Politik

Erfolglose Verfassungsbeschwerden zu Strompreisbremse

Die Energiekrise führte zu umstrittenen Eingriffen in den Strommarkt. Ökostromerzeuger klagten gegen die Abschöpfung von Überschusserlösen, die zur Finanzierung der Strompreisbremse verwendet wurden. Doch das Bundesverfassungsgericht erklärte die Maßnahme für rechtmäßig. Was die Entscheidung bedeutet – und warum die Erzeuger scheiterten.
28.11.2024 11:15
Aktualisiert: 28.11.2024 12:04
Lesezeit: 3 min
Erfolglose Verfassungsbeschwerden zu Strompreisbremse
Strompreisbremse: Warum Ökostromerzeuger vor dem Verfassungsgericht scheiterten. (Foto: dpa) Foto: Uli Deck

Als durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine die Strompreise in Deutschland zu explodieren drohten, reagierte der Bund Ende 2022 mit einem neuen Gesetz. Mit einer Strompreisbremse sollten Haushalte und Unternehmen vor zu hohen Preisen geschützt werden. Doch nicht alle profitierten davon.

Am Bundesverfassungsgericht wehren sich insgesamt 22 Betreiber von Ökostromanlagen dagegen, dass ihre Gewinne teils abgeschöpft wurden, um die Preisbremse mitzufinanzieren. Im September verhandelten die obersten Richterinnen und Richter in Karlsruhe zu zwei entsprechenden Verfassungsbeschwerden.

Diese wurden abgewiesen, wie das Gericht heute in Karlsruhe entschied. In der außergewöhnlichen Lage habe die Umverteilung der erzielten Überschusserlöse einen gerechten Ausgleich zwischen den begünstigten Stromerzeugern und den belasteten Stromverbrauchern geschaffen. (Az. 1 BvR 460/23; 1 BvR 611/23).

Ziel der Strompreisbremse: Entlastung der Verbraucher

Die mittlerweile ausgelaufene Strompreisbremse sollte Verbraucher angesichts der Energiekrise bei steigenden Strompreisen entlasten. Ein Teil des Stromverbrauchs wurde zu einem festgelegten, günstigeren Preis bereitgestellt. Zur Finanzierung dieser Preisbremse wurden die Überschusserlöse von Stromerzeugern teilweise abgeschöpft.

Hohe Preise führten zu Zufallsgewinnen

Überschusserlöse, auch Zufallsgewinne genannt, bezeichnen Gewinne, die deutlich über den ursprünglich erwarteten Einnahmen der Unternehmen lagen. Ursache hierfür waren die extrem hohen Gaspreise infolge des russischen Angriffskriegs. Da Gaskraftwerke häufig als teuerste Kraftwerke den Strommarktpreis bestimmten, profitierten auch andere Erzeugungsarten von den hohen Preisen, während ihre Produktionskosten nahezu unverändert blieben. Die Abschöpfung dieser Überschusserlöse erfolgte vom 1. Dezember 2022 bis zum 30. Juni 2023.

Betreiber sehen Verantwortung beim Staat

Die 22 Betreiber von Windkraft-, Photovoltaik- und Biomassenanlagen klagten gegen diese Maßnahme vor dem höchsten deutschen Gericht. Sie argumentierten, die Abschöpfung sei verfassungswidrig. Die Kosten der Energiekrise müssten vom Staat getragen und aus Steuermitteln finanziert werden.

Was war noch mal die Strompreisbremse?

Die Strompreisbremse sollte Haushalte und Unternehmen bei damals steigenden Strompreisen entlasten. Ein Teil des Stromverbrauchs wurde dabei zu einem festgelegten, günstigeren Preis angeboten. So erhielten Haushalte und kleinere Unternehmen 80 Prozent ihres bisherigen Stromverbrauchs zu einem garantierten Bruttopreis von 40 Cent pro Kilowattstunde. Für Industriekunden lag die Grenze bei 13 Cent für 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs. Mitfinanziert wurde das Ganze auch aus Überschusserlösen - etwa von Ökostrom-Produzenten, die von den hohen Preisen profitiert hatten.

Und was sind Überschusserlöse?

Mit Zufallsgewinnen oder Überschusserlösen sind Gewinne gemeint, die damals deutlich über den erwartbaren Gewinnen der Unternehmen lagen. Ursache waren die extrem hohen Gaspreise infolge des russischen Angriffskriegs. Denn nach dem sogenannten Merit-Order-Mechanismus richten sich die Preise aller Stromerzeugungsarten nach den Kraftwerken mit den höchsten Kosten.

Weil Gaskraftwerke oft die teuersten Kraftwerke sind und sich die Preise daher an ihnen orientierten, profitierten auch die anderen Anlagen von den hohen Gaspreisen, obwohl ihre Kosten in etwa gleich blieben. So konnten etwa Erneuerbare-Energien- oder Braunkohle-Anlagen ihren Strom zu Preisen verkaufen, die weit oberhalb ihrer Produktionskosten lagen. Die Überschusserlöse mussten vom 1. Dezember 2022 bis 30. Juni 2023 teils abgegeben werden. Nach Angaben der Bundesregierung wurden rund 750 Millionen Euro abgeschöpft.

Was kritisierten die Unternehmen?

Nach Ansicht der klagenden Betreiber von Windkraft-, Photovoltaik- und Biomassenanlagen war diese im Strompreisbremsegesetz festgehaltene Abschöpfung ihrer Überschusserlöse verfassungswidrig. Die Bewältigung der Energiekrise sei Verantwortung des Staates, und daher aus Steuermitteln zu finanzieren. Die Stromkosten seien zudem eben nicht wegen der erneuerbaren Energien so hoch gewesen, sondern vor allem durch die Gaskraftwerke verursacht worden, argumentierten die Beschwerdeführer. Ausgerechnet diese seien aber von der Abschöpfung ausgenommen gewesen.

Wie entschied nun das Gericht?

Der Erste Senat in Karlsruhe folgte der Argumentation der klagenden Anlagenbetreiber am Donnerstag nicht. Verbraucher seien durch die damals steigenden Strompreise erheblich belastet, die Betreiber der Ökostromanlagen gleichzeitig außerordentlich begünstigt worden. Es habe sich um eine «Krise ganz außergewöhnlicher Dimension» gehandelt, so der Senat.

In dieser Ausnahmesituation habe die Umverteilung der erzielten Überschusserlöse einen angemessenen Ausgleich zwischen den begünstigten Stromerzeugern und den belasteten Stromverbrauchern hergestellt. Es sei zwar erheblich in die im Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit der betroffenen Stromerzeuger eingegriffen worden - in der Gesamtabwägung sei das aber gerechtfertigt gewesen.

Was ist eine Verfassungsbeschwerde?

Mit einer Verfassungsbeschwerde können sich vor allem Bürgerinnen und Bürger, aber auch Vereine, Stiftungen, oder Unternehmen an das Bundesverfassungsgericht wenden, wenn sie ihre Grundrechte verletzt sehen. Am Bundesverfassungsgericht gehen jährlich rund 5000 solcher Beschwerden ein. Es ist die häufigste Verfahrensart. Insgesamt sind Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe aber nur selten erfolgreich: Die Erfolgsquote der vergangenen zehn Jahre liegt nach Angaben des Gerichts bei gerade mal 1,66 Prozent.

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