Diese Woche brachte weitere düstere Wirtschaftsdaten für Deutschland. Wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte, haben die deutschen Unternehmen ihre Produktion im Juni überraschend stark gedrosselt. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 1,5 Prozent weniger her als im Vormonat. Und auch die deutschen Exporte lagen im Juni saisonbereinigt nur um 0,1 Prozent höher als im Mai und stagnieren bereits seit über einem Jahr.
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt weist bereits seit drei Quartalen ein negatives oder Nullwachstum auf. Damit ist Deutschland seit 2019 das Schlusslicht unter den großen Ländern der Eurozone. Zuvor war Deutschland der Spitzenreiter. Sicherlich spielt dabei die Energiepolitik und Klimapolitik der jüngsten Bundesregierung eine negative Rolle. Doch das Problem sitzt tiefer und reicht weiter zurück.
Wie die obige Grafik zeigt, ist die deutsche Industrieproduktion bereits seit 2018 rückläufig, als der weltweite Fahrzeugabsatz zum ersten Mal seit fast einem Jahrzehnt sank. Und seit der Corona-Krise hat sich die Situation weiter verschlimmert. Das Wachstum in China, dem viertgrößten deutschen Exportmarkt hinter den USA, Frankreich und den Niederlanden, hat sich endlich verlangsamt.
Bei Siemens ist die schwache Konjunktur deutlich spürbar. Die Wirtschaft Chinas habe sich nicht so schnell wie erwartet erholt, sagte der Vorstandschef des Münchner Technologiekonzerns, Roland Busch, am Donnerstag. In der Folge gab die Siemens-Aktie um 5 Prozent nach. "Geht es Siemens nicht gut, geht es der deutschen Wirtschaft nicht gut", sagte Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege von RoboMarkets.
Die chinesischen Autobauer haben sich längst von Partnern zu harten Konkurrenten entwickelt. Aber nicht nur China, sondern auch die USA versuchen, deutsche Importe verstärkt durch heimische Produkte zu ersetzen. Und ein entscheidendes Problem für Deutschlands Industrie bleibt offensichtlich die Energie. Denn die Politik hat der Industrie den Zugang zu billigem russischem Gas verstellt und zugleich die letzten drei deutschen Atomkraftwerke geschlossen.
Deutschland zwischen Glück und Klugheit
Die aktuelle Misere erinnert ein wenig an den Beginn des Jahrtausends, als die Globalisierung eine Abwanderung von Fabriken sowie einen Anstieg der Arbeitslosigkeit bewirkte. Damals reagierte die Politik mit einem Maßnahmenpaket für mehr Wettbewerbsfähigkeit und die sogenannten Minijobs. In der Folge ging die Arbeitslosigkeit stetig zurück und die deutschen Exporte stiegen deutlich.
Kritiker wiesen jedoch darauf hin, dass die Verluste an Arbeitsplätzen in den deutschen Fabriken genauso groß waren wie etwa die in den amerikanischen Fabriken. Zudem war der damalige Anstieg der deutschen Exporte vor allem auch ein Anstieg der globalen Nachfrage, der das deutsche Wachstum antrieb und es den Unternehmen ermöglichte, ihren Vorsprung gegenüber der Konkurrenz zu festigen.
"In den letzten 20 Jahren hatte Deutschland immer einen externen Sugar Daddy: China, die Eurozone und dann die USA", zitiert das Wall Street Journal Carsten Brzeski, den Chefvolkswirt der ING. Der Fehler dieses Modells war, dass das es zu problematischen Abhängigkeiten von geopolitischen Rivalen führte. Außerdem förderte es eine übermäßige Konzentration auf alte Gewinner auf Kosten neuer digitaler Technologien und erneuerbarer Energien.
Wie China oder Südkorea lenkte Deutschland die Nachfrage auf Unternehmen mit höherer Produktivität und höheren Löhnen. Anders als in den USA wurde die deutsche Produktion komplexer. Dadurch konnte die industrielle Basis zunächst besser überleben als in anderen westlichen Ländern. Während andere Länder sich derzeit bemühen, ihre einst ins Ausland verlagerten Industrien zurückzuholen, verfügt Deutschland noch immer über eine industrielle Basis.
Als Antwort auf die Wachstumsherausforderung setzt die Bundesregierung derzeit massiv auf die Ansiedlung von Halbleiterindustrie. Doch die mittelständische Wirtschaft verfolgt dies mit wachsendem Unbehagen. Denn die Subventionen für den US-Konzern Intel bei Magdeburg und den taiwanesischen Konzern TSMC in Dresden in Milliardenhöhe fehlen an anderer Stelle.
DWN-Autor Ralf Jaksch kommentierte die Milliarden-Subventionen für die Halbleiterkonzerne diese Woche auch aus der kritischen Sicht der Ordnungspolitik:
"Die Ordnungspolitik, die der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik bei ihrer Gründung zugrunde lag und von Ludwig Erhard umgesetzt wurde, verbietet eigentlich ein solches Vorgehen. Nach Erhard soll der Staat lediglich den Rahmen setzen – nicht jedoch selbst in die Abläufe eingreifen. Genau dies tut er aber, wenn er bestimmten Industrien, wie die der Halbleiterindustrie, eine 'strategische Bedeutung' zuspricht – und diese dann mit milliardenschweren Subventionen unterstützt, während kleinere Unternehmen nicht nur leer ausgehen, sondern diese letztlich über Steuern auch noch querfinanzieren müssen."