Politik

Iran-Gegenschlag: Fast 200 Raketen auf Israel abgefeuert - droht weitere Eskalation?

Der Iran hat Israel mit einer Vielzahl von Raketen angegriffen. Nach ersten Schätzungen der israelischen Armee wurden am Dienstagabend rund 180 Raketen abgefeuert. Die Mehrheit der Geschosse wurde laut israelischem Militär und einer von den USA geführten Verteidigungskoalition abgefangen. Im Westjordanland gab es ein Todesopfer, während in Tel Aviv zwei Personen verletzt wurden. Droht nun ein Flächenbrand in der Region?
01.10.2024 23:31
Aktualisiert: 01.10.2024 23:31
Lesezeit: 3 min

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu kündigte eine Vergeltung an. "Der Iran hat heute Abend einen großen Fehler begangen – und er wird dafür einen Preis zahlen", sagte Netanjahu laut seinem Büro dem israelischen Sicherheitskabinett. Der Iran-Gegenschlag sei gescheitert.

USA sieht bedeutende Eskalation

Die US-Regierung bezeichnete den Angriff als "vereitelt und unwirksam". Dennoch stellte der Raketenbeschuss eine "bedeutende Eskalation" dar, wie der US-Sicherheitsberater Jake Sullivan in Washington erklärte. Das Pentagon warnte den Iran vor weiteren Angriffen auf Israel. Sprecher Pat Ryder erklärte: "Wir hoffen, dass sie davon absehen, aber wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet."

Armeesprecher Daniel Hagari berichtete von vereinzelten Einschlägen im Zentrum und Süden Israels, jedoch ohne größere Schäden. "Dieser Iran-Gegenschlag wird Folgen haben", betonte Hagari und verwies auf bereits vorhandene Pläne.

Zur Abwehr der Raketen setzten die USA nach eigenen Angaben Kriegsschiffe ein. US-Präsident Joe Biden hatte das Militär beauftragt, Israel zu unterstützen und iranische Raketen abzufangen. Im Westjordanland kam laut palästinensischen Angaben ein 38-jähriger Palästinenser durch Raketensplitter ums Leben. Der Mann stammte aus dem Gazastreifen.

Vergeltung für Tötung von Hisbollah-Führern

Die iranischen Revolutionsgarden erklärten, der Angriff sei eine Vergeltung für die Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija, Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah sowie eines iranischen Generals. Diese Informationen wurden im Staatsfernsehen verbreitet.

Millionen Menschen in Israel suchten während des Iran-Gegenschlags Schutz in Bunkern. Im Untergeschoss eines Einkaufszentrums in Tel Aviv versammelten sich Dutzende Menschen. Eine Frau reagierte panisch auf die Explosionen, die auch in den Schutzräumen zu hören waren. Nach etwa einer Stunde gab es Entwarnung, und die Menschen konnten die Schutzräume wieder verlassen.

USA: Konsequenzen für den Iran-Gegenschlag

Auch der US-Sicherheitsberater Sullivan kündigte Konsequenzen für den Iran-Gegenschlag an. Auf die Frage, ob Israel die USA in einen regionalen Krieg hineinziehen könnte, erklärte Matthew Miller vom US-Außenministerium: "Die Vereinigten Staaten unterstützen ihre Partner, aber letztlich müssen diese ihre eigenen Entscheidungen treffen. Die USA werden ihre eigenen Interessen wahren." Die USA seien bereit, Diplomatie und Abschreckung zu nutzen, um eine Eskalation zu verhindern.

In Tel Aviv wurden durch Granatsplitter zwei Personen leicht verletzt, wie der Rettungsdienst Magen David Adom berichtete. Weitere Menschen erlitten leichte Verletzungen durch Stürze oder aufgrund akuter Angstzustände.

Kurz vor dem Raketenangriff gab es im Süden von Tel Aviv bei einer Messer- und Schussattacke sechs Todesopfer. Bei den Getöteten handelte es sich laut Polizei um Zivilisten.

Iran droht mit weiteren Angriffen - USA warnen davor

Die Revolutionsgarden behaupteten, sie hätten gezielt militärische Einrichtungen Israels getroffen. Sollte Israel auf den Iran-Gegenschlag antworten, drohten sie mit "vernichtenden und zerstörerischen Angriffen".

