Deutschland

Kalte Progression schleift die deutsche Mittelschicht

Lesezeit: 1 min
10.02.2023 10:00
Laut einer Studie des Ifo-Instituts hat die kalte Progression die deutschen Steuerzahler im vergangenen Jahr mit 10,9 Milliarden Euro belastet.
Kalte Progression schleift die deutsche Mittelschicht
Bundesfinanzminister Christian Lindner nimmt an der Sitzung des Bundeskabinetts im Bundeskanzleramt teil. (Foto: dpa)
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Die kalte Progression hat die Steuerzahlenden einer Studie zufolge im vergangenen Jahr viel Geld gekostet. Sie seien dadurch mit 10,9 Milliarden Euro belastet worden, wie das Münchner Ifo-Institut am Freitag zu seinen Berechnungen mitteilte.

"Für 2023 gleicht das neue Inflationsausgleichsgesetz die Steuerbelastung der Haushalte durch die kalte Progression nahezu aus, kompensiert aber nicht die verbleibende Steuerbelastung durch die Inflation des Vorjahres 2022", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Bei der "kalten Progression" rutschen Steuerzahlende in einen höheren Steuertarif – allerdings nur, weil ihr nominales Einkommen gestiegen ist, das die Inflation ausgleicht. Dies führt im Ergebnis dazu, dass sie mehr Steuern zahlen, real aber weniger Geld zur Verfügung haben - die Kaufkraft also geringer wird.

Die zusätzliche Steuerlast haben den Angaben zufolge vor allem die Mittelschicht und höhere Einkommen getragen. Ohne Ausgleich kostete die kalte Progression die Privathaushalte im vergangenen Jahr durchschnittlich knapp 325 Euro. Das entspreche 0,7 Prozent ihres verfügbaren Jahreseinkommens.

Die obersten zehn Prozent der Einkommen zahlten fast 1000 Euro mehr Einkommenssteuern (inklusive Solidaritätszuschlag), so die Münchner Forscher. Das entspreche in etwa 0,9 Prozent ihres Jahreseinkommens. Die obere Mittelschicht – Steuerzahlende, die rund 60.000 Euro zur Verfügung haben – trug im Verhältnis zum ihrem durchschnittlichen Jahreseinkommen demnach die höchste Last.

"Bei der Beseitigung der kalten Progression sollte sich die Politik nicht auf den reinen Inflationsausgleich beschränken", sagte Ifo-Forscher Florian Dorn. "Ökonomisch sinnvoller wäre, sie durch das Wachstum der nominalen Einkommen auszugleichen." Statt der Inflationsrate würde dabei das durchschnittliche Wachstum der nominalen Einkommen berücksichtigt. Andernfalls würde der Staat selbst dann einen zunehmenden Anteil des volkswirtschaftlichen Einkommens beanspruchen, wenn die realen Einkommen ohne Inflation steigen.

"Der Ausgleich der kalten Progression sollte automatisch über einen Tarif auf Rädern erfolgen, bei dem sich die Eckwerte der Tarifzonen jährlich in Höhe des Wachstums der nominalen Einkommen anpassen", sagte Dorn.

Der Bundestag hatte im vergangenen November eine Anpassung des Steuersystems an die extrem hohe Inflation beschlossen. Damit soll verhindert werden, dass Steuerzahler bei Lohnerhöhungen in eine höhere Steuerklasse rutschen und am Ende eine geringere Kaufkraft haben als vorher. Die Verbraucherpreise stiegen 2022 mit 7,9 Prozent so stark wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik. (Reuters)


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