Wirtschaft

Russland will SWIFT entmachten: Starten BRICS-Staaten Zahlungsrevolution?

Die BRICS-Staaten erwägen alternative Zahlungssysteme zu SWIFT, um ihre finanzielle Unabhängigkeit zu stärken. Mit der digitalen Plattform „BRICS Bridge“ und dem iranischen Vorschlag zur Verknüpfung nationaler Systeme steht viel auf dem Spiel. Aber können diese Pläne wirklich die Dominanz von SWIFT brechen?
Autor
12.08.2024 10:58
Aktualisiert: 12.08.2024 11:00
Lesezeit: 6 min
Russland will SWIFT entmachten: Starten BRICS-Staaten Zahlungsrevolution?
Der Hauptsitz des Banken-Kommunikationsnetzwerks SWIFT in der Nähe von Brüssel. (Foto: dpa) Foto: James Arthur Gekiere

Seit 2017 denken die BRICS-Staaten über eine Alternative zu SWIFT nach. Statt einer gemeinsamen Währung favorisieren sie nun die Nutzung nationaler Währungen und die Entwicklung einer digitalen Zahlungsplattform wie „BRICS Bridge“. Diese Initiative könnte den Handel innerhalb der BRICS-Staaten erleichtern, steht jedoch vor erheblichen Herausforderungen. DWN haben sich mit dem Thema befasst.

Alternative zu SWIFT: Erste Überlegungen seit 2017

Schon 2017 wurden die Überlegungen zur Einführung einer gemeinsamen BRICS-Kryptowährung angestoßen. Die russische Zentralbank plante, 2018 Gespräche mit den BRICS-Staaten und der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) darüber zu führen.

Schon damals waren russische Experten skeptisch und befürchteten, dass die Länder ihre geldpolitische Kontrolle aufgeben müssten. Mansur Gusejnow, Direktor des Fonds Cryptolife in Russland, erklärte:

„Es gab bereits Währungen wie das ECU* oder die Sonderziehungsrechte (SZR)**. Diese Währungen haben sich nicht durchgesetzt, weil die Staaten ihre geldpolitische Kontrolle behalten wollen. Der Euro wurde erst dann allgemein akzeptiert, als die EU auf nationale Währungen verzichtete. Das wird bei Kryptowährungen nicht anders sein.“

Gusejnow hatte recht – das zeigt sich jetzt. Die BRICS-Staaten sind gegen die Einführung gemeinsamer Kryptowährungen, da sie befürchten, ihre geldpolitische Kontrolle zu verlieren. Beispielsweise könnte die Implementierung einer solchen Kryptowährung dazu führen, dass die zentralen Banken der BRICS-Staaten weniger Einfluss auf ihre jeweiligen nationalen Währungen und deren Wert haben. Russland hat jedoch bereits eine alternative Lösung vorgeschlagen.

Digitale Zahlungsplattform für BRICS: „Eine Bombe im besten Sinne des Wortes“

Im Frühjahr dieses Jahres wuchs die Skepsis innerhalb der BRICS-Staaten bezüglich der Einführung einer gemeinsamen Währung. Stattdessen haben sich Länder wie Indien und Brasilien klar für eine andere Form der Finanzintegration ausgesprochen: den verstärkten Einsatz nationaler Währungen im gegenseitigen Handel.

Der brasilianische Finanzminister Fernando Haddad betonte die Bedeutung lokaler Währungen für den Handel innerhalb der BRICS. Auch der südafrikanische Finanzminister Enoch Godongwana erklärte, dass keine Verhandlungen über die Schaffung einer neuen Reservewährung stattfinden. Eine solche Währung würde die Einrichtung einer BRICS-Zentralbank erfordern und damit die geldpolitische Unabhängigkeit der Mitgliedstaaten gefährden.

Russland hat auf diese Bedenken reagiert und den Fokus auf die Entwicklung eines digitalen Zahlungsplattform für BRICS verlagert. Laut der Vorsitzenden des russischen Föderationsrates, Walentina Matwijenko, eine digitale Zahlungsplattform namens „BRICS Bridge“ befindet sich in der fortgeschrittenen Planungsphase, schreibt russische Nachrichtenagentur TASS. Diese unabhängige Plattform könnte den Handel zwischen den BRICS-Ländern revolutionieren, denkt sie, und sagt, dass eine solche Plattform „eine Bombe im besten Sinne des Wortes“ sein könnte.

