Finanzen

Steuerlast in Deutschland - die finanzielle Realität im Sozialstaat

Lesezeit: 3 min
21.01.2024 19:40
Deutschland an der Spitze – doch zu welchem Preis? Hohe Einkommen schwinden unter der enormen Last von Steuern und Abgaben, vom Gehalt bleibt oft wenig übrig. Erfahren Sie, wie indirekte Steuern Ihren Alltag unbemerkt verteuern und selbst Gutverdienern den finanziellen Spielraum rauben. Ein Blick hinter die Kulissen verdeutlicht, wer wirklich vom Sozialstaat profitiert.
Steuerlast in Deutschland - die finanzielle Realität im Sozialstaat
Steuerlast in Deutschland - die finanzielle Realität im Sozialstaat (Foto: dpa)

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Steuern  

Stellen Sie sich vor, ein erheblicher Anteil Ihres mühsam verdienten Gehalts verflüchtigt sich, bevor Sie es überhaupt in den Händen halten können. In Deutschland, dem Land mit einem der komplexesten und belastendsten Steuersysteme der Welt, ist dies die harte Realität. Unter den führenden Industrienationen zählt Deutschland zu den Ländern mit den höchsten Steuern. Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit 38 Ländern legt offen: Alleinstehende Arbeitnehmer ohne Kinder in Deutschland tragen fast die höchste Steuer- und Abgabenlast weltweit – nur Belgien übertrifft uns hier.

Steuerlast: Beispiel aus der Praxis

Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Ein Berliner Single in Steuerklasse 1, gesetzlich versichert, ohne Kirchensteuer, mit einem Bruttojahresgehalt von 45.816 Euro. Nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben bleiben ihm lediglich rund 29.770 Euro übrig – das sind monatlich etwa 2.481 Euro. Was viele nicht wissen: Der Arbeitgeber muss insgesamt 55.162,32 Euro pro Jahr aufbringen. Effektiv landen also nur rund 53-Prozent des Bruttogehalts in der Tasche des Arbeitnehmers.

Das wahre Ausmaß dieser Belastung wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass monatlich etwa 35-Prozent des Bruttoeinkommens für Einkommensteuer und Sozialabgaben anfallen – das sind 1.336 Euro. Und der durchschnittliche deutsche Haushalt? Der gibt laut Statistischem Bundesamt zudem rund 70-Prozent seines Nettoeinkommens für steuerpflichtige Waren und Dienstleistungen aus. Das Fazit: Ein erheblicher Teil des Bruttolohns landet, direkt oder indirekt, wieder beim Staat.

Direkte Steuern: Hier schlägt der Staat offensichtlich zu!

Dieses Beispiel zeigt die im internationalen Maßstab beachtliche Steuer- und Abgabenlast in Deutschland. Aber wie setzt sich diese hohe Belastung im Einzelnen zusammen? Von der Einkommensteuer bis zur Mehrwertsteuer - das deutsche Steuersystem ist ein komplexes Geflecht aus direkten und indirekten Steuern.

Die direkten Steuern, die direkt auf Einkommen, Vermögen oder Gewinne von Einzelpersonen und Unternehmen anfallen, sind das Rückgrat dieses Systems. Hierzu gehören nicht nur die bekannte Einkommen- und Körperschaftssteuer, sondern auch eine Vielzahl anderer Steuern wie Grundsteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Kfz-Steuer und sogar speziellere Abgaben wie Hundesteuer, Jagd- und Fischereisteuer, Vergnügungssteuer und Zweitwohnungssteuer.

Besonders die Einkommensteuer zeigt die Dynamik des Systems. Seit ihrer ersten Einführung im Jahr 1958 hat das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW Köln) zahlreiche Anpassungen dokumentiert. In Deutschland beginnt der Eingangssteuersatz in 2024 bei 14-Prozent, klettert auf 42-Prozent für höhere Einkommen ab 66.761 Euro und erreicht schließlich 45-Prozent für die sogenannte Reichensteuer, die ab 277.826 Euro jährlich fällig wird. Dazu kommt der Solidaritätszuschlag, der einst zur Finanzierung der deutschen Wiedervereinigung eingeführt wurde.

Zu diesen direkten Steuern kommen die Sozialversicherungsbeiträge, die die Gesamtbelastung der Bürger noch weiter in die Höhe treiben. Diese umfassen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (2,4-Prozent), Rentenversicherung (18,6-Prozent), gesetzliche Krankenversicherung (14,6-Prozent) und Pflegeversicherung (3,4- Prozent). Das Ergebnis ist eine der höchsten Steuer- und Abgabenlasten im internationalen Vergleich.

