Politik

Rabatte für gesundes Verhalten? BGH prüft BU-Versicherungstarif

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe befasst sich am Mittwoch mit einem speziellen Tarif einer Berufsunfähigkeits-Versicherung der Generali-Versicherung. Dieser BU-Tarif, der gesundheitsbewusstes Verhalten von Versicherten belohnt, steht im Kreuzfeuer der Kritik von Verbraucherschützern.
13.06.2024 06:22
Lesezeit: 2 min

Gutscheine fürs Joggen, Rabatte für die Vorsorgeuntersuchung - seit Jahren üben Verbraucherschützer Kritik an einem Programm des Versicherers Generali , das Versicherte für gesundheitsbewusstes Verhalten mit Gutscheinen und Vergünstigungen belohnt. Am Mittwoch beschäftigt sich nun der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe mit dem sogenannten Telematiktarif in einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick

Was ist ein Telematiktarif?

Als Telematiktarife werden Tarife bezeichnet, bei denen das Verhalten eines Versicherten etwa über eine App verfolgt wird. Die Höhe der Versicherungsprämie wird dann auf Grundlage dieser Daten bestimmt. "Bekannt sind solche Programme bisher vor allem bei Kfz-Versicherungen, die den Fahrstil bewerten", sagt der Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten (BdV), Stephen Rehmke. "Versicherer zeichnen das Verhalten ihrer Kundinnen und Kunden auf, analysieren die Daten und belohnen verminderte Risiken mit Rabatten auf die Prämien." Der beklagte Tarif ziele hingegen auf Gesundheits- und Fitnessdaten der Versicherten und damit auf einen "sehr persönlichen Lebensbereich", so Rehmke.

Um welchen Tarif geht es am BGH?

Im konkreten Fall klagt der BdV gegen einen Tarif der Generali-Tochter Dialog Lebensversicherungen, der die Mitgliedschaft in dem Gesundheitsprogramm der Generali voraussetzt. Versicherte sammeln dort Punkte, wenn sie zum Beispiel Sport machen oder zum Arzt gehen. Die Daten werden über eine App erfasst, als Belohnung für ein gesundheitsbewusstes Leben winken Gutscheine und Vergünstigungen bei Partnerunternehmen. Je nach Punktezahl erhalten Versicherte zudem den Status "Bronze", "Silber", "Gold" oder "Platin" - der wiederum Auswirkungen auf die Höhe der zu zahlenden Versicherungsprämie hat. Wer den Platin- oder Gold-Status erreiche, zahle weniger als im Vorjahr, teilte Generali der dpa mit. Über Veränderungen des zu zahlenden Beitrags würden Kundinnen und Kunden informiert.

Was kritisieren die Verbraucherschützer?

Der BdV hält mehrere Regelungen des Tarifs für unwirksam, weil sie intransparent seien und die Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligten. So könnten die Verbraucher etwa "nicht genau in Erfahrung bringen, welches konkrete Verhalten zu welchen tatsächlichen Vergünstigungen führt", sagt BdV-Vorstand Rehmke. Außerdem werde verschleiert, dass die sogenannte Überschussbeteiligung der Versicherten auch trotz gesundheitsbewussten Verhaltens ausbleiben könne, wenn der Versicherer nicht ausreichend Erträge erziele. Unfair sei auch, dass entsprechende Aktivitäten nicht berücksichtigt würden, wenn die Fitnessdaten zu spät geliefert würden - "egal, ob das die Kundin versäumt hat oder die Technik beim Versicherer versagt hat", so Rehmke.

Was soll die Klage bewirken?

Mit der Klage will der BdV auch Verbraucherinnen und Verbraucher sensibilisieren. "Es ist problematisch, persönlichste Daten an Versicherer zu übermitteln, wenn man nicht einmal konkret weiß, was mit den Daten geschieht und was man davon überhaupt hat", warnt Rehmke. Auch in der privaten Krankenversicherung gebe es etwa Überlegungen zu verhaltensbasierten Tarifen. "Käme es dazu, würden die Fitten und Gesunden belohnt, die Anfälligen und Kranken hätten das Nachsehen. Wir hielten das für eine fatale Entwicklung für den Solidaritätsgedanken bei Versicherungen, der davon getragen wird, dass die Starken die Schwachen unterstützen". Auch deshalb habe der BdV einen skeptischen Blick auf das Programm der Generali geworfen. Die Klage hatte in den Vorinstanzen am Landgericht und Oberlandesgericht München Erfolg.

Was sagt die Generali-Versicherung?

Die Generali-Versicherung weist darauf hin, dass das Berufungsgericht keine Bedenken an dem Versicherungsprodukt an sich und dem Prinzip, dass gesundheitsbewusstes Verhalten berücksichtigt wird, geäußert habe. "Das Gericht erachtet lediglich zwei Teilklauseln innerhalb der Regelung zur Überschussbeteiligung für unwirksam". Dass diese Rabatte trotz gesundem Verhalten nicht garantiert werden könnten, sei "in der Natur der Überschussbeteiligung selbst begründet", so das Unternehmen. Schließlich seien Überschüsse eben jene Gewinne, die über die kalkulierte Garantie hinaus entstünden. Mit dem Fitness-Tarif können diese Überschüsse laut Generali den Versicherten zugutekommen, die durch gesundheitsbewusstes Verhalten maßgeblich zu ihrer Entstehung beitrugen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Wendepunkt: Wirtschaftsmodell zerbricht, Polen rückt vor
25.04.2025

Deutschlands Wirtschaftsmaschinerie galt jahrzehntelang als unaufhaltsam. Doch wie Dr. Krzysztof Mazur im Gespräch mit Polityka...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China im Handelskrieg: Regierung bereitet sich auf das Schlimmste vor
25.04.2025

Chinas Führung bereitet sich inmitten des eskalierenden Handelskonflikts mit den USA auf mögliche Härtefälle vor. In einer Sitzung des...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Pharmazeutische Abwanderung: Wie Europa seine Innovationskraft verloren hat – und sie zurückgewinnen kann
25.04.2025

Europas einst führende Rolle in der Pharmaforschung schwindet – während andere Regionen aufholen, drohen Abhängigkeit und...

DWN
Politik
Politik Trump deutet historischen Kompromiss an: Russland will Ukraine nicht vollständig besetzen
25.04.2025

Moskau signalisiert Rückzugsbereitschaft – wenn der Westen zentrale Forderungen erfüllt.

DWN
Finanzen
Finanzen Sozialleistungen belasten Haushalt: Staatsquote steigt erneut
25.04.2025

Höhere Ausgaben des Staates für Sozialleistungen wie Renten, Pflege- und Bürgergeld haben den Anteil der Staatsausgaben im Verhältnis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hat Trump mit seiner Einschätzung des deutschen Überschusses recht?
25.04.2025

Trumps Zollpolitik trifft auf deutsche Überschüsse – doch die wahren Ursachen für das Handelsungleichgewicht liegen tiefer.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Crash-Gefahr an den US-Börsen: Fondsmanager warnt vor historischem Einbruch von bis zu 50 Prozent
25.04.2025

Die Unsicherheit an den globalen Finanzmärkten nimmt spürbar zu. Ein renommierter Fondsmanager schlägt nun Alarm: Der US-Aktienmarkt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lyft attackiert Uber: Neuer Mobilitäts-Gigant übernimmt FreeNow und greift Europa an
25.04.2025

Der Mobilitätskampf in Europa geht in eine neue Runde – und diesmal kommt die Herausforderung von der anderen Seite des Atlantiks: Lyft,...