Technologie

Roboterhunde könnten „in naher Zukunft schon eine Rolle auf dem Gefechtsfeld spielen“

Ein chinesischer Roboterhund mit Raketenwerfer-Aufsatz auf einer russischen Militär-Messe sorgte zuletzt für Entsetzen und Spott. Experten betonen gegenüber den "Deutschen Wirtschaftsnachrichten" jedoch, dass die vierbeinigen Netzlieblinge reale militärische Chancen und Gefahren auf den Plan rufen.
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28.08.2022 09:00
Lesezeit: 2 min
Roboterhunde könnten „in naher Zukunft schon eine Rolle auf dem Gefechtsfeld spielen“
Der vierbeiniger Roboter "Spot" von Boston Dynamcis. Auf einer russischen Messe wurde nun ein chinesischer Roboter-Hund ausgestellt. (Foto: dpa) Foto: Defense Media Activity / Cpl. Er

Auf der Website der russischen Wehrtechnik-Messe "Army-2022" präsentiert diese sich mit grellen, schnell aufeinanderfolgenden Bildern und Videos als patriotisches Show-Event der Superlative, als eine Mischung aus Musik-Festival, Sport-Event und betont internationaler Militär-Messe – in Zeiten des russischen Krieges gegen die Ukraine eine besonders bizarr anmutende PR-Aktion. Und doch war es nicht russische, sondern chinesische Technologie, die während der Messe für Schlagzeilen sorgte. So machte auf Twitter schnell ein Videoclip die Runde, auf dem ein "Roboterhund" (der wohl berühmteste seiner Gattung ist Boston-Dynamics-Roboter "Spot") zu sehen war, der nicht nur – ganz in Schwarz gekleidet – an einen Ninja erinnerte, sondern auch einen RPG-26-Raketenwerfer auf seinem Rücken trug.

Militärische Nutzung von Roboterhunden: Der Geist ist aus der Flasche

Weil Twitter-Nutzer schnell erkannten, dass es sich bei dem Maschinentier jedoch nicht um einen russischen, sondern um den chinesischen "Go-1"-Roboter handelte, überzogen sie den ungewöhnlichen Roboterhund mit Spott, sogar von einem russischen Fake-Roboterhund war stellenweise die Rede. Und tatsächlich: Der Roboter selbst stammt von dem chinesischen Unternehmen Unitree. Die russische Produktionsfirma, Machine Intellect, geht jedoch offen damit um und beteuert nur, dass sie auf die baldige Produktion einer russischen Version hoffe. Der britische Drohnen-Experte David Hambling weist in einem Beitrag für "Forbes" darauf hin, dass das Produkt der russischen Firma jedoch mehr als drei mal mehr kostet, als der chinesische Roboter selbst.

Darum vermutet Hambling, dass russische Rüstungsunternehmen lediglich versuchen würden, das Militär wieder einmal dazu zu bringen, "unverschämt überhöhte Preise für Standardtechnologie" zu zahlen. Doch jenseits allen Spotts und aller Spekulationen wirft der viral gegangene Videoclip fragen auf. Das zeigt schon die Reaktion Unitrees: Flugs distanzierte sich der chinesische Konzern von jeglicher militärischen Nutzung seiner Produkte, wie das US-Unternehmen Boston Dynamics – vor allem für seine "Quadruped-Roboter", wie die Maschinen eigentlich heißen, bekannt – es längst auch schon getan hat. Am Ende ist es dann aber eben der Konkurrent Ghost Robotics, der das US-Militär mit Roboterhunden versorgt. Der Geist ist also aus der Flasche, und das nicht erst seit gestern.

"So etwas kann in naher Zukunft schon eine Rolle auf dem Gefechtsfeld spielen"

Anja Dahlmann, Leiterin des Berliner Büros des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, betont gegenüber den "Deutschen Wirtschaftsnachrichten" jedoch, dass solche zumeist ferngesteuerten Landroboter bislang eher Transportaufgaben übernehmen oder Minen entschärfen. Die militärische Nutzung von Quadruped-Robotern mache aber prinzipiell schon Sinn. "Roboter können 3D-Aufgaben – dull, dirty and dangerous (Anm. d. Red: also dreckige, repetitive und gefährliche Aufgaben) – erledigen. Der Vorteil ist, dass weniger Menschen dafür gebraucht und gefährdet werden", erklärt die Expertin für humanitäre Rüstungskontrolle. Wenn der Roboter nicht ferngesteuert, sondern autonom agiere, ergäben sich dadurch militärisch auch Geschwindigkeitsvorteile.

