Wirtschaft

Ukraine setzt auf eigene Massenproduktion von Raketen

Weitere 50 Milliarden US-Dollar soll die Ukraine von führenden westlichen Industriestaaten bekommen. Einen Großteil davon übernehmen die USA. Indirekt muss aber Russland dafür zahlen.
11.12.2024 09:01
Lesezeit: 3 min
Ukraine setzt auf eigene Massenproduktion von Raketen
Donald Tusk weist den Weg: Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU Bundesvorsitzender, mit dem Ministerpräsident von Polen nach einem Gespräch. Nach seiner Reise in die Ukraine hat Merz nun auch das Nachbarland Polen besucht. (Foto. dpa) Foto: Michael Kappeler

Die Ukraine setzt bei der Verteidigung gegen Russlands Angriffskrieg zunehmend auf weitreichende Raketen und Drohnen aus eigener Produktion. Bislang seien Vorhaben wie diese Science Fiction gewesen, "heute sind sie Realität", sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj. Er nannte unter anderem die neue Drohne Paljanytsja mit Jetantrieb, die Berichten zufolge im August erstmals eingesetzt worden war. "Die Paljanytsja-Rakete ist in die Massenproduktion gegangen", sagte Selenskyj.

Unterdessen gehen die internationalen Bemühungen um Unterstützung für das vom Krieg zerrüttete Land weiter, das sich seit mehr als 1000 Tagen einer russischen Invasion erwehrt. Die USA zahlen nach Angaben des Finanzministeriums einen zugesagten Kredit von 20 Milliarden US-Dollar (rund 19 Milliarden Euro) aus. Aber wie lange wird überhaupt noch gekämpft? Polens Regierung kann sich Verhandlungen über ein Ende des Krieges schon in diesem Winter vorstellen.

Militärisch bleibt die Lage für die Ukraine schwierig. Der Generalstab in Kiew berichtete von knapp 200 russischen Sturmangriffen entlang der Front im Osten und Süden des Landes. Im Gebiet Charkiw im Osten herrschte am Dienstagabend Luftalarm. Die ukrainische Luftwaffe warnte vor russischen Gleitbomben, die von Flugzeugen abgeworfen werden.

Ukraine will Nachteil bei Raketen wettmachen

Die Ukraine ist bei Raketen auf Eigenbauten angewiesen, weil westliche Waffen mit höherer Reichweite nur in geringer Stückzahl geliefert werden. Oft unterliegen sie zudem Einsatzbeschränkungen, die im Fall der ATACMS-Raketen aus den USA sowie der Raketen vom Typ Storm Shadow beziehungsweise Scalp aus Großbritannien und Frankreich erst vor kurzem gelockert wurden. Das russische Arsenal an Raketen und Marschflugkörpern ist ungleich größer.

Selenskyj berichtete, dass die Drohnenrakete Peklo mit 700 Kilometer Reichweite ihren ersten Kampfeinsatz erfolgreich absolviert habe. Auch sei eine Rakete mit der Bezeichnung Ruta erfolgreich getestet worden. Ebenfalls erwähnte er die weiterentwickelte Anti-Schiffs-Rakete Neptun.

Tote bei russischem Angriff auf Saporischschja

In der südostukrainischen Großstadt Saporischschja wurden durch einen russischen Raketenangriff nach Angaben der Regionalverwaltung mindestens vier Menschen getötet und weitere 20 verletzt. Einem Bericht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zufolge wurde das Gebäude einer Privatklinik beschädigt. Das russische Militär habe ballistische Raketen eingesetzt, hieß es.

Später meldeten die russischen Behörden einen Raketenangriff auf die Hafenstadt Taganrog an der russischen Schwarzmeer-Küste. Dabei sei eine Industrieanlage beschädigt worden, teilte der Gouverneur der Region Rostow laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass mit. Menschen kamen demnach nicht zu Schaden, dafür brannten 14 Fahrzeuge aus. Die Angaben beider Kriegsparteien lassen sich in der Regel kaum unabhängig überprüfen.

Tusk schließt Verhandlungen nicht aus

Polen übernimmt im Januar 2025 für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft und will dann die diplomatischen Anstrengungen für ein Ende des Krieges koordinieren. "Unsere EU-Ratspräsidentschaft wird unter anderem mitverantwortlich dafür sein, wie die Situation in den Verhandlungen aussieht, die im Winter dieses Jahres beginnen könnten", sagte der liberalkonservative Ministerpräsident Donald Tusk in Warschau.

Er kündigte eine Reihe von Treffen mit ausländischen Politikern an. Der französische Präsident Emmanuel Macron werde am Donnerstag in Warschau erwartet. Der polnischen Nachrichtenagentur PAP zufolge könnte Tusk noch diese Woche auch Selenskyj treffen. Und zu Beginn der polnischen EU-Ratspräsidentschaft soll der britische Premierminister Keir Starmer nach Warschau kommen. Außerdem wird Tusk in die norwegische Hauptstadt Oslo reisen, um sich eng mit den skandinavischen Ländern abzustimmen.

Russland muss indirekt für US-Kredit aufkommen

Die Vereinigten Staaten zahlen der Ukraine einen versprochenen Milliarden-Kredit von 20 Milliarden US-Dollar aus, der Teil eines umfassenderen Pakets ist: Im Oktober hatte die Gruppe der sieben führenden westlichen Industriestaaten (G7) der Ukraine einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar zugesagt, der durch Zinserträge aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten abgesichert wird. Die EU-Länder bringen eine ähnlich hohe Summe auf wie die USA. Die restlichen zehn Milliarden US-Dollar sollen von Großbritannien, Japan und Kanada übernommen werden.

Drohnenangriff auf Atom-Inspektoren

Mit dem russischen Angriffskrieg und der Besetzung des ukrainischen Kernkraftwerks Saporischschja ist auch das Risiko einer potenziellen Atomkatastrophe in der Ukraine gestiegen. Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) sollen sicherstellen, dass es nicht dazu kommt. Ein Fahrzeug der Behörde wurde nun in der Ukraine bei einem Drohnenangriff beschädigt, wie IAEA-Chef Rafael Grossi auf der Plattform X mitteilte. Niemand sei verletzt worden.

Die IAEA hat ständig Fachleute im russisch besetzten Atomkraftwerk Saporischschja stationiert, um die Lage in der frontnahen Anlage zu beobachten. Die Teams werden regelmäßig ausgewechselt. Der Vorfall mit der Drohne ereignete sich bei der jüngsten Rotation. Grossi verurteilte den Angriff: Attacken auf Kernkraftwerke seien grundsätzlich inakzeptabel, aber "diejenigen anzugreifen, die für die nukleare Sicherheit dieser Kraftwerke Sorge tragen, ist noch inakzeptabler."

Das wird heute wichtig

Um die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit der Ukraine geht es beim Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforum in Berlin. Dort sollen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Ministerpräsident Denys Schmyhal aus Kiew reden. Besonderes Augenmerk gilt den Organisatoren zufolge der ukrainischen Energieversorgung und der Kooperation von Rüstungsunternehmen beider Länder.

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