Politik

Der DWN-Kommentar: Scholz gegen Lindner – ein Symbol des Scheiterns der Regierung und des Kanzlers

Die Ampel ist Geschichte. Ein Scheitern, das die Probleme dieser Konstellation nochmal verdeutlicht.
07.11.2024 18:20
Aktualisiert: 07.11.2024 18:20
Lesezeit: 2 min

In einer ungewöhnlich emotionalen und persönlichen Rede hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend eine deutliche Abrechnung mit „seinem“ Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vorgenommen - und damit die Ampel-Koalition aufgelöst. In einem unmissverständlichen Ton und ungewohnt rigoroser Sprache zeigte er, dass der oft als langweilig verspottete Kanzler - das „Times Magazine“ zeigte Scholz einst frei von Körpersprache und Antrieb auf dem Cover - auch Emotionalität kann, und legte dabei zugleich offen, wie tief das Zerwürfnis innerhalb der Regierungskoalition fortgeschritten war. Eine derart präzise und überraschend ausführlich formulierte Rede unmittelbar nach dem Rauswurf des Finanzministers, lässt darauf schließen, dass diese bereits – wahrscheinlich einige Tage vorher – vorbereitet wurde. Dies wirft die Frage auf, ob hier gezielt eine Strategie zur Schwächung der FDP und Christian Lindners verfolgt wurde. Die Schuld am schwierigen Stand und am Ende der Ampelkoalition, so stellte Scholz dar, liege klar bei Lindner.

Doch ist die Sache so einfach und die Ampel an Christian Lindner gescheitert? Nein, die Realität ist komplizierter. Lindner, wenn auch spät, hat mit einigen wirtschaftlichen Reformvorschlägen durchaus Schritte in die richtige Richtung aufgezeigt, um die schwächelnde Konjunktur zu stabilisieren. Viele Beobachter aus der Wirtschaft und auch Verbände lobten das Papier.

Die Lindner-Vorschläge kamen zu einem Zeitpunkt, an dem die deutsche Wirtschaft zunehmend unter Druck steht. Dies zeigt sich im internationalen Vergleich: Gerade erst senkte der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Wachstumsprognose für Deutschland für das laufende Jahr um weitere 0,2 Prozentpunkte ab. Im kürzlich vorgestellten Jahresbericht geht der IWF nun von einem Nullwachstum der deutschen Volkswirtschaft aus – das schwächste Wachstum aller führenden westlichen G7-Industriestaaten.

Lindner konnte natürlich nicht erwarten, dass seine Vorschläge zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland von seinen Koalitionspartnern direkt und ohne Kompromisse übernommen werden. Im Laufe der Zeit hatte sich deutlich gezeigt, dass die Vorstellungen von SPD und Grünen dafür teilweise diametral entgegengesetzt sind.

Dass Scholz nun jedoch die Verantwortung für die Situation innerhalb der Regierungskoalition ausschließlich Lindner in die Schuhe schieben will, stellt erneut die Frage nach der Führungsstärke des Kanzlers in den Mittelpunkt. Ein unversöhnliches, bockiges Nachtreten und einseitige Schuldzuweisungen, offenbaren die Führungsschwäche des Bundeskanzlers.

Olaf Scholz war mal wieder wahrlich kein Aushängeschild für Deutschland. Er ist ein Bundeskanzler, der im Ausland oft als träge wahrgenommen wird, wie auch eine Passage in der oben erwähnten Ausgabe des Times-Magazins verdeutlicht: „Scholz hat die Möglichkeit Deutschland voranzubringen, er müsste sich halt nur mal schnell genug bewegen“. Scholz hat sich nur selten bewegt und es ist ihm in den vergangenen Monaten nicht gelungen, diese ideologisch schwierige Konstellation in der Ampel-Koalition zu einem funktionierenden Konstrukt zu einen. Ein Unternehmer in der freien Wirtschaft wäre so mit seiner Firma schon früh in Konkurs gegangen. Ein Chef, der einen Mitarbeiter entlässt und sich anschließend öffentlich abfällig über ihn äußert, würde nicht nur das Betriebsklima belasten, er hätte auch das Vertrauen in seine Führung langfristig verloren.

Die jüngsten Umfragen sprechen zusätzlich eine klare Sprache: Nur 14 Prozent der Deutschen sind laut ARD mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden.

So schwierig die Zeiten auch sind, ein Neuanfang könnte nun eine große Chance bieten, die politischen Blockaden zu überwinden und das Land auf einen stabileren Kurs zu bringen. Für viele Deutsche ein überfälliger Schritt. Es scheint dafür fünf vor zwölf.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Philipp Schmidt

Zum Autor:

Philipp Schmidt ist Geschäftsführer bei den Deutschen Wirtschaftsnachrichten.

DWN
Finanzen
Finanzen Zehn S&P 500‑Aktien mit Aufholpotenzial: So bewerten Analysten Chancen und Risiken
01.11.2025

Zehn S&P 500‑Aktien, die Analysten trotz schwächerer Jahresperformance als chancenreich einstufen, werden auf Wachstum, Bewertung und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lithium und die Energiewende: Wie der Rohstoff Elektronik und E-Mobilität vorantreibt
01.11.2025

Lithium gilt als das Metall unserer Zeit. Smartphones, Laptops und Elektroautos kommen ohne es nicht aus. Die Nachfrage steigt rapide,...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersrente berechnen: So hoch ist die Maximalrente in Deutschland
01.11.2025

Im Alter gilt, je mehr Rente, desto besser. Doch selbst mit extra Schichten oder einem hohen Einkommen ist der maximale Betrag an...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Winzer unter Druck: Wie sich eine Branche neu erfinden muss
01.11.2025

Der deutsche Weinbau steckt in der tiefsten Krise seit Jahrzehnten. Sinkender Konsum, steigende Kosten und eine zunehmende...

DWN
Technologie
Technologie Wärmepumpen als Zeichen moderner Energieeffizienz: Wie KI ihre Leistung steigern wird
01.11.2025

Das Heizen wird künftig noch effizienter, kostengünstiger und komfortabler. Dank künstlicher Intelligenz werden Wärmepumpen in der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fahrradverleih in Europa: Wie nachhaltige Mobilität jährlich 305 Millionen Euro bringt
01.11.2025

Fahrräder sind in vielen europäischen Städten längst Teil der urbanen Mobilität. Bikesharing bietet Vorteile über den reinen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chip-Markt: Neues Öl oder neue Bombe?
01.11.2025

Chips sind das Rückgrat der KI-Revolution. Doch hinter Rekorden und Milliardendeals wächst das Risiko. Ein Blick in die...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Bäder für Kreuzfahrtschiffe: Wie Stengel mit Serienfertigung Maßstäbe setzt
31.10.2025

Ob für Disney Cruise Line oder Carnival Cruises: Mit Nasszellen für Kreuzfahrtschiffe zeigt die Stengel GmbH aus Ellwangen, wie ein...