Frank Sauer, Waffen-Experte und Senior Researcher an der Universität der Bundeswehr München, nennt im Gespräch mit den "Deutschen Wirtschaftsnachrichten" zudem erhöhten Eigenschutz und längere Stehzeiten als Vorteile unbemannter Systeme am Boden, die sie mit Drohnen teilen würden. "Ein per Fernsteuerung in Position gebrachter und auf der Lauer liegender vierbeiniger Roboter, bestückt mit einer panzerbrechenden Waffe, ist also nicht ganz unrealistisch. So etwas kann in naher Zukunft schon eine Rolle auf dem Gefechtsfeld spielen", erklärt Sauer. Am Boden würden sich allerdings größere technische Herausforderungen als in der Luft stellen.

Automatisierte Roboter könnten Angriffe gegen Zivilbevölkerungen erleichtern

Hinzu kämen militärische Anforderungen, die sich von zivilen Anwendungen unterscheiden würden, wie Sauer betont: "Es wäre zum Beispiel keine gute Idee, LIDAR (Anm. d. Red: eine Laserscanning-Methode zur Umfelderfassung) zur Navigation zu benutzen. Solch ein System würde in den Sensoren des Gegners leuchten wie ein Weihnachtsbaum und somit schnell aufgeklärt und bekämpft." Gleichsam unterstreicht Sauer, dass zum einen ist nicht ganz klar sei, wer die Verantwortung trage, sollte ein autonomes System irrtümlicherweise der Zivilbevölkerung Schaden zufügen. Zum zweiten sei es aus ethischer Sicht fragwürdig, Entscheidungen über Leben und Tod auf dem Gefechtsfeld von Menschen an Maschinen zu delegieren.

Auch Dahlmann äußert im Hinblick auf die möglicherweise mangelnde Unterscheidungsfähigkeit bewaffneter Roboterhunde ethische Bedenken grundsätzlicher Art: "Wenn er komplett automatisiert ist, kann man schon diskutieren, ob ein Einsatz mit der Menschenwürde vereinbar ist." Auch hinsichtlich des Völkerrechts ergäben sich Probleme. Neue Technologien ermöglichten neue Einsatzszenarien, das sei an sich schon problematisch. Zwar mahnt Dahlmann an: "Für die militärische Nutzung muss jede Waffe völkerrechtskonform nutzbar sein." Doch de facto würde diese ethische Verpflichtung oft ignoriert. So würden beispielsweise gezielte Tötungen durch Drohnen nicht nur durch die entsprechende Technologie erst ermöglicht. "Angriffe gegen Zivilbevölkerungen können noch einfacher durchgeführt werden."

Rüstungsexpertin: Russland fehlt das Hightech-Knowhow, um solche Roboter zu bauen

Ein Umstand, der in Anbetracht der russischen Kriegs besondere Aktualität gewinnt. Denn: Schließlich begeht Russland, wie Sauer, der auch zu internationaler Politik forscht, betont, "seit dem ersten Tag des Angriffskriegs in der Ukraine Kriegsverbrechen". Das sei erstens aus Sicht des Kriegsvölkerrechts und zweitens aus ethischer Sicht zu verurteilen. "Die Zivilbevölkerung darf im Krieg nie zum Ziel gemacht werden, egal mit welcher Waffe. Das ist glasklar und gilt somit selbstverständlich auch bei der Nutzung ferngesteuerter Systeme oder solcher, die Auswahl und Bekämpfung von Zielen ohne menschliches Zutun, also "autonom", erledigen."

Dass ausgerechnet Russland frühzeitig auf die militärische Nutzung von Roboterhunden setzen könnte, erscheint Dahlmann jedoch unrealistisch: "Hat Russland dieses Hightech-Knowhow im Land, um so einen Roboter zu bauen? Es sieht nicht danach aus – schließlich musste das Land schon vor dem Krieg viel davon importieren." Darin stimmt Dahlmann mit dem Fazit von Hamblings "Forbes"-Artikel überein, das da lautet: "Angesichts ihrer Erfahrung mit Drohnen ist es sogar wahrscheinlicher, dass die Ukrainer diese zuerst gegen die Russen einsetzen werden." Wer auch immer zuerst auf bewaffnete Quadruped-Roboter zurückgreifen können wird – klar ist, dass es hier schon längst nicht mehr nur um drollige "Robo-Vierbeiner" oder bloße Hightech-Spielereien geht, sondern um ein Mittel der Kriegsführung von morgen.

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