Finanzen

Wie ein „Ökonomischer Tsunami“: Thailand plant digitales Helikoptergeld

In Thailand will die größte Regierungspartei allen Bürgern ein beträchtliches digitales Handgeld zukommen lassen. Das Geldgeschenk soll eine ganz bestimmte Programmierung haben, um die Konjunktur anzukurbeln. Unterdessen sind digitale Zentralbankwährungen global auf dem Vormarsch.
09.09.2023 07:54
Aktualisiert: 09.09.2023 07:54
Lesezeit: 3 min
Wie ein „Ökonomischer Tsunami“: Thailand plant digitales Helikoptergeld
Thailand neuer Ministerpräsident Srettha Thavisin will den Bürgern ein digitales Geldgeschenk zukommen lassen. (Foto: dpa) Foto: Sakchai Lalit

Thailands größte Regierungspartei Pheu-Thai will alle Bürger ab 16 Jahren mit einem Geldgeschenk in nationaler digitaler Zentralbankwährung in Höhe von 10.000 Baht (umgerechnet knapp 300 Dollar) ausstatten, wie die Bangkok Post berichtet. Das versprochene Geld sollen die Bürger nur über ihre mit nationalen Identitätsnummern verknüpften digitalen Geldbörsen direkt auf dem Smartphone erhalten, oder indem sie unter Vorlage ihrer ID-Karte bei den zuständigen Ämtern einen persönlichen Code abholen.

Das Geld ist also nicht bar zu beziehen, sondern nur in digitaler Form. In Thailand, wo selbst Kartenzahlungen abseits der großen Einkaufszentren und Supermarktketten kaum verbreitet und teilweise mit hohen Aufpreisen verbunden sind, wäre das ein bemerkenswerter Schritt. Es handelt sich um eine Art einmaliges Helikoptergeld beziehungsweise bedingungsloses Grundeinkommen, bei dem die einzige Bedingung ist, dass es digital empfangen wird.

Digitalgeld ist programmierbar, was bei Bargeld nicht möglich wäre. Thailands Regierung plant, dass das Geld nur in einem Umkreis von 4 Kilometern um den Wohnsitz ausgegeben werden kann. Außerdem wird es nach 6 Monaten ablaufen. Durch diese Eigenschaften soll die (lokale) Wirtschaft angekurbelt werden.

Die Pheu-Thai-Partei hatte die Pläne vorgelegt, als noch gar nicht sicher war, dass sie wieder in die Regierungskoalition kommt. Bei der Wahl vor vier Monaten lag man deutlich hinter der progressiven Fortschrittspartei (MFP), von der man sich aber jetzt losgesagt hat um ein Mehrheitsbündnis mit der drittplatzierten konservativen RTSC-Partei einzugehen. Bei den Wählern kam das nicht sonderlich gut an. Am 5. September wurden der neue Ministerpräsident Srettha Thavisin und sein Kabinett vereidigt.

Ziel: Konjunktur stimulieren und digitale Zentralbankwährung vorantreiben

Anfang bis Mitte 2024 sollen die Gelder transferiert werden. Das 10.000 Baht schwere Geldgeschenk war ein wichtiges Wahlkampfthema für Pheu-Thai. Thavisin hatte während der Kampagne davon gesprochen, dass es den Konsum wie ein „ökonömischer Tsunami“ anfachen würde und viele Wirtschaftszweige davon immens profitierten. Der Ministerpräsident versprach nun, dass die Idee mit „voller Kraft“ umgesetzt werde, da sie „ein wichtiges Thema und eine wichtige Maßnahme“ sei, um die Stimulierung der thailändischen Wirtschaft zu unterstützen.

Als zusätzlichen Nebeneffekt erwünscht sich die regierungsbestimmende Partei eine erhöhte Akzeptanz für die kommende digitale Zentralbankwährung. Man wolle die „Politik der digitalen Brieftasche unter Verwendung der Blockchain-Technologie vorantreiben“, sagte der stellvertretende Generalsekretär Paopoom Rojanasakul. Die Thailändische Notenbank ist hier noch in der Erprobungsphase.

Interessanterweise hat sich die Bank of Thailand teilweise gegen das Vorhaben ausgesprochen. Hauptgrund sind die hohen Kosten von schätzungsweise 560 Milliarden Baht (rund 16 Milliarden Dollar), wodurch die – in den letzten zwei Jahrzehnten meist solide – Budgetplanung und Verschuldungssituation der Regierung in Gefahr geriete. Zugleich weist die Notenbank aber auf positive Mulitplikator-Effekte hin. Man erwartet durch die Maßnahme ein Mehrwachstum von bis zu 3 Prozent.

