Politiker mehrerer Parteien in Deutschland haben sich besorgt über die mögliche Gründung eines Ablegers der türkischen AKP-Partei für die kommende Europawahl gezeigt.
Der CDU-Innenexperte Christoph de Vries sagte der Bild am Sonntag, die Bundesregierung sollte diese Parteigründung "unter keinen Umständen auf die leichte Schulter nehmen". Es sei dringend geboten, dass die Sicherheitsbehörden alle Aktivitäten dieser Partei und ihre Verbindungen zur türkischen Regierung genauestens beobachten und einschreiten, wenn es zu einer direkten Einflussnahme der türkischen Regierung komme.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte am Sonntag Welt-TV:: "Für mich ist es wichtig, dass wir gerade unseren türkischstämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland deutlich machen, dass Deutschland zusammengehört, dass wir ein Volk sind, dass wir es weder zulassen werden, dass Kräfte wie jetzt diese rechtsextremistischen Netzwerke in die Nähe der Macht kommen, die Migrantinnen und Migranten deportieren wollen, aber natürlich auch nicht die spalterischen Tendenzen eines Recep Tayyip Erdogan hier eine Rolle spielen dürfen."
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) schrieb am Sonntag auf der Plattform X (vormals Twitter): "Ein Erdogan-Ableger, der hier zu Wahlen antritt, ist das Letzte, was wir brauchen."
Hintergrund ist ein Bericht der Bild am Sonntag über die Gründung einer "türkisch-islamistischen Partei" mit der Bezeichnung DAVA (Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch). Der Zeitung liegt nach eigenen Angaben die Gründungserklärung vor. Als Spitzenkandidaten für die Europawahl seien vier Männer benannt, die früher für die islamisch-konservativen Regierungspartei AKP von Präsident Erdogan oder deren Vorfeldorganisationen tätig gewesen sein sollen.
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) warnte auf der Plattform X (vormals Twitter), ein Erdogan-AKP-Ableger in Deutschland, "das wäre eine weitere extreme Partei im Land".
Einflussnahme auf deutsche Politik - dank Doppelstaatlichkeit
"Ich sehe das mit allergrößter Skepsis", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, am Dienstag in Berlin. "Es zeigt sich ein stückweit, dass gerade die Änderung des Staatsbürgerschaftsrecht ein kategorialer Fehler war", fügte er mit Blick auf die ausgeweitete Doppelstaatlichkeit hinzu. "Dies wird ein weiteres Einfallstor auch für ausländische Einflussnahme auf die deutsche Politik."
"Wir müssen auch da als Rechtsstaat ganz genau hinschauen", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr den Sendern RTL/ntv. Politischer Wettbewerb sei gut, aber wenn es um Parteien gehe, die Verfassung oder Grundrechte infrage stellen könnte, müsse man das hinterfragen, betonte der FDP-Politiker.
Die immer stärkere Ausdifferenzierung des Parteienspektrums mache eine Mehrheitsbildung zudem nicht leichter, sagte der CDU-Politiker Frei. Er fügte aber hinzu, dass nicht absehbar sei, ob eine solche Partei überhaupt Erfolg haben würde. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte am Montag gesagt, dass man zunächst abwarten solle, "ob diese Partei in irgendeiner Form hier Relevanz bekommt".