Politik

Bahn-Streik: Züge stehen ab Mittwoch still – Entscheidung endgültig

Lesezeit: 4 min
09.01.2024 20:09  Aktualisiert: 09.01.2024 20:09
Bahn-Streik, schon wieder - und jetzt endgültig! Das Landesarbeitsgericht Frankfurt hat in zweiter Instanz bestätigt: Die Gewerkschaft der Deutschen Lokführer (GDL) darf den Bahnstreik durchziehen. Was das für Güter- und Personenverkehr bedeutet!
Bahn-Streik: Züge stehen ab Mittwoch still – Entscheidung endgültig
Ein Zug steht im Hauptbahnhof Hannover am frühen Morgen an einem menschenleeren Bahnsteig. +++ dpa-Bildfunk +++

Nach der Entscheidung des Arbeitsgerichtes Frankfurt vom Montag hat nun auch das Landesarbeitsgericht Frankfurt in zweiter Instanz bestätigt: Die Gewerkschaft der Deutschen Lokführer (GDL) darf den Bahnstreik durchziehen. Los geht es bei der DB Cargo im Güterverkehr, ab Mittwochnacht folgt der Streik im Personenverkehr. Der GDL-Streik ist bis einschließlich Freitag geplant.

Die genehmigten Streikmaßnahmen betreffen nicht nur Pendler, Geschäftsreisende und Urlauber, die sich auf erhebliche Behinderungen einstellen müssen. Durch die Bestreikung des schienengebundenen Frachtverkehrs sind unmittelbare Auswirkungen für die Liefer- und Versorgungsketten aller Industrien in Deutschland und auch europäischer Nachbarländer zu erwarten. Immerhin führen sechs von zehn Korridore des europäischen Güterverkehrs durch Deutschland.

Bahn-Streik: Mittwoch weitreichende Verzögerungen

Die DB Cargo ist das größte Güterbahnunternehmen in ganz Europa. Sie fährt wöchentlich bis zu 20.000 Güterzüge in ihrem europäischen Netz. In Deutschland gehen fast ein Fünftel (18 Prozent) aller Warentransporte über die Schiene. Durch den Streik ist ferner auch mit weitreichenden Verzögerungen im Paketversand zu rechnen. Ein Sprecher der DB Cargo teilte bereits mit, dass es nach einem Streikende viele Tage und bis zu Wochen dauern könnte, bis die Logistiknetzwerke über die Bahn wieder reibungslos funktionieren.

Der Güterverkehr wird direkt nach Urteilsverkündung bestreikt, im Personenverkehr läuft der Streik am Mittwochmorgen um 2 Uhr. Der Streik der GDL soll dann am Freitag um 18 Uhr enden.

Industrie- und Energieunternehmen in der Klemme

Fällt der deutsche Schienengüterverkehr aus, kommen durch die fehlenden Warenlieferungen gleich mehrere Branchen in starke Bedrängnis. Die 15 deutschen großen Steinkohlekraftwerke müssen sich darauf einstellen, nicht versorgt zu werden. Auch den Stahlproduzenten droht nach einem mehrtägigen Streik der Bahn im Güterverkehr ein Totalausfall an den Hochöfen. So benötigt alleine das Arcelor Stahlwerk in Eisenhüttenstadt jeden Tag drei bis vier ganze Güterzüge mit jeweils 300 Tonnen Kohle – mit Bahnstreik unmöglich.

Diese großen Mengen können nicht durch LKW-Trucks geliefert werden, für jeden ausgefallenen Güterzug müssten dabei 100 LKWs für die Lieferung eingesetzt werden. Stehen die Hochöfen erst einmal still, brauchen sie mehrere Wochen, bis sie wieder voll einsatzfähig sind. Dadurch können langfristige Versorgungsengpässe entstehen.

Chemie- und Automobilhersteller stark betroffen

Auch Chemie- und Automobilhersteller kommen in Schwierigkeiten. Hier sind die Produktionsprozesse besonders eng getaktet und die Unternehmen sind auf „Just-in-time“-Lieferungen angewiesen. Werden bestimmte Vorprodukte in der Chemieindustrie nicht im 24-Stunden-Rhythmus angeliefert, kommt es zu Produktionsstillständen. Dies wiederum führt zu Ausfällen in weiteren Branchen, wie z. B. Lebensmittel-, Arzneimittel-, Baustoff- oder Verpackungsindustrie.

In der Automobilindustrie sind die Lager ebenfalls nur für sehr kurze Produktionszeiten von bis zu 24 Stunden gefüllt. VW, Mercedes und auch Seat sind Großkunden bei DB Cargo. Bei mehrtägigen Lieferausfällen stehen die Bänder still. Ferner sind auch Rückstaus bei den Fertigprodukten zu erwarten, da die Autos dann nicht, wie geplant, an die entsprechenden Seehäfen für den Export geliefert werden können.

