Schick ist es und total zweckmäßig. Wer heutzutage seine Wohnung einrichtet, sollte gleich auch bei der Einrichtung neue Wege gehen. 55 Quadratmeter für ein Pärchen? Das reicht locker, wenn man für die Realisierung der eigenen Wohnträume auf möglichst intelligente Möbel zurückgreift, zum Beispiel ein „Ori“ ins Zimmer zu integrieren. Ganz so wie schon in der japanischen Papierfalz-Kunst Origami angelegt, ist das von Designer Yves Béhar gestylte und auf Knopfdruck wandlungsfähige Wohnmodul Bett, Schreibtisch und Schrank zugleich. „In Metropolen haben Menschen immer weniger Wohnraum“, weiß sein Erfinder. Oder sie entscheiden sich bewusst, mit weniger Platz auszukommen. Selbst in den USA, wo Behars Möbelstück seit 2016 im Handel ist.
Gabi Scholz aus Berlin-Köpenick ist unlängst aus ihrer Villa ausgezogen, weil sie im Alter nun lieber reisen will, statt den Garten zu pflegen. Sich beim Hausverkauf und Umzug in eine neue Mietwohnung von über 150 auf nur 70 Quadratmeter zu reduzieren, fiel ihr gar nicht schwer. Sie ließ sich Einbauschränke maßfertigen, weil sie in ihrem Dachgeschoss nun viel mehr Fenster als Stellfläche hat. Gerade die sonst eher ungenutzten Nischen oder der Flurbereich wurden mit pfiffigen Lösungen ausgenutzt, die dem Apartment nicht nur Individualität, sondern hohen Nutzwert verleihen. „Ich hätte nicht gedacht, dass mir die Veränderung so guttut und leicht fällt“, sagt sie gegenüber den DWN. Jeder könne anders leben, wenn er nur „die alten Zöpfe abschneidet und mit der Zeit geht“, davon ist die rüstige Rentnerin inzwischen zutiefst überzeugt.
Platz machen durch Wohnungstausch oder Förderprogramm „Jung kauft Alt“
Platz schaffen für die nächste Generation, macht natürlich nicht nur ökonomisch Sinn, sondern gebietet auch die soziale Verantwortung. Immer wieder wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert, wie junge Familien mit Rentnern Wohnungen in den Großstädten tauschen könnten, ohne dass am Ende sich nur der Vermieter die Hände reibt und destruktiv auf Vertragstreue pocht. Der Mieterverein Berlin weiß, dass es bestenfalls Einzelfälle beispielsweise in der Hauptstadt sind, wo das unkompliziert klappt. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hofft nun mit ihrem neuen Programm „Jung kauft Alt“ wenigstens in den Vororten Bewegung auszulösen und die Krise am Wohnungsmarkt in Ansätzen zu lockern. Dafür stehen bei der KfW-Bank Fördergelder von 350 Millionen Euro bereit, um Erwerb und Sanierung alter Häuser zu unterstützen. Man wird sehen, ob es in der Praxis greift oder aber wie beim Wohnungstausch ein Rohrkrepierer bleibt.
Der Faktor Ökologie und Nachhaltigkeit ist am Immobilienmarkt zur bestimmenden Maxime geworden. Deutschland ist bereits ein dicht besiedeltes Land und dennoch werden täglich weitere Flächen versiegelt – also betoniert, zementiert, asphaltiert. Dass es so nicht endlos weitergehen kann, ist eigentlich allen klar. Doch auch hier gilt die Hausordnung, die besagt: Not in my Backyard, das altbekannte Sankt-Florian-Prinzip. Die Mehrzahl der Bürger Deutschlands wünscht sich persönlich, in einem freistehenden Einfamilienhaus zu wohnen. Mit einem weitläufigen Garten und genügend Freizeitqualität – da der Grillplatz, Platz für das Trampolin der Kinder oder gar einen eigenen Spielplatz für die Freunde aus der Nachbarschaft. Für manche sollte es sogar ein eigener Swimmingpool sein, die Doppelgarage nicht zu vergessen. Dass das allen Erkenntnissen des Klimaschutzes widerspricht, ist eine Binsenweisheit. Aber wer hält sich daran, wenn es um das kleine Glück im eigenen Häuschen oder den deutschen Traum vom schicken Eigenheim geht?
Wohnen im Einfamilienhaus mit Garten: Der deutsche Traum im Kopf ist unverändert
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat die Anspruchshaltung hinreichend analysiert und mit einer umfassenden Umfrage in der Bevölkerung unterlegt. Die Erkenntnis daraus: Wenn die Träume vom schicken Eigenheim unbezahlbar werden, müssen wohl oder übel Kompromisse geschlossen werden. Das heißt nicht zwingend, dass man sich mit einer Geschosswohnung in einem Plattenbau begnügen muss. Deutschland ist bereits zersiedelt, bebaubare Flächen gibt es eigentlich genügend. Die Grundstücke müssen besser ausgenutzt werden, leerstehende Altbauten in Dörfern und Kleinstädten saniert, restauriert und gegebenenfalls erweitert werden. Die Behörden sind längst angehalten, derlei Bauanträge wohlwollend zu prüfen.
Nicht wenige Architekten sagen, dass beispielsweise bei Baudenkmalen, die es zu ertüchtigen gilt, eher mal beim Amt ein Auge zugedrückt wird – beim Schallschutz, der Belüftung oder den anderen über 5.000 Bauvorschriften. Das Umdenken in der Verwaltung wurde lange nur diskutiert, doch mittlerweile scheint es angekommen in den Köpfen, beteuerten leitende Referenten im November 2023 vernehmlich in Berlin auf einer Veranstaltung des Deutschen Verbands für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DW). Dachgeschoss-Ausbau, Umbau-Projekte von Gewerbebauten, Lückenschließungen, alles soll ermöglicht werden – Abriss als ultima Ratio.
