entwicklung."

Doch jeden Tag gebe es bei Scholz und der Ampel eine Kehrtwende. "Es gibt einen fatalen Wettlauf: höher, schneller, weiter", betonte Bartsch. Er bezweifelte, dass mit der Lieferung schwerer Waffen der Krieg beendet werden könne. Viel zu wenig werde über diplomatische Bemühungen geredet. Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und Deeskalation seien zwei Seiten derselben Medaille. Die Argumentation der AfD geht inhaltlich in eine ähnliche Richtung.

So glaubt die AfD mehrheitlich, dass weitere Waffenlieferungen an die von Russland angegriffene Ukraine Deutschland in den Krieg hineinziehen könnten. "Heute bringen die Koalition und die Unionsfraktion einen gemeinsamen Antrag ein, der den Ukraine-Krieg verlängern wird und uns zur Kriegspartei in einem atomar geführten Krieg machen könnte", mahnte ihr Fraktionsvorsitzender Tino Chrupalla. Der Antrag lese sich wie "die Beitrittsbekundung zu einem Krieg", kritisierte er.

Es sei falsch, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der stets betont habe, dass Waffen keine Lösung seien, in einer solchen Situation nach Japan reise, sagte Chrupalla. Es sei "unentschuldbar", dass Scholz in dieser wichtigen Stunde nicht im Bundestag anwesend sei. Der AfD-Fraktionschef sagte, die Ukraine sei ebenso ein souveräner Staat wie Russland. "Es liegt im deutschen Interesse, auch zukünftig zu beiden Staaten ein gutes Verhältnis zu unterhalten, politisch, wirtschaftlich und kulturell."

FDP-Fraktionschef Christian Dürr begründete die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine wiederum mit der Art der russischen Kriegsführung in dem Land. "Es ist richtig, schwere Waffen in diese Lieferungen mit einzubeziehen. Russland hat die Ukraine überfallen mit einem Vielfachen an Militärgerät. Fünfmal so viele Panzer, dreimal so viele aktive Soldaten. Die Ukraine befindet sich in einem Krieg auf offenem Boden", sagte Dürr.

Es sei bereits zu sehen gewesen, was das bedeute. "Butscha ist kein Einzelfall. Jeder russische Vorstoß bedeutet, dass sich diese Verbrechen wiederholen", betonte Dürr. In der Ortschaft nördlich von Kiew gehen Ermittler nach dem Abzug russischer Soldaten konkreten Hinweisen auf Kriegsverbrechen und die gezielte Tötung von Zivilisten nach. Während die Union im Gegensatz zur AfD und den Linken mit den Ampelkoalitionären in der Sache einverstanden ist, gibt es dennoch streit zwischen den Regierungsfraktionen und den Christdemokraten.

So warf Unionsfraktionschef Friedrich Merz Olaf Scholz (SPD) vor, über Wochen die Frage offen gelassen zu haben, ob die Ukraine denn nun Waffen erhalten solle. "Das ist Zögern, das ist Zaudern und das ist Ängstlichkeit." Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hielt dem CDU-Vorsitzenden daraufhin "parteipolitische Profilierung" vor. Die Union kritisierte auch, dass Scholz gerade jetzt nach Japan gereist sei.

Es ist nicht das erste Mal, dass führende AfD- und Linken-Politiker sich zu entscheidenden tagespolitischen Fragen ähnlich positionieren. Bereits während der Impfpflichtdebatte gab es teils Überschneidungen zwischen den beiden Parteien. Seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine werfen Kritiker sowohl der AfD als auch der Linken Distanzlosigkeit gegenüber Russland vor. Die von beiden häufig vorgetragene Möglichkeit eines Atomkriegs wird von nicht wenigen Stimmen als Stärkung einer russischen Erpressungstaktik kritisiert.

Während hochrangigen AfD-Politikern vor allem Besuche in Russland vorgehalten werden, gilt die Linke, nicht zuletzt auch aufgrund ihrer historischen Wurzeln sowohl in der SED als auch in der westdeutschen Studentenbewegung, als traditionell NATO-kritisch und russlandfreundlich. Doch in beiden Parteien führt die russische Invasion der Ukraine zu heftigen internen Debatten, in denen das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen sein dürfte – insbesondere in Anbetracht immer neuer Berichte über russische Verbrechen an der ukrainischen Zivilbevölkerung.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
04.05.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Immobilien
Immobilien Streikwelle auf Baustellen droht: Gewerkschaft kündigt Massenstreiks an
04.05.2024

Die Bauindustrie steht vor Massenstreiks: Gewerkschaft kündigt flächendeckende Arbeitsniederlegungen mit rund 930.000 Beschäftigten an.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Einfluss in Südostasien: Herausforderung für deutsche Firmen
04.05.2024

Deutsche Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zum chinesischen Markt und richten ihr Augenmerk auf die aufstrebenden...

DWN
Technologie
Technologie CO2-Speicherung: Vom Nischenthema zum Wachstumsmarkt
04.05.2024

Anreize durch die Politik, eine neue Infrastruktur und sinkende Kosten: CO2-Speicherung entwickelt sich zusehends vom regionalen...

DWN
Politik
Politik Wahljahr-Turbulenzen: Biden im Kreuzfeuer der Gaza-Proteste
04.05.2024

Seit Monaten sind bei fast jedem öffentlichen Auftritt von Präsident Joe Biden propalästinensische Demonstrationen zu sehen, die sich im...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...

DWN
Technologie
Technologie Deutsches Start-up startet erfolgreich Rakete
04.05.2024

Ein deutsches Start-up hat eine Rakete von zwölf Metern Länge entwickelt, die kürzlich in Australien getestet wurde. Seit Jahrzehnten...