Deutsche Post setzt auf LKW-Transport

Auch bei der Deutschen Post befürchtet man Probleme durch den Bahnstreik. Immerhin sechs Prozent aller DHL-Pakete werden über die Schiene verteilt. DB Cargo fährt deshalb wöchentlich 52 Paketzüge durch Deutschland. Jeder dieser Züge ist mit ca. 100.000 Paketen beladen, die durch den Bahnstreik nun deutlich verspätet ankommen werden. Zeitkritische Lieferungen sollen deshalb über die Straße transportiert werden. Allerdings wird auch hier mit Schwierigkeiten zu rechnen sein, da sich viele Frachtunternehmen aktuell an den Protesten der Landwirte beteiligen und auch für die Verkehrssituation auf der Straße diese Woche mit erheblichen Behinderungen gerechnet werden muss.

BGL startet ebenfalls Aktionswoche

Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) hat ebenfalls am 8. Januar eine Aktionswoche gestartet, die mit Demonstrationen in den Landeshauptstädten begann. Die Organisation begründet dies mit den frustrierenden Rahmenbedingungen der Speditionsbranche, die seit Dezember eine deutlich höhere LKW-Maut zu verkraften hat. Hinzu kommen steigende Dieselpreise aufgrund der CO2-Abgabe. Außerdem verlangen die Demonstranten mehr Investitionen in Straßen und Parkplätze.

Bahn-Streik: Notfahrplan für den Personenverkehr

Die Bahn hat bereits angekündigt, dass im Personenverkehr für die Streiktage ein Notfallplan für den Fern- und Regionalverkehr und teilweise auch für den S-Bahnverkehr aufgestellt wird. Dieser wird jedoch nur ein sehr begrenztes Angebot an Zügen enthalten. Die Deutsche Bahn ruft alle Reisenden dazu auf, auf nicht notwendige Bahnfahrten zu verzichten und diese zu verschieben.

Reisende, die ihre geplante Bahnfahrt zwischen Mittwoch und Freitag verschieben wollen, können bereits gekaufte Tickets zu einem späteren Zeitpunkt nutzen. Bestehende Zugbindungen sind somit aufgehoben, wie die Deutsche Bahn mitteilte. Fahrgäste des Fernverkehrs konnten ihre Reise auch vorverlegen. Ferner können Sitzplatzreservierungen kostenlos storniert werden.

Auch der S-Bahnverkehr ist teilweise von den Streikmaßnahmen betroffen, da die Bahn einige Strecken im Regionalverkehr nach Mecklenburg-Vorpommern bedient. Insbesondere Hamburg und Rostock müssen sich auf Ausfälle einstellen. Aber auch in Berlin und anderen Großstädten kann es zu massiven Einschränkungen kommen.

Der Bahn-Notfahrplan der Bahn sieht vor, längere Züge im Fernverkehr einzusetzen und damit mehr Sitzplätze zur Verfügung zu stellen. Allerdings kann die Mitfahrt in den Zügen nicht garantiert werden. Ein stark reduziertes Angebot ist auch im Regionalverkehr zu erwarten, wobei sich der Umfang der Zugangebote hierbei regional sehr unterscheiden kann. Die Bahn fordert Reisende dazu auf, sich 24 Stunden vor einer geplanten Fahrt an den Streiktagen über die Verfügbarkeit der Reiseverbindung erneut zu informieren.

Bahnstreik: Aktuelles zum Tarifkampf zwischen GDL und Deutscher Bahn

Dreh- und Angelpunkt des Tarifstreits zwischen GDL und Deutscher Bahn ist die Forderung der Gewerkschaft zu einer Reduzierung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. In einem neuen Angebot seitens der Deutschen Bahn wurde jetzt erstmals die reduzierte Arbeitszeit berücksichtigt, jedoch ist sie nicht bereit, dafür auch denselben Lohn zu bezahlen. In ihrem neuen Angebot bietet sie alternativ dazu an, bestehende Wahlmöglichkeiten bei den Arbeitszeitmodellen zu erweitern. Dabei beinhalten die Modelle Wahlmöglichkeiten zwischen mehr Urlaub und mehr Lohn. Aus Sicht der GDL ist dies jedoch nicht akzeptabel, da die Deutsche Bahn bei einer Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden auch das Gehalt entsprechend absenken will.

GDL fordert zusätzliche Lohnerhöhung und Inflationsausgleich

Die Forderungen der GDL gehen jedoch über die Verkürzung der Wochenarbeitszeit hinaus. Gefordert werden zusätzlich 555 Euro mehr pro Monat für die Tarifbeschäftigten sowie eine zusätzliche Inflationsausgleichsprämie, die steuer- und abgabenfrei gestaltet sein soll. Die Deutsche Bahn hat für diese Forderungen bislang 11 Prozent mehr Lohn in Aussicht gestellt.

Der anstehende dreitägige Streik ist nun bereits der Dritte in diesem Tarifstreit. Nach dem ersten Warnstreik im November letzten Jahres war es Anfang Dezember dann zu einem eintägigen Warnstreik gekommen, bei dem der Personen- und Güterverkehr weitgehend zum Erliegen kam.

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