Wirtschaft

Chile will Lithium-Minen verstaatlichen, Aktien stürzen ab

Nachdem Präsident Boric angekündigt hatte, dass er die Lithium-Branche in Chile verstaatlichen will, sind die Aktien der weltweit führenden Minen-Unternehmen eingebrochen.
Autor
21.04.2023 23:03
Aktualisiert: 21.04.2023 23:03
Lesezeit: 4 min

Die Aktien einiger der weltweit größten Lithium-Bergbauunternehmen haben am Freitag deutlich nachgegeben, nachdem der chilenische Präsident Gabriel Boric gesagt hatte, dass er die Lithium-Branche in seinem Land verstaatlichen will. Chile hat weltweit die größten Lithium-Vorkommen und ist der weltweit zweitgrößte Produzent des Metalls, das für die Produktion von Batterien für Elektroautos benötigt wird.

Derzeit ist der Abbau in den Händen von Industriegrößen wie SQM und Albemarle. Sie beliefern etwa Tesla, LG Energy und andere Autobauer und Batterieproduzenten. Präsident Boric, ein linksgerichteter ehemaliger Anführer von Studentenprotesten, trat sein Amt im vergangenen Jahr an. Die Erschließung der chilenischen Lithiumvorkommen ist eines seiner zentralen Wahlversprechen.

Der Staat werde eine Mehrheitsbeteiligung an Partnerschaften mit privaten Unternehmen zur Erschließung von Lithium übernehmen, sagte Boric in einer Fernsehansprache am späten Donnerstagabend. Der Staat werde sich an dem gesamten Produktionsprozess des Minerals beteiligen. "Dies ist die beste Chance, die wir für den Übergang zu einer nachhaltigen und entwickelten Wirtschaft haben", zitiert ihn das Wall Street Journal.

Die Aktien der Sociedad Química y Minera de Chile (SQM), einem der weltweit größten Lithiumproduzenten, der sich teilweise im Besitz der chinesischen Tianqi Lithium Corporation fielen am Freitag in New York um über 20 Prozent. Auch die in den USA ansässige Albemarle Corporation, der einzige andere Produzent in Chile, verlor über 10 Prozent. Beide Unternehmen gewinnen Lithium aus salzhaltigen Solen, die sich unter der Atacama-Salzwüste im Norden Chiles befinden.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Lithium-Minen beschwichtigen

Albemarle sagte, es erwarte "keine wesentlichen Auswirkungen" auf seinen Betrieb, da die Regierung die bestehenden Minenverträge respektieren werde. "Wir werden weiterhin mit der chilenischen Regierung hinsichtlich der vorgeschlagenen nationalen Lithiumstrategie zusammenarbeiten", sagte Albemarle. "Wir haben viele gemeinsame Interessen, darunter die Frage, wie der Lithiummarkt am besten wachsen und neue nachhaltige Technologien eingesetzt werden können."

Die Ankündigung von Boric stieß bei Wirtschaftsführern auf Kritik. Die Industriekammer Sofofa erklärte in einer Erklärung, sie sei überrascht und besorgt über den Vorschlag des Präsidenten, der den Privatsektor bei der Entwicklung des chilenischen Lithiums untergraben würde. "Wir hoffen, dass die Regierung diese Politik korrigiert, um das Vertrauen in den privaten Sektor wiederherzustellen", hieß es.

Die amerikanisch-chilenische Handelskammer erklärte jedoch, sie glaube, dass amerikanische Unternehmen im Rahmen von Borics Vorschlag eine Rolle bei der Erschließung des chilenischen Lithiumvorkommens spielen könnten. "Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Initiative die Tür für die Entwicklung der Lithiumindustrie öffnet", sagte die Wirtschaftsgruppe in einer Erklärung.

Chile verfügt über die größten Lithiumreserven der Welt, hat sich aber schwer getan, neue Minen zu erschließen, da die strenge Regulierung des Minerals ausländische Unternehmen von Investitionen in der Branche abhält. Daher hat Chile Marktanteile an den Spitzenproduzenten Australien und das benachbarte Argentinien verloren, das chinesische, amerikanische und europäische Bergbauunternehmen auf seine Lithiumfelder gelockt hat.

Es wird erwartet, dass Chile bis zum Jahr 2027 etwa 15 Prozent des weltweiten Lithiums liefern wird, ein Rückgang gegenüber einem Viertel des weltweiten Angebots im letzten Jahr. Ursache dafür ist, dass andere Länder ihre Lithium Produktion steigern werden, zitiert das Wall Street Journal Alice Yu, eine Bergbauanalystin bei S&P Global Commodity Insights.

Chile abhängig von seiner Lithium-Branche

Das Versäumnis Chiles, neue Lithiumminen zu erschließen, hat bei Beamten und Branchenexperten die Sorge geweckt, dass das Land die steigende Nachfrage nach dem Metall, das in Batterien für Elektrofahrzeuge und Smartphones verwendet wird, verpassen könnte. Die chilenische Regierung steht unter dem Druck, die öffentlichen Ausgaben für Bildung, Renten und Gesundheitswesen zu erhöhen, obwohl sich die Wirtschaft des Landes verlangsamt.

Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds wird das chilenische Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr voraussichtlich um 1 Prozent sinken. Im vergangenen Jahr stiegen die Steuerzahlungen von SQM in Chile dank der höheren Lithiumpreise sprunghaft an. Laut einer früheren Erklärung des Unternehmens zahlte es mehr als 5 Milliarden Dollar an den Fiskus und war damit der größte Steuerzahler des Landes.

In seiner Rede am Donnerstag sagte Präsident Boric, dass der staatliche Kupferriese Codelco Gespräche mit SQM und Albemarle führen werde, um eine Beteiligung des Staates an ihren Betrieben auszuhandeln, bevor ihre Verträge auslaufen. Der Vertrag von SQM über den Abbau von Lithium in der Atacama-Salzwüste läuft 2030 aus. Der Vertrag von Albemarle läuft sogar erst im Jahr 2043 aus.

"Der chilenische Staat wird sich vollständig an die bestehenden Verträge halten", so Präsident Boric. "Eine frühzeitige Beteiligung des Staates an der Atacama-Salzfläche wird das Ergebnis einer Vereinbarung mit denjenigen sein, die derzeit die Rechte zur Ausbeutung des Lithiums besitzen." Codelco und Enami, ein weiteres staatliches Bergbauunternehmen, werden Projekte in anderen Salzseen verfolgen. Auch ausländische Unternehmen sollen sich beteiligen.

Borics Politik bedarf der Zustimmung des Kongresses, in dem er seit der Ablehnung einer neuen Verfassung im letzten Jahr, die er befürwortet hatte und die die Rolle des Staates in der Wirtschaft gestärkt hätte, um die Verabschiedung von Gesetzen kämpft. Juan Ignacio Guzman, ein Bergbauexperte an der Katholischen Universität Chiles, erwartet, dass der Präsident noch Schwierigkeiten haben wird, die Zustimmung des Kongresses zu seinen Lithiumvorschlägen zu erhalten.

Denn nach Ansicht von Guzman werden die Vorschläge von Präsident Boric die Wettbewerbsfähigkeit Chiles und die zukünftige Produktion weiter untergraben. "Die Menschen wollen im Allgemeinen nicht, dass der Staat die Geschäfte in Chile führt, sondern dass er den von privaten Unternehmen geschaffenen Reichtum effektiv verwaltet", zitiert ihn das Wall Street Journal.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Berkshire Hathaway-Aktie: Warren Buffetts Abgang belastet – wie viel Substanz bleibt?
22.06.2025

Berkshire Hathaway verliert nach Buffetts Rückzug an Kurswert. Die Aktie steht unter Druck – und der Markt stellt die Zukunft des...

DWN
Technologie
Technologie Lebensmittel aus dem 3D-Drucker: Revolution am Esstisch und in der Lebensmittelproduktion?
22.06.2025

Gedrucktes Essen statt Herd und Pfanne? Der 3D-Lebensmitteldruck wächst rasant – zwischen nachhaltiger Vision, Gastronomietrend und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Die Deutschen und ihr Bargeld: Wie sich das Bezahlverhalten entwickelt
22.06.2025

Obwohl die Deutschen nach eigenen Aussagen ihr Bargeld lieben, gewinnt das bargeldlose Bezahlen auch hierzulande an Bedeutung. Das...

DWN
Technologie
Technologie Schwedische Innovation soll Wasserkrise in der Ukraine lösen
21.06.2025

Während Europa über Hilfspakete debattiert, liefern schwedische Firmen sauberes Wasser in eine vom Krieg verwüstete Region. Ist Hightech...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Afrikas Migrationspotenzial: Die globale Ordnung steht vor einer tektonischen Verschiebung
21.06.2025

Afrikas Bevölkerung wächst, während der Westen altert. Millionen gut ausgebildeter Migranten verändern schon heute globale...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands stille Stärke: Wie Rechtsstaat und Verwaltung zum unterschätzten Standortvorteil werden
21.06.2025

Als Max Weber 1922 mit seiner Bürokratie-Theorie die Basis für die deutsche Verwaltung legte, galt sie weltweit als innovatives Vorbild....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Rückschlag für Elektroautos – kommt das Ende wie vor 100 Jahren?
21.06.2025

Vor 100 Jahren verschwanden Elektroautos wegen politischer Entscheidungen von den Straßen. Heute wiederholt sich die Geschichte: Donald...

DWN
Politik
Politik Wie der Westen seine Werte in der Wüste verrät: Big Tech versteckt die Probleme unter glänzenden Fassaden
21.06.2025

Big Tech hofiert autoritäre Regime vom Golf – im Tausch gegen Milliarden, Macht und Rechenzentren. Doch hinter der glitzernden Fassade...