Finanzen

Ökonomen: EZB treibt Europa in ein verlorenes Jahrzehnt

Analysten sehen Früh-Signale einer Deflation in Europa. Die Kreditvergabe der Banken ist seit Monaten rückläufig und die Preise steigen deutlich schwächer als erwartet. Wenn Mario Draghi nicht handelt droht Europa dasselbe Schicksal wie Japan.
10.03.2014 00:06
Lesezeit: 2 min

Europas Ökonomen befürchten, dass die EZB die Fehler der japanischen Zentralbank wiederholt und Europa in ein Jahrzehnt der Deflation führt. Analysten führender Investment-Banken sehen bereits Vorboten einer Deflation und werfen der EZB vor, die Risiken herunter zu spielen.

„Zurzeit gibt es keinen Grund einen weitreichenden Preisverfall zu erwarten, der einen Deflationsdruck auf die gesamte Wirtschaft auslöst“, sagten die Zentralbanker Japans in ihrem Monatsbericht im Jahr 1998.

Kurz darauf geriet Japans Verbraucherpreis-Index (Lebensmittel ausgeschlossen) in einen Abwärtstrend, der die nächsten 15 Jahre lang anhielt. Bis heute konnte sich Japan nicht aus der Deflation befreien, trotz massiver Ausweitung der Geldmenge durch die Zentralbank.

Kürzlich veröffentlichte Daten der Bank of England (BoE) ließen erneut Befürchtungen vor einer Deflation aufkommen (mehr hier). Auch der IWF warnte wiederholt vor dem „Ungeheuer Deflation“ (hier).

Bei einer Deflation handelt es sich um einen großflächigen Preisverfall, häufig ausgelöst durch eine Reduktion der im Umlauf befindlichen Geldmenge oder des Kreditumlaufs. In deflationären Zeiten verleihen Banken weniger Geld an die Bürger, wodurch diese weniger konsumieren. Die Nachfrage sinkt, was die Unternehmen wiederum zwingt die Preise für Güter und die Löhne der Arbeiter zu senken, um der Insolvenz zu entgehen.

Analysten von Barclays, Morgan Stanley und JPMorgan Chase sehen deutliche Parallelen zwischen dem Verhalten der Zentralbank von Japan in den Neunzigern und der EZB um Mario Draghi heute. Am Ende könnte die EZB gezwungen sein, ein Anleihekaufprogramm, ähnlich der „Quantitativen Lockerung“ (QE) der Federal Reserve, zu starten, um die Geldmenge auszudehnen und eine Deflation einzudämmen.

„Das Risiko einer ‚Japanifizierung‘ der Euro-Zone ist hoch und steigt stetig“, sagte Joachim Fels, internationaler Chef-Ökonom von Morgan Stanley, zu Bloomberg. Er schätzt die Wahrscheinlichkeit einer Deflation auf 35 Prozent ein. „Auch Japan hatte die Deflation nicht auf dem Radar“, so Fels.

Japans nominales Bruttoinlands-Produkt (BIP) fiel im letzten Jahr um 10 Prozent geringer aus als 1997. Die japanische Börse notiert heute – trotz massiver Geldschwemme der Notenbank – nicht einmal halb so hoch wie zum Allzeithoch von 1989. Hinzu kommt eine öffentliche Verschuldung von über 200 Prozent des BIP, was Japan zum höchst verschuldeten Land der Welt macht.

Analysten von Barclays und JPMorgan Chase identifizieren bereits Symptome einer beginnenden Deflation in Europa. So sei die Inflation mit 1,1 Prozent auf das gesamte Jahr gerechnet nur halb so hoch, wie von der EZB angepeilt. Ein Viertel aller untersuchten Konsumgüter fiel seit dem letzten Jahr im Preis. Die Arbeitslosigkeit in Europa befindet sich mit 12 Prozent nach wie vor auf einem Rekordhoch und die Kreditvergabe der Banken ist seit 18 Monaten rückläufig.

„Die Früh-Signale von Japans deflationärem Schock sind in der heutigen Euro-Zone beinahe alle vorhanden, obwohl ihr Einfluss in den meisten Fällen wohl weniger stark ausfallen wird. Die Risiken einer Deflation sind höher als die Marktpreise oder die Rhetorik von Entscheidern erahnen lässt“, so ein Analyst von Barclays.

Draghi sieht keine Gefahr einer Deflation.

„Wir sehen keine Parallelen zu den Ereignissen in Japan. Es wird sicherlich eine gedämpfte Inflation – eine niedrige Inflation – für eine längere Zeit geben, aber keine Deflation“, so Draghi.

Diese Worte erinnern stark an den Monatsbericht der Bank of Japan 1998.

„Bevor es zu spät war, dachte die japanische Zentralbank auch nicht, dass sie sich in Deflation verfangen würde. Europa hat Glück, dass es aus dem Fall Japans lernen zu können“, sagte Kenji Yumoto, wirtschaftlicher Berater Japans in den späten neunziger Jahren.

Die EZB scheint indessen mit ihrer Niedrigzins-Politik vor allem den Schuldenabbau in den Euro-Staaten im Blick zu haben. Dieses kurzfristige Ziel könnte der EZB wichtiger sein als Maßnahmen, die eine langfristige Erholung der Wirtschaft in Europa sichern könnten (hier).

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Italienische Luxusunternehmen: Prada übernimmt und trägt nun auch Versace
19.04.2025

Über einen möglichen Kauf war seit mehreren Monaten spekuliert worden: Der Luxuskonzern Prada schluckt den Konkurrenten Versace. Damit...

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 und die Illusion von sicheren, langfristigen Renditen
18.04.2025

Der amerikanische Aktienmarkt befindet sich in turbulenten Zeiten. Angesichts der unvorhersehbaren Handelspolitik von Präsident Donald...

DWN
Finanzen
Finanzen Wertvoller Schmuck im Fokus: So sichern Sie Ihre teuren Schmuckstücke ab
18.04.2025

Die Absicherung wertvoller Schmuckstücke wird immer wichtiger – Hausrat reicht oft nicht aus. Experten raten zu gezieltem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen in Dänemark: Wie Sie mit etwas Hygge ein Haus günstig kaufen können
18.04.2025

Nachdem es 2023 und 2024 in Deutschland zum ersten Mal seit 2013 spürbare Wertverluste auf dem Immobilienmarkt gab, kündigten Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen USA: Staatsverschuldung erreicht 36,6 Billionen Dollar – wer sind die Gläubiger?
18.04.2025

Die Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten hat mit 36,6 Billionen Dollar einen neuen Höchststand erreicht und wächst in den letzten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Online-Handel unter Druck: Steigende Erwartungen, weniger Spielraum für Fehler
18.04.2025

Der digitale Handel erlebt 2025 einen Wendepunkt: Kunden erwarten Perfektion, während lokale Anbieter ums Überleben im globalen...