Wirtschaft

Verbrenner-Verbot? Heftiger Streit in der Regierung kurz vor entscheidender Abstimmung

Über das von der EU-Kommission geforderte Aus für Verbrennungsmotoren wird in der Regierung kurz vor der entscheidenden Abstimmung heftig gestritten.
28.06.2022 10:00
Aktualisiert: 28.06.2022 10:34
Lesezeit: 3 min

+++UPDATE+++

Die Bundesregierung hat sich während der Verhandlungen auf EU-Ebene auf eine gemeinsame Position zum möglichen Aus für neue Verbrenner-Autos ab 2035 geeinigt. Wie ein Regierungssprecher am Dienstag mitteilte, unterstützt die Bundesregierung einen sich abzeichnenden Vorschlag des Rates zu den Flottengrenzwerten als «Beitrag auf dem Weg zu einer klimaneutralen Mobilität».

Die Bundesregierung begrüße, dass die EU-Kommission zugesagt habe, außerhalb des Systems der Flottengrenzwerte einen Vorschlag zu unterbreiten, wie nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden könnten, die dann «exklusiv» mit klimaneutralen Kraftstoffen (E-Fuels) betrieben werden. Das beziehe sich nach dem gemeinsamen Verständnis der Bundesregierung auch auf Pkw und leichte Nutzfahrzeuge.

In den Verhandlungen der vergangenen Tage habe erreicht werden können, dass dieses Anliegen des Koalitionsvertrages im Beschlusstext verankert werde, so der Regierungssprecher: «Unter dieser Voraussetzung würde die Bundesregierung dem Vorschlag zustimmen.»

In FDP-Kreisen hieß es, diese Position sei mit der FDP geeint.

+++UPDATE ENDE+++

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat die jüngsten Aussagen von Umweltministerin Steffi Lemke zum EU-weiten Aus für Verbrennermotoren zurückgewiesen. "Die heutigen Äußerungen der Umweltministerin sind überraschend, denn sie entsprechen nicht den aktuellen Verabredungen", sagte der FDP-Vorsitzende am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. "Verbrennungsmotoren mit CO2-freien Kraftstoffen sollen als Technologie auch nach 2035 in allen Fahrzeugen möglich sein."

Daran sei die Zustimmung zu Flottengrenzwerten gebunden. "Die von der FDP geführten Ministerien haben deshalb einem Abstimmungsverhalten der Bundesregierung noch nicht zugestimmt", erklärte Lindner.

Er reagierte damit auf Äußerungen der Grünen-Politikerin im ZDF-"Morgenmagazin". Lemke hatte dort gesagt: "Wenn das Paket beinhaltet, was wir wollen, keine Autos, die CO2 ausstoßen nach 2035, dann werden wir zustimmen." Es gehe darum, den Umstieg auf die Elektromobilität voranzutreiben. Darüber hinaus müsse deutlich gemacht werden, dass außerhalb des Pkw-Bereichs auch andere Kraftstoffe eingesetzt werden könnten.

Das EU-Parlament hat sich bereits für ein Verbot neuer Verbrenner ab 2035 ausgesprochen. Sollten sich die Mitgliedstaaten dieser Haltung anschließen, wäre der Weg für das Vorhaben frei.

Lange Verhandlungen erwartet

Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke erwarten lange Verhandlungen im Streit über ein mögliches Verkaufsverbot für neue Verbrennerautos. "Wir richten uns auf einen langen Tag oder sogar eine kurze Nacht ein", sagte die Grünen-Politikerin Lemke am Dienstagmorgen vor einem Treffen mit ihren EU-Kollegen in Luxemburg. Sie erwarte schwierige Gespräche.

Auf die Frage, ob sich die deutsche Regierungskoalition beim Verbrenner-Aus auf eine gemeinsame Position festgelegt habe, nickten Habeck und Lemke. "Also, es ist ein Tag, wo wir gut vorbereitet reingehen, als deutsche Bundesregierung abgestimmt, vorbereitet, reingehen, aber natürlich auch wissen, dass wir in Europa eine maßgebliche Rolle zu spielen haben, dass es am Ende ein erfolgreicher Tag wird", sagte Habeck.

Lemke sagte: "Wir vertreten die gemeinsame Linie der Regierung, die auf der einen Seite eine starke CO2-Reduktion für den Verkehrsbereich unterstützen möchte und auf der anderen Seite Technologieoffenheit gewährleisten will."

FDP fordert Anerkennung von synthetischen Kraftstoffen

FDP-Fraktionschef Christian Dürr hat die Position der Liberalen im Streit über ein mögliches Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 bekräftigt. Dürr sagte am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur vor der Abstimmung auf EU-Ebene: «Die Verabredung in der Koalition ist glasklar: Es geht um alle Fahrzeuge und damit ausdrücklich auch um Pkw.» Die Bundesregierung habe sich in Brüssel für eine Regelung eingesetzt, die eine zweite Säule der Regulierung ermögliche, damit nach 2035 auch Autos zugelassen werden dürften, die mit E-Fuels betrieben werden könnten. E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die mit Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt werden.

Dürr sagte: «Wir setzen uns aus zwei Gründen dafür ein: Zum Einen, weil wir ohne E-Fuels unsere Klimaziele im Verkehr verfehlen werden. Und zum anderen, weil wir verhindern wollen, dass Millionen Arbeitsplätze in dieser für Deutschland und Europa so wichtigen Industrie verloren gehen.» Die Ampel-Koalition stehe für Klimaschutz mit Vernunft und Augenmaß, bei dem der Staat die Ziele vorgebe, aber Wettbewerb und Unternehmertum über die Technologie entschieden.

CSU: Verbot muss verschoben werden

Die CSU fordert vom Bund eine deutlich längere Zulassungsfrist. "Das Aus für den Verbrenner muss auf 2040 verschoben werden und auf fossile Brennstoffe begrenzt sein. Synthetische Kraftstoffe sind klimaneutral", sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in München. Europa dürfe wegen ideologischer Scheuklappen nicht von der Entwicklung und Nutzung abgeschnitten werden. "Wir dürfen diesen Fortschritt und die Wertschöpfung nicht alleine anderen Welt-Regionen überlassen."

"Aus den vielen kleinen Rissen in der Ampel wird in der Verbrenner-Frage ein nicht zu übersehender Spalt: Dass die Umweltministerin auf EU-Ebene dem Verbot zustimmen will, obwohl die FDP sich klar dagegen positioniert hat, ist faktisch ein Koalitionsbruch", betonte Huber.

Im Jahr 2020 hatte CSU-Parteichef Markus Söder sich mit Bezug auf die Ausstiegspläne im US-Bundesstaat Kalifornien noch selbst für ein Zulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035 ausgesprochen. Allerdings sprach Söder damals nur davon, "fossile Verbrenner mit fossilen Kraftstoffen" nicht mehr zulassen zu wollen.

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