Politik

Regierung beschließt Rentenpaket - doch aus der Wirtschaft hagelt es Kritik

Beschluss nach langem Streit: Olaf Scholz und die Ministerrunde ebnen den Weg für die Rentenreform. Nun ist der Bundestag am Zug. In Wirtschaftskreisen kommt das Rentenpaket alles andere als gut an.
29.05.2024 12:59
Aktualisiert: 29.05.2024 13:03
Lesezeit: 3 min

Das Bundeskabinett hat das Rentenpaket II beschlossen. Die Ministerrunde machte am Mittwoch den Weg für die Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) frei, wie es aus Regierungskreisen hieß.

Zuvor hatte die Koalition monatelang über die Pläne gerungen. Das Finanzressort blockierte den Gesetzentwurf zuletzt noch im Streit um den Bundeshaushalt. Mit dem Kabinettsbeschluss ist nun der Bundestag am Zug. Das Bundeskanzleramt hatte zuvor die Länder um Fristverkürzung gebeten, so dass der Bundesrat die Reform bereits in seiner Sitzung am 5. Juli beraten kann.

Mit dem Rentenpaket soll festgeschrieben werden, dass die Renten auch künftig im Einklang mit den Löhnen in Deutschland steigen. Dazu soll das Rentenniveau bei 48 Prozent fixiert werden. Zudem soll ein Generationenkapital eingerichtet werden: Die Regierung will bis Mitte der 2030er Jahre mindestens 200 Milliarden Euro größtenteils aus Schulden des Bundes am Aktienmarkt anlegen. Mit den Zinserträgen soll der erwartete deutliche Anstieg der Rentenbeiträge gedämpft werden.

Heil kommentierte: „Damit investieren wir in den Sozialstaat und in die soziale Sicherheit von morgen.“ Lindner sprach bei einem separaten Auftritt von einer „Zäsur“ in der Rentenpolitik: „Mit dem Rentenpaket II beginnen wir jetzt, die internationalen Kapitalmärkte für unsere Altersvorsorge arbeiten zu lassen.“

Die Frage nach darüber hinausgehenden Reformschritten hat Heil bereits am Vortag verneint. Lindner und die FDP hatte bereits im Vorfeld der Entscheidung ein drittes Rentenpaket gefordert, allerdings unter anderem um dort noch mehr für das Aktienkapital zu tun. Lindner hält auch weiter Schritte gegen den prognostizierten Beitragsanstieg für nötig. „Und deshalb ist das Rentenpaket II von heute der Vorläufer des Rentenpakets III und des Rentenpakets IV, des Rentenpakets V, jedenfalls weiterer Anstrengungen, die Beiträge für die Bürgerinnen und Bürger in den 30er Jahren zu begrenzen“, sagte Lindner.

Rentenreform heftig umstritten

Heftige Kritik entzündete sich an den hohen Kosten der Rentenpläne. Laut Gesetzentwurf steigen die Rentenausgaben mit der Reform bis 2045 von 372 auf 802 Milliarden Euro. Der Unions-Arbeitsmarktexperte Stephan Stracke (CSU) sagte: „Mit dem Rentenpaket II kündigt die Bundesregierung den Generationenvertrag in der Rente auf.“ Zusätzlich zu den massiven Beitragssatzsteigerungen infolge des demografischen Wandels bringe die Bundesregierung Milliarden-Mehrbelastungen für Beschäftigte und Unternehmen auf den Weg. „Damit heizt sie die ungebrochene Ausgabendynamik bei den Sozialversicherungsbeiträgen weiter an.“

Noch härter als die Opposition geht die Wirtschaft mit der Rentenreform ins Gericht. Vor dem Kabinettsbeschluss zur Rentenreform hatten Arbeitgeber und die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, ihre scharfe Kritik an den Plänen bekräftigt. Schnitzer kritisierte, das Rentenpaket II sei nicht generationengerecht „und schon gar nicht der benötigte große Wurf, um das Rentensystem langfristig zu stabilisieren“.

Die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sagte, die Zugeständnisse an die Rentnerinnen und Rentner gingen vollständig zulasten der jüngeren Generationen, „die bereits in absehbarer Zeit mit steigenden Sozialabgaben zur Pflege- und Krankenversicherung belastet werden“, so Schnitzer. „Statt die Kopplung des Rentenniveaus an die Lohnentwicklung dauerhaft zu fixieren, sollten die Rentenanstiege begrenzt werden, zum Beispiel, indem die Renten nicht mehr an die Löhne, sondern an die Inflation gekoppelt werden“, forderte sie.

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Arbeitgeberverbände, Rainer Dulger, sagte dem Spiegel: „Die Zeche zahlen die Jüngeren. Ihnen werden die Kosten für den demografischen Wandel aufgebürdet.“

Das Ifo-Institut wirft der Bundesregierung eine „fatale Rentenpolitik“ vor. Angesichts des demografischen Faktors sei das Rentenniveau von 48 Prozent und das Aussetzen des Nachhaltigkeitsfaktors realitätsfremd, sagte Ifo-Forscher Niklas Potrafke in München. „In Deutschland müssen sich immer weniger Junge um immer mehr Alte kümmern. Wenn sich die Bevölkerungsstruktur so entwickelt, müssen die Renten deutlich langsamer steigen.“

Das Rentenpaket der Koalition mache zusätzliche Steuerzuschüsse für die Rentenkassen nötig. Dieses Geld fehle für Investitionen in Straßen, Bildung und Verteidigung. Dringend notwendig wäre vielmehr eine Anpassung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung. Wenn die Bevölkerung älter werde, müsse auch der Renteneintritt später erfolgen. Gesellschaft und Politik würden diese Tatsachen seit Jahren verdrängen.

Der Sozialverband Deutschland pocht hingegen darauf, es sei wichtig, dass das Paket auch in der jetzigen Form vom Bundestag verabschiedet wird. „Ich fordere alle Beteiligten dazu auf, den koalitionsinternen Streit beizulegen“, sagte Verbandschefin Michaela Engelmeier dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die geplante Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent sei enorm wichtig. Zugleich reiche diese aber nicht aus, um Altersarmut wirksam zu bekämpfen. „Um einen vernünftigen Lebensstandard im Rentenalter zu sichern, braucht es langfristig ein Rentenniveau von 53 Prozent sowie eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen.“

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