Politik

Barroso will Schweizer aus der EU fernhalten

EU-Kommissionspräsident Barroso will verhindern, dass Schweizer künftig ungehindert in Deutschland arbeiten können. Man fragt sich: Kann ein von niemandem gewählter Funktionär einem souveränen Staat wie Deutschland vorschreiben, wen deutsche Unternehmen aufnehmen dürfen und wen nicht?
13.02.2014 01:29
Lesezeit: 2 min

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In Brüssel kocht die Bürokraten-Seele wegen der Schweizer Volksentscheidung. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso packte in einem Interview die große Keule aus und drohte den Schweizern: „Im Sinne der Gegenseitigkeit ist es nicht richtig, dass Schweizer Bürger die unbeschränkte Personenfreizügigkeit in der Europäischen Union haben“, sagte Barroso der Nachrichtenagentur Reuters. Damit deutete er an, dass Schweizer künftig nicht mehr ohne weiteres in EU-Ländern wie Deutschland oder Frankreich wohnen und arbeiten könnten. Konkrete Strafmaßnahmen nannte er aber nicht. „Es ist unfair, dass ein Land alle Vorteile hat und seinen Partnern nicht dieselben Vorteile gewähren will“, sagte der EU-Funktionär.

Barroso sagte, die Schweiz sei zwar für die Europäische Union wichtig. Doch das Land habe ein größeres Interesse, freien Zugang zum EU-Markt zu bekommen als umgekehrt. „Wir haben der Schweiz eine Stellung gegeben, die kein anderes Land der Welt genießt.“ Es sei Sache der Regierung, das Referendum so umzusetzen, dass die Verträge mit der Union eingehalten würden. Die Personenfreizügigkeit ist nur ein Abkommen eines ganzen Paketes, das zwischen der Schweiz und der EU geschnürt wurde und nun insgesamt zur Disposition steht. Darin geht es etwa um Produktzulassungen, Ausschreibungen oder die Öffnung von Straßen- und Schienenmärkten.

Die Schweizer Wähler hatten sich am Sonntag mit knapper Mehrheit dafür ausgesprochen, den Zuzug von EU-Ausländern zu begrenzen. Die Regierung in Bern muss die vage gehaltene Initiative der SVP innerhalb von drei Jahren umsetzen und dabei die Einzelheiten festlegen.

Täglich pendeln Hunderttausende EU-Bürger zur Arbeit in die Schweiz. Je 300.000 Italiener und Deutsche wohnen in der Alpenrepublik. Die Eidgenossenschaft ist mit ihren Nachbarn wirtschaftlich eng verflochten: So beschäftigen deutsche Unternehmen in der Schweiz nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin rund 100.000 Menschen und Schweizer Unternehmer in Deutschland rund 340.000 Personen.

Man muss sich fragen: Wer ermächtigt Barroso, in die bilateralen Wirtschaftsprozesse zwischen zwei souveränen Staaten einzugreifen? Ist es nicht Angelegenheit der Unternehmen, zu beschäftigen, wen sie wollen? Was bezweckt Barroso mit seinen Drohgebärden?

Die Antwort hat mit dem Problem der Personenfreizügigkeit wenig zu tun: Barroso fürchtet – wie die meisten der Brüsseler Funktionäre – dass die Völker der EU von den Brüsseler Vorgaben abfallen könnten und das Modell der EU in Bereichen, in denen es offenkundig einen Dissens zwischen den Bürger den fernen Eliten gibt, in Frage stellen.

Die Verbissenheit, mit der Brüssel auf die freie Entscheidung der Schweizer reagiert, zeigt: Diese Leute glauben, dass eine Ideologie wichtiger ist als die Lebensumstände der Bürger in den europäischen Nationalstaaten.

In einer interessanten Reportage zeigte die SZ auf, dass das Hauptanliegen der Verfechter der bedingungslosen Freizügigkeit das Lohn-Dumping ist, welches etwa italienische Firmen im Tessin unverhohlen praktizieren.

Diese Ideologie ist kein europäisches Spezifikum: Wie The Daily Bell berichtet, planen die USA, Mexiko und Kanada eine Vereinbarung über Freizügigkeit – um den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, die Arbeitnehmer gegeneinander auszuspielen.

Die Vehemenz, mit der Brüssel um seine Hoheit in der Frage der Personenfreizügigkeit kämpft, belegt: Von niemandem gewählte Funktionäre sind anfällig für Lobbyisten. Sie müssen sich nicht vor Wählern rechtfertigen. Sie sind ein Problem für die Demokratie, weil sie keiner Kontrolle durch die Bürger unterliegen.

Wenn die EU sich in diesem Bereich nicht schnellstens reformiert, läuft sie Gefahr, als Projekt zu scheitern.

An einem solchen Scheitern tragen dann nicht die Kritiker von Fehlentwicklungen Schuld, sondern Leute wie Barroso, die im Namen von Menschen sprechen, von denen sie kein politisches Mandat erhalten haben.

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