Im Rennen um den Hauptsitz dieser kontrovers diskutierten Behörde konkurriert Deutschland mit acht weiteren Ländern. Ein Wettstreit mit potenziell weitreichenden Eingriffen in die Privatsphäre vermögender Bürger Europas.
Mit der bevorstehenden Gründung der Anti-Money-Laundering Authority (AMLA) zeichnet sich in Europa eine neue Ära der Finanzüberwachung ab. Diese neue EU-Behörde, die als Herzstück eines EU-weiten Überwachungssystems gegen Geldwäsche dient, soll weitreichende Befugnisse erhalten – von Zugängen zu Registern über wirtschaftlich Berechtigte und Vermögenswerte bis hin zu umfassenden Aufsichts- und Ermittlungsbefugnissen.
Die AMLA steht nicht nur für die Bekämpfung illegaler Geldströme und Terrorismusfinanzierung, sondern auch für eine intensivierte Koordination zwischen nationalen und europäischen Institutionen, einschließlich Europol und der Financial Intelligence Unit beim deutschen Zoll (FIU).
Noch ist zwar offen, wann genau die AMLA ihre Arbeit aufnehmen wird und welcher der neun Bewerberstädte – darunter Frankfurt am Main, Brüssel, Madrid und Paris – den Zuschlag für den Behördensitz erhält. Allerdings rückt die Implementierung der AMLA immer näher. Die bevorstehende öffentliche Präsentation der Bewerberstädte und die anschließende geheime Abstimmung im EU-Parlament und unter den Staats- und Regierungschefs markieren einen entscheidenden Schritt in Richtung einer verstärkten europäischen Finanzaufsicht. Wird Frankfurt am Main potenzieller Dreh- und Angelpunkt der neuen Super-Behörde?
AMLA-Hauptsitz: Frankfurt am Main im Rennen für die neue Behörde
Finanzminister Christian Lindner hebt die Vorzüge Frankfurts als potenziellen Hauptsitz der AMLA hervor, indem er auf die erstklassige Infrastruktur, moderne Technologie, den qualifizierten Talentepool und die Nähe zu wichtigen europäischen Institutionen wie der EZB und EIOPA verweist. Lindner betont, dass diese Faktoren Frankfurt zu einem effizienten und synergetischen Standort für die AMLA machen würden – ein Vorteil, der in anderen europäischen Städten möglicherweise fehlt.
Doch diese Sichtweise ist nicht unumstritten. Rasmus Andresen, Delegationssprecher der Grünen im Europaparlament, hinterfragt insbesondere Lindners Ansatz in der Anti-Geldwäsche-Politik. Trotz der grundsätzlichen Eignung Frankfurts als Standort, könnten Lindners bisherige Zurückhaltung bei strengen Anti-Geldwäsche-Regelungen und der Ruf Deutschlands als Geldwäscheparadies die Bewerbung schwächen. Deutschland gilt als Geldwäscheparadies, da es trotz seiner starken Wirtschaft und hohen Finanzströme lange Zeit relativ laxe Gesetze und unzureichende Kontrollen im Kampf gegen illegale Geldströme aufwies.
Es wird sich zeigen, ob diese Bedenken Deutschlands Chancen schmälern. Trotz starker Konkurrenz aus anderen europäischen Städten, könnte Frankfurt dank seiner wirtschaftlichen und politischen Bedeutung in der EU, gepaart mit einer hochentwickelten Finanzinfrastruktur und tiefgreifender Expertise im Finanzsektor, gute Chancen auf den AMLA-Hauptsitz haben.