Matwijenko drückte die Hoffnung aus, dass dieses Thema im Oktober auf dem Gipfel der BRICS-Staatschefs in Kasan behandelt wird:

„Vielleicht wird es bereits genehmigt, oder in jedem Fall diskutiert und eine Entscheidung getroffen, wann und in welchem Format und in welchem Zeitrahmen dies weiterentwickelt werden soll. Das heißt, dieser Prozess ist nicht mehr theoretisch. Er wird aktiv praktisch vorangetrieben“, sagte die Vorsitzende des Föderationsrats.

Der Minister für Finanzen, Anton Siluanov, erklärte in Juni, wie das neue System funktionieren soll, hieß es in der russischen Tageszeitung Vedomosti.ru. Es wird vorgeschlagen, dass Zentralbanken digitale Finanzaktiva herausgeben, die ähnlich wie Token sind, so der Minister. Verschiedene Vorschläge werden hinsichtlich der Sicherstellung solcher DFA geprüft. Einer der Hauptansätze ist, den Wert dieser DFA an die nationalen Währungen der Länder zu koppeln. Teilnehmer an den Zahlungen, wie zum Beispiel Unternehmen, werden diese Infrastruktur auch als Alternative zu traditionellen Zahlungsabwicklungen nutzen. Es geht nicht um die Schaffung eines einheitlichen Zahlungsinstruments für die BRICS-Staaten, sondern um die Nutzung moderner technischer Lösungen zur Vereinfachung und Verbesserung der Zahlungs-Abwicklungsverfahren.

Angebot aus Iran: Zahlungssysteme der BRICS-Länder verbinden

Der iranische Außenministeriums-Sprecher Nasser Kanani hat bekannt gegeben, dass Teheran vorgeschlagen hat, die Zahlungssysteme der BRICS-Länder nach dem Vorbild der Integration der russischen „Mir“-Karte und des iranischen Shetab-Systems zu verbinden. Die Initiative wurde von Moskau positiv aufgenommen.

Der Iran hat bereits seine nationalen Zahlungssysteme mit Russland über die Zentralbanken beider Länder verknüpft, wodurch Handelsabrechnungen in nationalen Währungen möglich wurden. Jetzt schlägt Teheran vor, dieses System auf die BRICS-Länder auszuweiten.

Russland hat bereits ein eigenes SWIFT-ähnliches System namens SPFS (System for Transfer of Financial Messages) entwickelt, das seit 2014 in Betrieb ist. Seit dem 1. Oktober 2023 ist es russischen Banken verboten, SWIFT für Überweisungen innerhalb des Landes zu verwenden. Sie sind verpflichtet, solche Transaktionen ausschließlich über die russische Finanzinfrastruktur abzuwickeln.

Stand Januar 2024 sind 557 Banken und Unternehmen aus 20 Ländern an das russische Äquivalent zu SWIFT – das System zur Übermittlung von Finanznachrichten (SPFS) der Bank von Russland – angeschlossen, schreibt die Nachrichtenplattform rbc.ru.

Russland versucht auch alternative Wege, aber Experten sind skeptisch

Russland versucht auch andere Wege zu finden, um die Verschärfung des Problems der Außenhandelszahlungen unter den Bedingungen westlicher Sanktionen zu lösen. So wurde ein Gesetzentwurf über die Zulassung von Zweigstellen ausländischer Banken auf dem russischen Markt Mitte Juli 2024 in die Staatsduma eingebracht.

Wie Wladimir Tschistjuchin, erster stellvertretender Vorsitzender der Zentralbank, im Juni auf einer Sitzung des St. Petersburger Internationalen Rechtsforums erklärte, muss Russland unter den Bedingungen der Sanktionen alle, auch unpopuläre, Zahlungsmethoden entwickeln, um das Problem der internationalen Überweisungen zu lösen. Andernfalls könnte die exportorientierte Wirtschaft „zugrunde gehen“.

