Weltwirtschaft

Verbot russischer Metalle droht Rohstoffmärkte ins Chaos zu stürzen

Lesezeit: 3 min
08.10.2022 14:37  Aktualisiert: 08.10.2022 14:37
Die Londoner Metallbörse LME bereitet ein Verbot russischer Metalle vor. In der Folge drohen massive Verwerfungen auf den globalen Rohstoffmärkten.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Ein mögliches Verbot russischer Lieferungen durch die Londoner Metallbörse (London Metal Exchange, LME) wäre ein einschneidendes Ereignis für die Metallindustrie und würde einige der größten Unternehmen der Welt vom wichtigsten globalen Handelsplatz abschneiden.

Zwar hat die Londoner Metallbörse hat noch keine Entscheidung getroffen. Doch am Donnerstag hat sie einen offiziellen dreiwöchigen Diskussionsprozess über ein mögliches Verbot von russischem Metall eingeleitet, das möglicherweise schon im nächsten Monat in Kraft treten könnte.

In der Praxis würde ein solches Verbot bedeuten, dass Metall aus Russland nicht mehr in die weltweiten Lagerhäuser des LME-Netzes geliefert werden könnte, wo die Metalle gelagert werden, die zur Erfüllung von Terminkontrakten verwendet werden, wenn diese auslaufen. Auf Russland entfallen

  • 9 Prozent der weltweiten Nickelproduktion,
  • 5 Prozent der weltweiten Aluminiumproduktion und
  • 4 Prozent der weltweiten Kupferproduktion.

Londoner Metallbörse entscheidend im globalen Handel

Obwohl es sich beim London Metal Exchange um ein privates Unternehmen handelt, das sich im Besitz der Firma Hong Kong Exchanges & Clearing befindet, haben die Entscheidungen der Börse weitreichende Auswirkungen darauf, wie Metalle weltweit gepreist und gehandelt werden.

Der überwiegende Teil des Metalls wird direkt von den Produzenten an Händler und Verbraucher verkauft. Und die großen Produzenten, darunter auch die beiden führenden russischen Konzerne United Co RUSAL International und MMC Norilsk Nickel, verkaufen ihr Metall fast nie direkt an der Londoner Börse.

Dennoch spielen die Londoner Metallbörse und ihr globales Netz von Lagerhäusern mehrere wichtige Rollen für die physische Metallindustrie. So können die Metallbestände aus den Lagerhäusern bei Knappheit abgebaut werden und bei Bedarf können überschüssige Bestände zur Lagerung an LME geliefert werden.

In den letzten Monaten haben sich die Händler angesichts der Besorgnis über den Zustand der Weltwirtschaft auf eine Schwemme eingestellt, insbesondere bei Aluminium. Da einige Käufer das russische Metall meiden, hatten Händler erwartet, dass massiv Aluminium von Rusal an die LME geliefert wird.

Doch Rusal hat dementiert, dass es plant, „große Mengen“ seines Metalls an die Börse zu liefern, wie Bloomberg berichtet. Sollte die LME neue Lieferungen von russischem Aluminium verbieten, würde dies den potenziellen Überhang an Lagerbeständen beseitigen.

Als Bloomberg letzte Woche erstmals über die Pläne der LME für ein Diskussionspapier berichtete, stiegen die Aluminiumpreise sprunghaft um bis zu 8,5 Prozent an. Dies war der größte Anstieg innerhalb eines Tages, den es je gegeben hat.

Händler rechneten mit einem Zustrom russischen Metalls und beeilten sich, ihre Leerverkaufswetten umzukehren. Am Freitag lagen die Preise etwa 10 Prozent über dem 19-Monats-Tief der letzten Woche.

Warum will die Börse Russland ausschließen?

Die Londoner Metallbörse erwägt diesen drastischen Schritt, weil sie sich Sorgen macht, dass es zu einer noch größeren Störung kommen könnte, wenn sie keine Maßnahmen gegen Russland ergreift. Dann könnte nämlich russisches Metall, das viele Kunden nicht mehr bestellen wollen, die Börse überschwemmen. In der Folge würden die LME-Preise nicht mehr als globale Benchmarks taugen.

Einer der Gründe, warum die Börse eine rasche Einführung eines Verbots russischer Metalle in Erwägung zieht, besteht darin, dass eine entsprechende Entscheidung einen Ansturm von Inhabern russischer Metalle auslösen könnte, die diese vor Inkrafttreten der Beschränkungen an die Börse liefern.