UN-Generalsekretär António Guterres rief die Konfliktparteien zur Zurückhaltung auf: "Dies muss ein Ende haben. Ein Waffenstillstand ist dringend nötig", forderte er auf X, ehemals Twitter.

Die USA hatten kurz vor dem Iran-Gegenschlag vor einem "unmittelbar bevorstehenden" Raketenangriff auf Israel gewarnt. Daraufhin riefen die israelischen Behörden die Bevölkerung im Großraum Tel Aviv auf, in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben.

Bereits im April hatten die Revolutionsgarden zum ersten Mal direkt Israel angegriffen, indem sie mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörper abfeuerten. Dieser Angriff wurde abgewehrt. Der Iran reagierte damit auf die Tötung hochrangiger Generäle, die bei einem mutmaßlich israelischen Angriff in Syrien ums Leben gekommen waren.

Irans Verbündete geschwächt

Zuletzt hatten Israels Militär und Geheimdienste Irans Verbündete erheblich geschwächt. Ende Juli wurde der Hamas-Auslandschef in Teheran getötet. Iran versprach daraufhin Vergeltung. Am Freitag wurde der Hisbollah-Chef Nasrallah bei einem weiteren Angriff getötet. Auch mehrere Hisbollah-Funktionäre wurden verletzt oder getötet.

Ein weiterer Meilenstein war der Einsatz israelischer Bodentruppen im Libanon. Zum ersten Mal seit fast zwei Jahrzehnten drangen sie in das Nachbarland ein. Rund ein Jahr nach Beginn des Gaza-Kriegs verlagerte sich der Schwerpunkt der Kämpfe in Richtung Libanon. Die israelische Armee sprach von "begrenzten" Angriffen nahe der Grenze auf Hisbollah-Stellungen, die eng mit dem Iran verbündet sind.

Freudenfeuer in Beirut

In Beirut wurde der Iran-Gegenschlag mit Freudenschüssen gefeiert. Im Vorort Haret Hreik, wo Nasrallah getötet worden war, wurden Schüsse in die Luft abgegeben. Auch im Zentrum von Beirut war Jubel zu hören. Viele der Menschen dort wurden durch die israelischen Angriffe vertrieben und suchten in der Stadt Zuflucht.

Seit der Revolution von 1979 gelten die USA und Israel als Hauptfeinde der Islamischen Republik Iran. Mit dem Beginn des Gaza-Kriegs drohte mehrfach eine Eskalation. Die Revolutionsgarden gelten als die stärkste militärische Kraft im Iran und weit über die reguläre Armee hinaus schlagkräftig.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Osterleckereien 2025: Warum Schokolade, Butter & Co. teurer sind denn je
19.04.2025

Ostern 2025 wird für Verbraucher teurer – besonders bei traditionellen Produkten wie Schokohasen, gefärbten Eiern und selbstgebackenem...

DWN
Immobilien
Immobilien Gewerbeimmobilien als Kapitalanlage? Lage matters!
19.04.2025

Gewerbeimmobilien bieten nach wie vor interessante Renditechancen für ausgefuchste Marktkenner. Wer klug investiert, kann von stabilen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wettbewerbskompass: Kurskorrektur bei Technologiewettbewerb dringend nötig!
19.04.2025

Europa steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen: Der globale Technologiewettbewerb spitzt sich zu, geopolitische Krisen...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitalisierung im Bürgeramt: Passfotos ab Mai nur noch digital erlaubt
19.04.2025

Ab dem 1. Mai sind in Deutschland im Grunde nur noch digitale Passfotos erlaubt. Das neue Verfahren soll Fälschungen vorbeugen. Wer denkt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Italienische Luxusunternehmen: Prada übernimmt und trägt nun auch Versace
19.04.2025

Über einen möglichen Kauf war seit mehreren Monaten spekuliert worden: Der Luxuskonzern Prada schluckt den Konkurrenten Versace. Damit...

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 und die Illusion von sicheren, langfristigen Renditen
18.04.2025

Der amerikanische Aktienmarkt befindet sich in turbulenten Zeiten. Angesichts der unvorhersehbaren Handelspolitik von Präsident Donald...