Ob die Zulassung von Zweigstellen ausländischer Banken nun bei der Lösung des Problems internationaler Zahlungen helfen wird, lässt sich noch nicht eindeutig beantworten. So denkt Alexej Portanski, Professor für Handelspolitik an der Moskauer Wirtschaftshochschule. Gemäß dem Gesetzentwurf wird es den Zweigstellen ausländischer Banken nicht erlaubt sein, Bankgeschäfte und Transaktionen mit Privatpersonen, einschließlich solcher, die als Einzelunternehmer registriert sind, durchzuführen. Eine Ausnahme gilt für Geldüberweisungen ohne Eröffnung von Bankkonten und für den An- und Verkauf von Fremdwährungen in bar und in unbarer Form. Im letzteren Fall ist der An- und Verkauf von Fremdwährungen nur für Überweisungen ohne Eröffnung von Bankkonten zulässig. Lesen Sie hier mehr über den russischen Bankenmarkt.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu weiteren Einschränkungen kommen wird, die letztlich die Tätigkeit ausländischer Banken in der Russischen Föderation aushöhlen und damit potenziellen Bankpartnern das Interesse an einer Tätigkeit im Land nehmen könnten, sagt Portanski. Darüber hinaus ist im Gesetzentwurf nur von Banken aus befreundeten Ländern die Rede.

Die Länder können sich nicht einigen: Wie stehen die Chancen für neue Zahlungsplattform?

Zunächst einige Zahlen und Fakten über SWIFT, um klarzustellen, mit wem Russland und andere BRICS-Länder konkurrieren möchten. SWIFT wurde in 1973 gegründet und bereits im Jahr 1977 waren 518 Institutionen aus 22 Ländern an SWIFT angeschlossen.

SWIFT koordiniert Transaktionen zwischen etwa 11.000 Banken, Brokerhäusern, Börsen und anderen Finanzinstituten in rund 200 Ländern durch den Austausch von SWIFT-Nachrichten. Im Jahr 2017 wurden täglich 26,71 Millionen SWIFT-Nachrichten verschickt, und das tägliche Geldvolumen, das 2005 bei etwa 6 Billionen Dollar (4,8 Billionen Euro) lag, stieg 2018 auf etwa 35,62 Billionen Euro.

Russland strebt nun an, ein alternatives System zu SWIFT zu entwickeln, um in diesem Bereich zu konkurrieren. Technisch gesehen könnte dies möglich sein, da Russland über eine kompetente IT-Expertise verfügt. Doch es gibt erhebliche Herausforderungen, die über die technische Machbarkeit hinausgehen.

Um andere Länder für eine solche digitale Plattform zu gewinnen, müsste Russland ein System schaffen, das nicht nur vergleichbar, sondern besser als SWIFT ist. Dies ist besonders anspruchsvoll, wenn man bedenkt, dass SWIFT seit 50 Jahren etabliert ist und eine umfassende Infrastruktur aufgebaut hat.

Zusätzlich besteht ein weiteres Problem: Die BRICS-Staaten verfolgen unterschiedliche nationale Interessen, was ihre Zusammenarbeit erschwert. Seit sieben Jahren wird darüber diskutiert, alternative Systeme zu SWIFT zu entwickeln, doch es hat sich bisher wenig verändert. Zuerst war die Rede von einer BRICS-Kryptowährung, dann kam die Idee einer digitalen Plattform auf.

Die BRICS-Staaten haben unterschiedliche wirtschaftliche Interessen und politische Prioritäten, was die Koordination und Zusammenarbeit erschwert. Russland, China, Indien, Brasilien und Südafrika haben unterschiedliche wirtschaftliche Realitäten und strategische Ziele. Dies könnte dazu führen, dass sich die Länder schwer tun, sich auf ein gemeinsames System zu einigen oder es zu implementieren.

Ein bedeutendes Problem ist die Frage der Währungsumrechnung und die Akzeptanz von Währungen. Während China und Russland möglicherweise bereit sind, in Yuan oder Rubel zu handeln, könnte die Integration anderer Währungen wie zum Beispiel der indischen Rupie komplex und problematisch sein. Das Risiko von Wechselkurs-Volatilität und unterschiedlichen monetären Politiken könnte zusätzliche Hürden darstellen.

Ein neues globales Zahlungssystem müsste nicht nur sicher sein, sondern auch internationalen regulatorischen Standards entsprechen. Die Einhaltung von Vorschriften und die Vermeidung von Geldwäsche und anderen finanziellen Missbräuchen sind entscheidend. SWIFT hat bereits umfassende Compliance-Strukturen entwickelt, und ein neues System müsste ebenfalls strenge Standards erfüllen, um von den internationalen Finanzaufsichtsbehörden akzeptiert zu werden.

