Währungen sogenannter Schwellenländer werden Experten zufolge den Dollar als Bezahlmittel mit dem größten Potenzial im kommenden Jahr vom Thron stoßen. Gründe dafür sehen sie unter anderem in den voraussichtlich behutsameren US-Zinserhöhungen sowie der schrittweisen Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft nach der Pandemie.
Davon könnten neben dem chinesischen Yuan auch Devisen aufstrebender Volkswirtschaften wie die indische Rupie oder der brasilianische Real profitieren. „Die Zentralbanken der wichtigsten Schwellenländer haben an Glaubwürdigkeit gewonnen“, zitiert Reuters Benjamin Melman, Investmentchef von Edmond de Rothschild Asset Management. Sie hätten ihre Geldpolitik zuletzt stark gestrafft. Wenn die US-Notenbank Federal Reserve System bei ihren Zinserhöhungen vom Gaspedal gehe, könnte eine Aufwertung der Schwellenländer-Währungen zügig folgen.
Auch Investoren sind nach den turbulenten Monaten an den Börsen wieder risikofreudiger und gehen verstärkt auf Renditejagd. Einige Schwellenländer bieten dabei möglicherweise attraktive Gelegenheiten: Während die inflationsbereinigte Verzinsung der zehnjährigen US-Staatsanleihen momentan bei 1,08 Prozent liegt, beträgt diese zum Beispiel für das brasilianische Pendant 6,07 Prozent.
Alle Augen auf die Federal Reserve
Bereits im Dezember könne die Zeit gekommen sein, Tempo bei den Zinsanhebungen herauszunehmen, hatte US-Notenbankchef Jerome Powell Anfang Dezember gesagt. Als ausgemacht an den Börsen gilt, dass die Fed am Mittwoch die Zinsen um 0,50 Prozentpunkte erhöht. Zuvor hatte sie die Zinsen vier Mal in Folge um 0,75 Prozentpunkte angehoben. Die erwartete schwächere Zinsanhebung bereits in den Kursen eingepreist.
Nach einem Ende September erreichten 20-Jahres-Hoch hat der der Dollar gegenüber einem Korb der wichtigsten Währungen mittlerweile einen Rückgang von rund acht Prozent verzeichnet. Auf den Terminmärkten setzten Händler nach Berechnungen von Reuters im November zum ersten Mal seit 16 Monaten auf einen Rückgang statt auf eine Stärkung der US-Währung.
Im selben Monat verzeichnete der Schwellenländer-Währungs-Index den stärksten Zuwachs in über sieben Jahren. Auch der chinesische Yuan und die indische Rupie legten im Vergleich zum Dollar im Vorjahresvergleich rund zehn Prozent zu.
Antrieb aus China
In China zeichnet sich eine Wiedereröffnung der Wirtschaft durch ein Abrücken von der strikten Null-Covid-Politik nach ersten Lockerungen vor einigen Tagen ab. Erwartet werde, dass der Yuan sich im kommenden Jahr gegenüber dem Dollar mindestens stabilisiere, sagt Rothschild-Experte Melman. „Das wird sich sehr positiv auf andere Währungen auswirken.“ So werde der thailändische Bath nach aller Wahrscheinlichkeit von einer Eröffnung in China durch steigende Tourismuszahlen profitieren, prognostiziert Carlos Fernandez-Aller, Leiter des Schwellenländer-Teams bei der Bank of America.
Die Öffnung der chinesischen Wirtschaft wird aber nicht nur in der direkten Nachbarschaft, sondern auch in anderen Teilen der Welt spürbar sein. Viele lateinamerikanische Länder exportieren große Mengen an Waren nach China. So ist Brasilien beispielsweise ein wichtiger Rohstofflieferant. „Der Real ist an die chinesische Wirtschaft gekoppelt“, so Melman.
Dennoch werden auch Warnungen vor einem frühzeitigen Abgesang auf die Weltleitwährung Dollar laut. „Eine weltweite Konjunkturabschwächung würde die Nachfrage nach sicheren Häfen stärken“, sagt Aaron Hurd, Portfoliomanager bei State Street Global Advisors.
In der Euro-Zone ist laut Vermögensverwalter Amundi 2023 mit einer Rezession zu rechnen. Vor allem das erste Quartal werde Anlegern zusetzen und damit für eine Stärkung des Dollars sorgen, sagt Thomas Kruse, Chefanleger bei Amundi Deutschland. In der zweiten Jahreshälfte würden dann vor allem die Währungen der Schwellenländer interessant werden.