Jeder Schritt der LME hätte auch Auswirkungen, die über die Lagerströme hinausgehen. So ist in einigen Verträgen zwischen Produzenten, Händlern und Verbrauchern festgelegt, dass das Metall „LME-lieferfähig“ sein muss, was bedeutet, dass ein Verbot der LME zum Bruch der Verträge führen könnte.

Banken bestehen oft darauf, dass das von ihnen finanzierte Metall „LME-lieferfähig“ sein muss, weil sie sicher sein wollen, dass das Metall im Falle von Problemen problemlos an der Börse verkauft werden kann.

Viele Händler, die LME-Kontrakte zur Absicherung ihrer physischen Bestände verwenden, verlassen sich auch darauf, dass Metalle an die LME geliefert werden können. Denn so können sie ihre Absicherung bei Bedarf durch einfache Lieferung des Metalls schließen.

Folglich könnte jeder Schritt der Börse nicht nur den russischen Unternehmen Rusal und Nornickel, sondern auch ihren Kunden Kopfzerbrechen bereiten. Insbesondere Glencore hat einen umfangreichen mehrjährigen Vertrag über den Kauf von Aluminium in Rohstoffqualität von Rusal.

Wer wird von billigeren Preisen profitieren?

Laut Insidern erwarten die betroffenen Unternehmen bereits, dass der von der LME eingeleitete Konsultationsprozess es den Kunden von Rusal und Nornickel erschweren wird, Betriebskapital mit dem Metall als Sicherheit zu finanzieren.

Allein die Tatsache, dass die Diskussion geführt wird, dürfte dazu führen, dass die Verkäufe von Nornickel nach Europa erheblich zurückgehen werden, da sie zu einem für Verkaufsverhandlungen entscheidenden Zeitpunkt des Jahres für Unsicherheit sorgt, so ein Insider. Das bedeutet, dass ein Verbot durch die LME dazu führen könnte, dass die russischen Unternehmen gezwungen sind, niedrigere Preise zu akzeptieren.

Nornickel erwäge bereits die Möglichkeit, einen Teil der Verkäufe in den Osten zu verlagern, falls die Sanktionen gegen Russland eine Beibehaltung der derzeitigen Absatzstruktur nicht zuließen, sagte der Vorstandsvorsitzende Vladimir Potanin in einem Interview mit RBC TV im September.

„Letztendlich wird dies das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage nicht verändern, aber es bedeutet, dass wir Metall haben werden, das ein Zuhause sucht“, sagte Colin Hamilton, Managing Director für Rohstoffforschung bei BMO Capital Markets. „Irgendjemand wird das Metall mit einem Abschlag kaufen.“


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Krankenhausreform: Entscheidung über Lauterbachs hoch umstrittenes Projekt heute im Bundesrat
22.11.2024

Krankenhausreform: Kommt sie jetzt doch noch? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht mit seinem hochumstrittenen Projekt vor...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz von HH2E: Rückschlag für Habecks Energiewende - Wasserstoffprojekte in Sachsen in Gefahr
22.11.2024

Der Wasserstoff-Spezialist HH2E hat Insolvenz angemeldet, die Finanzierung durch ein britisches Private-Equity-Unternehmen ist gestoppt....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Aktien sind heiß gelaufen: Warum immer mehr Analysten den europäischen Aktienmarkt in den Blick nehmen
22.11.2024

Vermögensverwalter Flossbach von Storch sieht zunehmend Risiken für US-Aktien. Nach der jüngsten Rekordjagd an den US-Börsen verlieren...

DWN
Politik
Politik SPD-Kanzlerkandidat steht fest: Pistorius zieht zurück und ebnet Weg für Scholz
21.11.2024

Nach intensiven Diskussionen innerhalb der SPD hat Verteidigungsminister Boris Pistorius Olaf Scholz den Weg für die erneute...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch kurz vor 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag hat die wichtigste Kryptowährung direkt nachgelegt. Seit dem Sieg von Donald...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturflaute, Handelskonflikte, leere Büroimmobilien - Banken stehen vor akuten Herausforderungen
21.11.2024

Eigentlich stehen Deutschlands Finanzinstitute in Summe noch ganz gut da – so das Fazit der Bundesbank. Doch der Blick nach vorn ist...