Die Integration eines neuen Systems erfordert nicht nur technische und regulatorische Anpassungen, sondern auch kulturelle Akzeptanz. Finanzinstitute und ihre Kunden sind oft konservativ und zögerlich bei der Einführung neuer Technologien, insbesondere wenn es um so kritische Bereiche wie internationale Überweisungen geht.

Die Vorstellung, dass Russland und andere BRICS-Staaten ein neues System entwickeln, das SWIFT ersetzt oder übertrifft, ist technisch und theoretisch möglich, aber die praktischen Hürden sind erheblich. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Bemühungen entwickeln und ob diese Länder tatsächlich in der Lage sein werden, eine praktikable und breit akzeptierte Alternative zu SWIFT zu schaffen. Könnte der Wunsch nach Unabhängigkeit so stark sein, dass die Länder bereit sind, einen Kompromiss einzugehen? Die Frage bleibt offen.

*Der ECU (European Currency Unit) war von 1979 bis 1998 die Währungseinheit der Europäischen Gemeinschaften, die später zur Europäischen Union wurde, und diente als Vorläufer des Euro. Am 1. Januar 1999 wurde der ECU im Umrechnungsverhältnis 1:1 durch den Euro abgelöst.

**Das Sonderziehungsrecht (SZR), auch bekannt als Special Drawing Right (SDR) im Englischen, wurde 1969 vom Internationalen Währungsfonds (IWF) eingeführt. Es stellt ein Reserveguthaben dar und gewährt den IWF-Mitgliedern das Recht, frei verfügbare Währungen zu beanspruchen.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Iana Roth

                                                                            ***

Iana Roth ist Redakteurin bei den DWN und schreibt über Steuern, Recht und HR-Themen. Zuvor war sie als Personalsachbearbeiterin tätig. Davor arbeitete sie mehrere Jahre als Autorin für einen russischen Verlag, der Fachliteratur vor allem für Buchhalter und Juristen produziert.

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Buffett kauft Google, Bitcoin stürzt ab - beginnt jetzt der große Marktumbruch?
17.11.2025

Die Märkte taumeln und die Nvidia-Aktie wird in wenigen Tagen zum Brennpunkt der globalen Finanzwelt. Kleinanleger überraschen die Wall...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs aktuell: Absturz unter 93.500 Dollar verunsichert Anleger – geht der Krypto-Crash weiter?
17.11.2025

Der Bitcoin erlebt turbulente Tage: Kursabstürze, Liquiditätsstress und widersprüchliche Analystenstimmen prägen die Lage. Während...

DWN
Panorama
Panorama Globale Anti-Tabak-Strategien unter Druck: WHO-Konferenz warnt vor Rückschritten
17.11.2025

Eine weltweite Initiative zur Eindämmung von Tabak- und Nikotinprodukten steht vor Herausforderungen: Trotz internationaler Abkommen setzt...

DWN
Finanzen
Finanzen Wachstum unter EU-Durchschnitt: Deutsche Wirtschaft 2026 mit vorsichtiger Erholung
17.11.2025

Die deutsche Wirtschaft startet 2026 voraussichtlich wieder durch, bleibt aber hinter dem europäischen Durchschnitt zurück. Laut der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Reiche besucht Golfstaaten: Investitionen, Erdgas und Partnerschaften im Fokus
17.11.2025

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche reist mit einer Wirtschaftsdelegation in die Golfregion, um die bilaterale Zusammenarbeit zu...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Vize warnt: KI-Hype könnte Börsenkorrektur auslösen
17.11.2025

EZB-Vizepräsident Luis de Guindos schlägt Alarm: Der aktuelle Boom rund um Künstliche Intelligenz und hoch bewertete US-Tech-Aktien...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kinderarmut in Deutschland steigt – jedes siebte Kind ist armutsgefährdet
17.11.2025

Im vergangenen Jahr waren in Deutschland 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren armutsgefährdet – das entspricht rund 15...

DWN
Politik
Politik Ein diplomatischer Sturm zwischen Japan und China. Grund: Taiwan
17.11.2025

Japans neue Premierministerin Sanae Takaichi stellt klar: Ein chinesischer Angriff auf Taiwan wäre ein direkter Angriff auf Japans...