Indirekte Steuern: Die versteckten Steuern!

Während die direkten Steuern unmittelbar aus Ihrem Einkommen abgezogen werden, schleichen sich die indirekten Steuern fast unbemerkt in den Alltag ein. Sie verstecken sich in den Preisen der Waren und Dienstleistungen, die wir täglich konsumieren.

Die Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) spielt hierbei eine zentrale Rolle, mit einem Standardsteuersatz von 19-Prozent auf die meisten Produkte und Dienstleistungen und einem ermäßigten Satz von 7-Prozent auf lebensnotwendige Güter wie Bücher und öffentliche Verkehrsmittel. Doch das ist noch nicht alles: Die Energiesteuer auf Treibstoffe wie Benzin und Diesel, sowie auf Heizöl und Erdgas, mit spezifischen Sätzen wie 65,45 Cent pro Liter für Benzin, lässt die Kosten weiter steigen.

Dazu kommen weitere indirekte Steuern: Die Tabaksteuer (ca. 3,80 Euro pro Zigarettenpackung), die Alkoholsteuer (Pro Liter reinen Alkohol werden 13,03 Euro erhoben) und die Kfz-Steuer, die sich nach Hubraum und CO2-Emissionen richtet (z.B. 108 Euro jährlich für einen Benziner mit 1400 ccm). Die Versicherungssteuer beträgt 19-Prozent auf die meisten Versicherungsprämien, ausgenommen Lebens- und Krankenversicherungen. Bei Flugreisen wird eine Flugticketsteuer erhoben, die für Kurzstreckenflüge bis 2.500 km etwa 13 Euro pro Ticket beträgt. Nicht zu vergessen die Schaumweinsteuer von 1,02 Euro pro Viertelliter für Schaumwein und weinähnliche Getränke.

Diese indirekten Steuern beeinträchtigen nicht nur unsere individuelle Kaufkraft und verteuern unseren Alltag, sondern wirken sich auch auf die gesamte Wirtschaft aus. Sie können Investitionen und Konsum dämpfen, während hohe Lohnnebenkosten die Arbeitskosten in die Höhe treiben. Dies wiederum kann Unternehmen davon abhalten, neue Mitarbeiter einzustellen oder höhere Löhne zu zahlen. Auf der anderen Seite fordern Arbeitnehmer in Zeiten inflationsbedingter Preissteigerungen zu Recht höhere Gehälter, da vom ursprünglichen Bruttolohn durchschnittlich nur noch die Hälfte übrigbleibt.

Arbeitnehmer können weniger sparen, dafür profitieren Leistungsempfänger!

Was sich nicht leugnen lässt: Trotz scheinbar hoher Einkommen schrumpft das verfügbare Einkommen vieler Bürger durch hohe Abgaben, steigende Konsumausgaben und Lebenshaltungskosten erheblich. Diese Realität macht keinen Halt vor Einkommensklassen – selbst diejenigen, die gut verdienen, haben immer weniger von ihrem Einkommen zur Verfügung.

In einer Zeit, in der die Inflation die Preise in die Höhe treibt, erscheinen die Empfänger von Bürgergeld paradoxerweise als die wahren Gewinner. Mit einer monatlichen Grundsicherung von 502 Euro und der Übernahme von Kosten für Wohnraum, Energie, Kranken- und Pflegeversicherung durch den Staat, stehen sie oft besser da als manch Vollzeitbeschäftigter mit niedrigem bis mittlerem Einkommen – besonders, wenn Kinder im Spiel sind.

Hier stellt sich die große Frage: Erfüllt unser Sozialstaat noch seinen ursprünglichen Zweck, eine gerechte Verteilung der Ressourcen und Chancengleichheit zu gewährleisten? Es ist eine Gratwanderung zwischen sozialer Gerechtigkeit und der Belastung derer, die durch ihre Arbeit den Großteil der Last tragen. In einer Gesellschaft, die sich stetig wandelt und mit wachsenden Zuwanderungszahlen konfrontiert ist, wächst die Unzufriedenheit unter den Arbeitenden. Wie sozial muss und kann ein Staat sein, ohne seine Leistungsträger zu überfordern?

Die Antwort auf diese Frage wird die Zukunft bringen. Deutschland steht vor der Herausforderung, sein Steuersystem so anzupassen, dass es sowohl fiskalische Nachhaltigkeit als auch soziale Gerechtigkeit gewährleistet – eine Aufgabe, die ebenso komplex wie entscheidend für das Wohl unserer Gesellschaft ist.


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