Russland arbeitet schon seit Längerem an einem eigenen internationalen Standard für Edelmetalle, der die vorläufige Bezeichnung Moscow World Standard (MWS) trägt. Dieser neue Standard soll eine gleichwertige Alternative zum Londoner Good Delivery Standard werden.
Die Zertifizierung durch die London Bullion Market Association ist heute entscheidend, da der Londoner Edelmetallmarkt der weltgrößte außerbörsliche Handelsplatz für physisches Gold ist. Hersteller, die ihre Goldbarren hier verkaufen möchten, müssen sich der Prüfung durch die LBMA unterziehen. Nur dann gelten sie als LBMA-zertifizierte Barrenhersteller.
Zudem müssen Goldbarren bestimmte Kriterien (den sogenannten Good Delivery Standard) erfüllen, um zum Handel am London Bullion Market zugelassen zu werden. Zwar gibt es kein direktes LBMA-Siegel auf den zulässigen Goldbarren, dafür aber eine regelmäßig aktualisierte Liste von Barrenherstellern, die durch die LBMA zertifziert sind.
In den letzten Monaten hat Russland immer wieder kritisiert, dass die LBMA den Edelmetallmarkt manipuliert. Die russischen Vorwürfe haben sich verstärkt, nachdem die London Bullion Market Association am 7. März sämtliche russische Unternehmen von der Liste der zugelassenen Produzenten von Goldbarren gestrichen hatte.
Dieser Schritt war praktisch ein Verbot für russisches Gold auf dem global führenden Londoner Markt. Daher erklärte das russische Finanzministerium nun, es sei "entscheidend", den Moscow World Standard als Alternative zum Good Delivery Standard zu schaffen, um "das Funktionieren der Edelmetallindustrie zu normalisieren".
Russland auf dem Weg zu einer Goldwährung
"Die Grundlage dieser neuen Struktur wird ein neuer, spezialisierter internationaler Edelmetallmakler mit Sitz in Moskau sein, der sich auf den MWS stützen wird", zitieren russische Medien aus einem Schreiben des Finanzministeriums. Dies würde das Monopol der LBMA brechen und eine stabile Entwicklung der Edelmetallindustrie in Russland und der ganzen Welt gewährleisten.
Die Edelmetallpreise sollen zudem in den Landeswährungen der wichtigsten Mitgliedsländer der Eurasischen Wirtschaftsunion festgelegt werden, der neben Russland auch Kasachstan, Belarus, Kirgisistan und Armenien angehören, oder über eine ganz neue Währungseinheit, etwa die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeschlagene neue BRICS-Währung, wie das Branchenportal Kitco berichtet.
Dem Preisfestsetzungsausschuss würden die Zentralbanken und andere große Finanzinstitute aus den Mitgliedstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion angehören. Ziel ist es, auch andere große Goldproduzenten wie China, Indien, Venezuela, Peru und andere südamerikanische Länder zu beteiligen. Der Vorschlag für den neuen Edelmetallstandard stammt den Angaben zufolge nicht vom russischen Finanzministerium, sondern von Marktteilnehmern.
Laut dem World Gold Council ist Russland hinter China (aber vor Australien, Kanada und den USA) der zweitgrößte Goldproduzent der Welt. Russland hat demnach im vergangenen Jahr rund 331 Tonnen Gold produzieren. Dies entspricht etwa 9 Prozent der weltweiten Goldproduktion. Zudem hält das Land etwa etwa 13 Prozent der weltweiten Goldreserven. Darüber hinaus ist Russland auch einer der Hauptproduzenten von Palladium, Platin und Rhodium.
Auswirkungen auf den Goldpreis
Die Edelmetallindustrie in Russland erwirtschaftet jährlich rund 25 Milliarden Dollar. Wenn es Russland und der Eurasischen Wirtschaftsunion gelingen sollte, die Unterstützung anderer großer Goldproduzenten wie Venezuela und Peru für diesen Plan zu erhalten, könnte die Ländergruppe mithilfe des Moscow World Standard etwa zwei Drittel des gesamten Goldes der Welt kontrollieren.
Aufgrund einer Reihe von Sanktionen gegen Russland konnten Edelmetalle aus dem Land in den letzten Monaten nicht mehr frei gehandelt werden. Daher könnte der Goldpreis zunächst unter Druck geraten, wenn der Moscow World Standard eingeführt wird, erwartet das Portal Capital. Denn der plötzliche Zufluss von russischem Gold auf den Weltmarkt würde das Angebot kurzfristig stark erhöhen, bevor sich die Preise wieder stabilisieren.
China, der größte Goldverbraucher der Welt, verfügt bereits über die Shanghai Metals Exchange, könnte aber künftig seinen Marktanteil ausbauen. Besonders deutlich wurde dies beim jüngsten Verbot russischer Edelmetalle in London. Die Shanghai Metals Exchange hat in der Folge erhebliche Anstrengungen unternommen, um die von der Londoner Börse hinterlassene Marktlücke zu schließen.