Nicht jedes Siedlungshaus von früher lässt sich ohne weiteres zum Mehrfamilienhaus umbauen, weiß Architekt Florian Nagler, der an der TU München den Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren innehat. Er hat an seinem geerbten Siedlungshaus aus den 1930er-Jahren während der Corona-Zeit eine Wohnung als Büro für 25 Mitarbeiter hergerichtet – auf derselben Fläche. Inzwischen entsteht in seinem geliebten Garten ein „Neubau mit schmalem Fußabdruck“, erzählte er Mitte Februar bei einem Vortrag zum Thema „Einfach (um)bauen“. Das Haus seiner Eltern mit 250 Quadratmetern sei indessen so verbaut, dass auch ihm keine rechte Lösung einfällt, wie man es geschickt umbauen könnte. Nicht jedes Einfamilienhaus kann sich in ein Duplex verwandeln.
Sehr viele Häuser aber schon! Die Verdichtung und Reduzierung auf das Wesentliche müsse endlich wieder ins Bewusstsein der Bauunternehmer, aber auch der Architekten zurückkehren. „Ich bin kein Technik-Feind, aber ein Gebäude ist kein Handy“, es muss nicht vollgepfropft mit Spielereien sein, sondern solide und haltbar gebaut oder umgebaut werden. Nagler fordert vor allem eine Rückbesinnung auf althergebrachte Baustoffe wie Holz und Lehm, die sich wunderbar zur Konstruktion eignen und voll wieder verwertbar sind. Ganz im Gegensatz zu den Dämmplatten, mit der Deutschland gerade den „Sondermüll der nächsten 50er-Jahre“ verklebt.
Baugrundstücke sind rar, Rückbesinnung auf Reihenhäuser wäre eine Alternative
Die Experten des Kölner IW halten – ökonomisch betrachtet – auch eine Rückbesinnung auf das klassische Reihenhaus durchaus für eine veritable Lösung. Kompakte Bauten, die dem Wissenschaftler Christian Oberst vorschweben, müssen dabei keineswegs so bieder aussehen, wie das Haus unserer Großeltern mit ihrem muffigen 1950er-Jahre-Charme. Das sogenannte Bremer Haus zum Beispiel, scheint es jederzeit als Alternative mit Bungalows aufnehmen zu können. Mitte des 19. Jahrhunderts bis anno 1930 wurden sie nach englischem Vorbild als Bürgerhäuser in den damaligen Vororten der Hansestadt gebaut. Inzwischen sind sie citynah das Must-have der Bremer Lehrerschaft und der Freiberufler, die unten im Office ihrem Versorgungs- oder Dienstleistungsauftrag nachgehen und oben selbst wohnen.
Als Neubauten sind sie aber auch als Berliner Stadthäuser seit fast 20 Jahren neben dem Auswärtigen Amt auf dem Friedrichswerder zu bewundern. Der damalige Senatsbaudirektor von Berlin, Hans Stimmann, hatte sie auf einem brachliegenden Block als seltenes Reurbanisierungs-Experiment durchgesetzt. Ein Stück Lübecker Marzipan im sonst von der Berliner Traufhöhe dominierten Einerlei der Innenstadt. Man wünschte sich, die Hauptstadt hätte noch weitere Flächen für derlei Musterhäuser in der Hinterhand. Doch die Kleingarten-Anlagen in den deutschen Großstädten gelten nun mal als sakrosankt, deshalb wird es selbst beim komprimierten Bau von Einfamilienhäusern um die Randlagen gehen – und die suburbane Vorort-Idylle.
Und auch beim Bau von Mehrfamilienhäusern geht es zwingend um Zahlen und Ziffern. Die Krise am deutschen Wohnungsmarkt wurde zwar durch die Inflation und plötzlich kräftig erhöhte Zinsen ausgelöst, im Kern dreht es sich aber um einen in Deutschland mit Sozialleistungen wie dem Wohngeld verdecktem Grund-Widerspruch des Bauens. Es rechnet sich einfach nicht.
Die Kostenmiete ist nicht verhandelbar, nur durch Subventionen kaschiert
Der Herstellungspreis pro Quadratmeter und der rechnerische Grundstücksanteil sind die bestimmenden Faktoren – non négociable, wie die Wahrheiten in der Diplomatensprache freundlich, aber bestimmt formuliert werden. Die Kostenmiete ist das, worauf es kaufmännisch ankommt, sie muss refinanziert werden. Der freie Markt ist hierbei längst aus den Fugen geraten. Mit dem Bau von Sozialwohnungen, wie von linken Politikern gefordert, oder der Enteignung von Wohnungsbau-Gesellschaften wie Deutsche Wohnen bzw. des an der Börse notierten Vonovia-Konzerns wären die Probleme auch nicht gelöst. Vater Staat kann gar nicht so viel neu bauen oder für die gebotene Klima-Ertüchtigung ausgeben, wie es am Immobilienmarkt bundesweit erforderlich ist. Ohne privates Kapital wird die Schere zwischen Mieten, Grundstückspreisen, den Baukosten und dem zum Wohnen und Leben verfügbaren Einkommen weiter auseinandergehen.
Lesen Sie morgen im 2. Teil, wie man sich auch in überfüllten Städten noch eine Wohnung leisten kann.