Die Konjunktur Thailands könnte den Stimulus durchaus gebrauchen. Das Bruttoinlandsprodukt ist 2022 nur um 2,6 Prozent gewachsen – ein niedriger Wert für ein Schwellenland im ASEAN-Raum. Auch die Erwartungen für das Gesamtjahr 2023 mussten revidiert werden. Statt 4 Prozent wie noch zu Jahresbeginn, rechnen Analysten nach einem schwachen zweiten Quartal mittlerweile nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von circa 3,5 Prozent. Positiv hervorzuheben ist der sich normalisierende Tourismussektor und das Industrievertrauen, welches so hoch ist wie zuletzt vor 10 Jahren.

Der Betrag von 300 Dollar wirkt nicht besonders groß, macht jedoch für die meisten Thailänder einen Großteil des monatlichen Einkommens aus. Derweil ist Privatverschuldung ein traditionelles Problem im Land, sodass einige das digitale Handgeld dazu nutzen dürften, um die Schuldenlast zu verringern. In den Modellen der Notenbank ist letzterer Aspekt wohl zu kurz gekommen. Außerdem besteht das Risiko, dass das Geldgeschenk die zuletzt extrem zurückgelaufene Inflation (aktuell 0,9 Prozent) wieder anheizt, so wie es mit ähnlichen Maßnahmen in Ungarn geschehen ist.

CBDCs verbreiten sich zunehmend

Qualitativ sind die Währungs-Pläne auch im globalen Maßstab bedeutend. Thailand ist hinter Indonesien die zweitgrößte Volkswirtschaft des boomenden südostasiatischen Raums, mit der stabilsten Währung aller Schwellenländer weltweit.

Der Vorstoß kommt zu einem Zeitpunkt, in dem weltweit die ersten digitalen Zentralbankwährungen (CBDCs) in Umlauf kommen. Rund um den Globus haben bereits zwölf Länder Digitalversionen ihrer Währungen eingeführt und laut Reuters arbeiten über 130 Staaten aktiv daran. Einige BRICS-Staaten treiben die Entwicklung besonders stark voran. Besonders fortschrittlich sind hier China und Indien.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Jakob Schmidt

                                                                            ***

Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.

DWN
Technologie
Technologie Cloudflare-Störung: Internetdienste X und ChatGPT massiv betroffen
18.11.2025

Die Cloudflare-Dienste sind seit dem Mittag weltweit massiv gestört, betroffen sind darunter große Plattformen wie X und ChatGPT. Das...

DWN
Finanzen
Finanzen Nokia-Aktie und Nvidia-Aktie im Fokus: Wie die Partnerschaft 5G-Wachstum antreibt
18.11.2025

Die einst vor allem für Handys bekannte Nokia hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und rückt nun wieder in den Fokus von...

DWN
Finanzen
Finanzen Vestas-Aktie im Minus: So sollen 900 gezielte Entlassungen die Ertragsziele stützen
18.11.2025

Die Vestas-Aktie steht derzeit unter Druck. Dass das Unternehmen weltweit 900 Bürostellen abbaut, scheint den Anlegern auch Sorgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Erfolg im Job: Warum Diplome nicht mehr über Karrierechancen entscheiden
18.11.2025

Die Anforderungen an Fachkräfte haben sich deutlich verändert, und Arbeitgeber legen zunehmend Wert auf Fähigkeiten, Persönlichkeit und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht unter 90.000 US-Dollar: Kryptomarkt in extremer Angst
18.11.2025

Der Bitcoin-Kurs ist tief gefallen und löst weltweit Unruhe unter Anlegern aus. Der Fear-and-Greed-Index warnt vor extremer Angst am...

DWN
Technologie
Technologie Digitale Souveränität in Europa: Beckedahl kritisiert Bundesregierung
18.11.2025

Deutschland feiert neue Google- und Microsoft-Rechenzentren, während die digitale Abhängigkeit von US-Konzernen wächst. Der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Selbstständige in Deutschland: Von der Politik vergessen – jeder fünfte Selbstständige steht vor dem Aus
18.11.2025

Die Zahlen sind alarmierend: Jeder fünfte Selbstständige in Deutschland steht vor dem Aus, während die Großwirtschaft auf Erholung...

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie klettert: Kapitalmarkttag, Rekordaufträge und politische Impulse
18.11.2025

Die Rheinmetall-Aktie legt am Dienstag kräftig zu. Ambitionierte Ziele, politischer Rückenwind und ein mit Spannung erwarteter...