Beim Industriekonzern Thyssenkrupp hat der Aufsichtsrat gegen die Stimmen aller Arbeitnehmervertreter den Vorstand um zwei Posten erweitert. Der Beschluss des Aufsichtsgremiums vom Mittwoch stieß bei den Arbeitnehmern auf scharfe Kritik. "Zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens werden Vorstände trotz der geschlossenen Ablehnung der Arbeitnehmerseite bestellt", hieß es in einer von der IG Metall am Mittwochabend veröffentlichten Mitteilung.
Der Aufsichtsrat des Industriekonzerns hatte die beiden neuen Vorstände am Mittwoch mit den Stimmen der Anteilseignervertreter bestimmt. Sie erweitern den bislang aus drei Mitgliedern bestehenden Vorstand. Volkmar Dinstuhl, zuletzt Chef des inzwischen aufgelösten Segments Multi Tracks und zuständig für Zu- und Verkaufsprojekte wird ebenso zum 1. Januar in den Vorstand berufen wie Ilse Henne. Die Managerin ist derzeit im Vorstand der Handelssparte.
Die Arbeitnehmerseite kritisiert vor allem, dass die Erweiterung des Vorstandes den laufenden Sparprogrammen widerspreche. "Auch ein Dutzend Vorstände wird dieses Unternehmen nicht gegen die eigenen Mitarbeitenden führen können. Wasser predigen und Wein trinken wird nicht zum Erfolg führen", hieß es. Bei derselben Sitzung war die Wahl des Schott-Finanzvorstandes Jens Schulte zum Nachfolger des scheidenden Finanzvorstands Klaus Keysberg einstimmig erfolgt. Der Wechsel ist für die zweite Hälfte des Geschäftsjahres 2023/24 (30. September) geplant.
Die Arbeitnehmerbank sprach in ihrer Mitteilung von einem "Kulturbruch in der Mitbestimmung" und einer "Zäsur". Die Anteilseigner und der neue CEO López hätten mit der bewährten Mitbestimmungspraxis bei Thyssenkrupp gebrochen. Dies werde Spuren hinterlassen und dem bislang ausgewogenen und konstruktiven Dialog im Aufsichtsrat dauerhaft Schaden zufügen.
Wie Thyssenkrupp mitteilte, soll mit der Bestellung der Vorstand stärker auf die operative Leistung sowie auf die Weiterentwicklung des Portfolios ausgerichtet werden. Die Neuausrichtung beinhaltet auch, dass die Sparten von Thyssenkrupp künftig einzelnen Vorstandsmitgliedern zugeordnet werden.
Größte Einzelaktionärin von Thyssenkrupp ist die Krupp-Stiftung mit einem Anteil von 21 Prozent. Deren Kuratoriumsvorsitzende Ursula Gather ist Mitglied des 20-köpfigen Aufsichtsrats. Die Stiftung begrüßte die angekündigte Vorstandserweiterung am Donnerstag ausdrücklich. In der neuen Aufstellung könne das sich gut ergänzende Gremium optimal mit dem herausfordernden Umfeld umgehen, teilte die Stiftung in Essen mit. Das laufende Performanceprogramm könne damit zielgerichtet fortgesetzt werden.
Milliardenschwere Abschreibungen
Milliardenschwere Abschreibungen auf das Stahlgeschäft hatten Thyssenkrupp im vergangenen Geschäftsjahr tief in die roten Zahlen gedrückt. Unter dem Strich stand 2022/23 (per Ende September) ein Nettoverlust von rund zwei Milliarden Euro zu Buche, wie das Unternehmen am Mittwoch in Essen mitteilte.
Die Wertberichtigungen auf das Anlagevermögen der Tochter Steel Europe bezifferte Thyssenkrupp auf 2,1 Milliarden Euro. Die Abschreibungen seien wegen der konjunkturbedingt eingetrübten Umfelds sowie höherer Kapitalkosten nötig geworden, hieß es. Thyssenkrupp hatte ursprünglich einen "mindestens" ausgeglichenen Jahresüberschuss in Aussicht gestellt, nach einem Gewinn von 1,2 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Aktionäre sollen dank eines deutlich verbesserten Mittelzuflusses dennoch eine unveränderte Dividende von 0,15 Euro je Aktie erhalten.
Sinkende Stahlpreise und gleichzeitig gestiegene Rohstoff- und Energiekosten belasteten das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit), welches von knapp 2,1 Milliarden auf 703 Millionen Euro sank und damit in etwa die durchschnittlichen Erwartungen der Analysten erfüllte. Der Umsatz sank um neun Prozent auf 37,5 Milliarden Euro. Dabei verzeichnete Thyssenkrupp im Schlussquartal nochmal deutliche Rückgänge.
Im neuen Geschäftsjahr will Thyssenkrupp wieder in die Gewinnzone zurückkehren. So erwartet das Unternehmen einen Jahresüberschuss im niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Dabei geht das Management um Konzernchef Miguel López von einem anhaltend schwierigen konjunkturellem Umfeld aus. Das bereinigte Ebit soll auf einen hohen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag steigen, den Umsatz sieht Thyssenkrupp leicht wachsen.