Politik

Raketeneinschlag in Polen: Russland warnt vor Krieg mit NATO

Lesezeit: 3 min
16.11.2022 11:14  Aktualisiert: 16.11.2022 11:14
In Polen ist in der Nacht eine Rakete eingeschlagen. Während Kiew und Warschau Russland beschuldigen, deuten erste Erkenntnisse daraufhin, dass es sich um eine ukrainische Abwehrrakete handelt. Russland wirft der Ukraine vor, einen Krieg mit der NATO provozieren zu wollen.
Raketeneinschlag in Polen: Russland warnt vor Krieg mit NATO
Nach dem Raketeneinschlag in Polen warnt Dmitri Medwedew (re.), Stellvertreter des russischen Präsidenten Wladimir Putin (li.) an der Spitze des nationalen Sicherheitsrates, vor einem Weltkrieg zwischen dem Westen und Russland. (Foto: dpa)
Foto: Dmitry Astakhov

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der Einschlag einer Rakete im polnischen Grenzgebiet zur Ukraine überschattet die Abschlussberatungen auf dem G20-Gipfel in Indonesien. Bei dem Raketeneinschlag wurden zwei Menschen getötet. Sowohl US-Präsident Joe Biden als auch Kanzler Olaf Scholz vermieden eine Schuldzuweisung etwa Richtung Russland. Biden betonte stattdessen, dass es eher unwahrscheinlich sei, dass die Rakete aus Russland abgefeuert worden sei.

USA: Rakete stammt vermutlich aus der Ukraine

Die Nachrichtenagentur AP meldete am Mittwoch unter Berufung auf US-Vertreter, dass es sich nach ersten Erkenntnissen um eine Rakete handle, die vom ukrainischen Militär offenbar zur Abwehr einer russischen Rakete abgefeuert worden sei. US-Präsident Biden sprach davon, dass es vorläufige Informationen gebe, die dagegen sprächen, dass die Rakete von Russland aus abgefeuert worden sei. „Angesichts der Flugbahn ist es unwahrscheinlich, dass sie von Russland abgefeuert wurde, aber wir werden sehen“, sagte er.

Die beim G20-Treffen auf Bali versammelten Staats- und Regierungschefs der NATO- und G7-Länder kamen zu Sondertreffen zusammen, um über die Konsequenzen zu beraten. In einer gemeinsamen Erklärung sicherten sie dabei dem NATO-Land Polen volle Unterstützung zu und fordern ein Ende der russischen Angriffe auf die Ukraine.

Die USA und die NATO-Länder würden den Vorfall vollständig untersuchen, bevor sie handelten. „Das ist ein schrecklicher Vorfall, und es ist jetzt notwendig, dass sorgfältig aufgeklärt wird, wie es dazu gekommen ist, dass diese Zerstörungen dort angerichtet werden konnten“, sagte Bundeskanzler Scholz. Auch er vermied eine Schuldzuweisung.

Die Nato hält am Vormittag in Brüssel eine Dringlichkeitssitzung wegen des Raketeneinschlages im Osten Polens ab. Sie beginne um 10.00 Uhr (MEZ), teilen ein europäischer Diplomat und zwei Nato-Vertreter mit. Geleitet werde die Sitzung von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, heißt es in einer Presseerklärung der Nato. Er werde voraussichtlich um 12.30 Uhr eine Pressekonferenz geben.

Polen und Ukraine beschuldigen Russland

Der polnische Präsident Andrzej Duda hatte nach dem Einschlag einer Rakete nahe der Grenze zur Ukraine von einem einmaligen Vorfall gesprochen aus und dazu aufgerufen, Ruhe zu bewahren. „Wir haben im Moment keine schlüssigen Beweise dafür, wer diese Rakete abgefeuert hat ... es war höchstwahrscheinlich eine Rakete aus russischer Produktion“. Die Untersuchungen liefen noch, so Duda.

Zuvor hatte das polnische Außenministerium den Einschlag einer Rakete aus russischer Produktion in dem NATO-Land bestätigt. Diese sei am Dienstag um 15:40 Uhr (Ortszeit) in dem Dorf Przewodow niedergegangen, teilte das Ministerium mit. Duda erklärte, dass Polen am Mittwoch an der Sitzung des Nordatlantikrats im NATO-Hauptquartier teilnehmen werde.

„Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Botschafter die Aktivierung von Artikel 4 oder Konsultationen der Alliierten beantragen wird“, sagte er. Artikel 4 sieht Beratungen vor, wenn ein Mitgliedsland sich bedroht sieht. Polen selbst erklärte nach einer Dringlichkeitssitzung seines nationalen Sicherheitsrats, man versetze das Militär in erhöhte Bereitschaft. „Wir haben beschlossen, die Kampfbereitschaft ausgewählter Einheiten der polnischen Streitkräfte zu erhöhen, mit besonderem Schwerpunkt auf der Überwachung des Luftraums“, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte indes, es habe sich um russische Raketen gehandelt. Damit eskaliere die Lage und es müsse eine Reaktion geben. Die Ukraine habe seit langem davor gewarnt, dass sich die russischen Aktionen nicht auf die Ukraine beschränken würden.

Der Präsidentenberater Mychailo Podoljak erklärt, es könne nur an einer Logik festgehalten werden, und die laute, dass der Krieg von Russland begonnen worden sei und von Russland geführt werde. Podoljak reagiert mit seiner schriftlichen Stellungnahme auf Äußerungen von US-Präsident Joe Biden, dass nach derzeitigem Informationsstand die in Polen eingeschlagene Rakete wahrscheinlich nicht von Russland abgefeuert wurde.

Podoljak erklärt, dass Russland die Ukraine massiv mit Marschflugkörpern angreife. „Russland hat den östlichen Teil des europäischen Kontinents in ein unberechenbares Schlachtfeld verwandelt. Absicht, Hinrichtungsmittel, Risiken, Eskalation – all das ist nur Russland. Und anders sind Zwischenfälle mit Raketen nicht zu erklären.“

Russland wirft Ukraine gezielte Provokation vor

Der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen (UN) wertet den Einschlag einer Rakete auf polnischem Territorium als Versuch, einen Zusammenstoß zwischen Russland und der NATO zu provozieren. „Es gibt einen Versuch, einen direkten militärischen Zusammenstoß zwischen der NATO und Russland zu provozieren, mit allen Konsequenzen für die Welt“, schreibt UN-Botschafter Dmitri Poljanski auf seinem Telegram-Kanal. Russland bestreitet den Abschuss dieser Rakete.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres zeigt sich „sehr besorgt“ über die Berichte über die Explosion einer Rakete in Polen. Guterres hoffe, dass eine gründliche Untersuchung durchgeführt werde, teilt der stellvertretende Sprecher der Vereinten Nationen (UN), Farhan Haq, mit. Es sei „absolut notwendig, eine Eskalation des Krieges in der Ukraine zu vermeiden.“

Nach Darstellung des früheren russischen Präsidenten Dmitri Medwedew zeigt der Raketeneinschlag, dass der Westen weiter auf einen Weltkrieg zusteuere. Der Vorfall mit dem angeblichen Raketenangriff auf ein polnisches Gehöft beweise nur eines: „Der Westen rückt einem Weltkrieg näher, wenn er einen hybriden Krieg gegen Russland führt“, schreibt Medwedew auf Twitter. Er gehört zum engsten Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin und ist dessen Stellvertreter an der Spitze des nationalen Sicherheitsrates.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Panorama
Panorama Amokfahrt von Magdeburg: Trauer, Entsetzen und offene Fragen halten Deutschland in Atem
22.12.2024

Fünf Menschen sind tot, 200 verletzt: Nach der folgenschweren Fahrt mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg stellt sich die...

DWN
Politik
Politik Donald Trump hofft: Elon Musk übernimmt (noch) nicht die US-Präsidentschaft
22.12.2024

Kritiker nennen den Tech-Milliardär süffisant «Präsident Musk». Donald Trump stellt klar, wer das Sagen hat - bestreitet aber auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Politik
Politik Steuern und Abgaben: Mehrheit der Steuerzahler zahlt 2025 noch mehr – mit oder ohne Ampel!
22.12.2024

Das „Entlastungspaket“ der Ampel ist eine Mogelpackung, denn Steuersenkungen sind nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Ab dem 1. Januar 2025...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Politik
Politik Migrationskrise: Asyl-Rekordhoch in Deutschland und die illegale Migration an den Grenzen geht ungebremst weiter
22.12.2024

In Deutschland leben fast 3,5 Millionen Geflüchtete, von Asylsuchenden über anerkannte Flüchtlinge bis zu Geduldeten. Das ist ein neuer...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...