Erfassung von Vermögensdaten: Zwischen Sicherheit und Privatsphäre
Doch welche Anti-Geldwäsche-Regulierungen sind geplant und wie wird die AMLA-Behörde effektiv arbeiten? Beabsichtigt ist eine umfassende Erfassung von Vermögenswerten, die von Immobilienbesitz, über Fahrzeuge, Jachten, Bargeldbeständen, bis hin zu Kryptowährungen und Luxusgütern wie Schmuck, Antiquitäten und Kunstwerken reicht. in Vorschlag ist die Meldepflicht für alle Vermögensgegenstände über 200.000 Euro, was die Überwachung erheblich erweitern würde – ein Vorhaben, das insbesondere bei Vermögenden Besorgnis auslöst.
Rechtsanwalt Fabian Fritsch aus der Hamburger Hafencity-Kanzlei sieht noch keinen Grund zur Panik, warnt jedoch vor den Risiken einer möglichen „Besteuerung des Gesamtvermögens und der Klassifizierung von Vermögen“. Angesichts der Diskussionen um eine einheitliche Vermögenssteuer oder eines Lastenausgleichs, besonders im Kontext der Klimakrise in Südeuropa, betont Fritsch: „Eine funktionierende EU wird die entstehenden Lasten gemeinsam schultern müssen und das muss finanziert werden.“
Markus Krall, ehemaliger Degussa-Chef, äußert sich noch kritischer. Er vermutet, dass das eigentliche Ziel hinter der AMLA die Konfiszierung von Werten sei, da Kriminelle ohnehin außerhalb des gesetzlichen Rahmens agieren. Krall sieht in den Maßnahmen weniger eine Bekämpfung von Geldwäsche als vielmehr eine Einziehung von Vermögen. Angesichts des hohen Finanzbedarfs der EU-Staaten ist dieses Szenario nicht völlig unwahrscheinlich. Sobald alle Bürgerdaten erfasst sind, könnte ein Schritt hin zu Umverteilungsmaßnahmen oder einem Social Scoring nach dem chinesischen Modell nur noch gering sein. Krall ist überzeugt, dass „etwas Ähnliches früher oder später auf alle Bürger ausgeweitet wird".
Dagegen rechtfertigt die Politik die beabsichtigten Überwachungsmaßnahmen mit dem Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität. Die Absicht ist klar: Illegal erwirtschaftetes Geld, ob aus Drogenhandel, Korruption oder anderen kriminellen Quellen, soll nicht länger im Wirtschaftskreislauf untertauchen können.
AMLA: 2024 könnte die Anti-Geldwäsche-Behörde ihre Arbeit aufnehmen!
Allerdings darf man die Effektivität dieser Maßnahmen bezweifeln, insbesondere angesichts von Europol-Schätzungen, die verdächtige Finanzaktivitäten auf nur etwa 1-Prozent des jährlichen EU-Bruttoinlandsprodukts beziffern. In Anbetracht dieser geringen Zahl und der Unwahrscheinlichkeit, dass Kriminelle ihre Vermögenswerte offenlegen, muss die Notwendigkeit einer umfassenden Vermögenserfassung kritisch hinterfragt werden.
Es gilt ein Gleichgewicht zwischen effektiver Geldwäsche-Bekämpfung und dem Schutz der Privatsphäre sowie der Grundrechte der Bürger finden, wobei Datenschutz und individuelle Freiheiten an oberster Stelle stehen müssen. Nur so kann die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit in der europäischen Gemeinschaft gewährleistet werden. In jedem Falle zeigt die Einrichtung der AMLA das Engagement der EU für eine verstärkte Vermögensüberwachung. Welche Rolle Frankfurt am Main in diesem neuen Kapitel der Finanzpolitik spielen wird, bleibt abzuwarten.
Der Beschluss der EU-Politikzentrale vom 16. Juli 2021 markierte den Startschuss für ein europäisches Vermögensregister. Mit der Verabschiedung von drei wegweisenden Gesetzesentwürfen wurden die Weichen für diese Initiative gestellt. Diese Vorschläge werden aktuell in den EU-Gremien diskutiert. Ziel ist es, die neue Geldwäschebekämpfungsbehörde bis 2024 einsatzbereit zu machen und kurz darauf mit der direkten Aufsicht zu beginnen.