Finanzen

Notenbanker durch und durch: Ex-Bundesbankpräsident Schlesinger zum Gedenken

Zeit seines Lebens hat sich Helmut Schlesinger für eine stabile Währung eingesetzt. Dabei scheute er auch nicht den Konflikt. Nun ist der Anwalt des stabilen Geldes mit 100 gestorben.
27.12.2024 15:30
Aktualisiert: 27.12.2024 15:30
Lesezeit: 3 min
Notenbanker durch und durch: Ex-Bundesbankpräsident Schlesinger zum Gedenken
Trauer um den Hüter der deutschen Notenbank: Der frühere Bundesbankpräsident Helmut Schlesinger kommt am 13.07.2014 beim Tag der offenen Tür der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main zu einer Veranstaltung. (Foto: dpa) Foto: Arne Dedert

Seine Zeit an der Spitze der Deutschen Bundesbank war nur ein Intermezzo - doch Helmut Schlesingers bisweilen kompromissloser Einsatz für eine stabile D-Mark bleibt in Erinnerung. Es heißt, der gebürtige Oberbayer habe sich in seiner kurzen Amtszeit (1. August 1991--30. September 1993) mit so ziemlich allen Mächtigen außerhalb der Bundesbank angelegt. "Bayerischer Preuße", "unbequemer Mahner", "engstirniger Geld-Nationalist" - solche Attribute musste sich der Währungshüter in seiner aktiven Zeit gefallen lassen. Am 23. Dezember ist Schlesinger im Alter von 100 Jahren gestorben.

Geboren 1924 in der oberbayerischen Kleinstadt Penzberg, wurde Schlesinger Notenbanker von der Pike auf. Nach einer Station beim Münchner Ifo-Institut kam der promovierte Volkswirt 1952 zur Bank deutscher Länder, der Vorläuferin der Bundesbank, und baute die Notenbank praktisch mit auf. Das trug ihm die Bezeichnung "Verwalter des Herrschaftswissens der Bundesbank" ein.

"In den 42 Jahren, die ich bei der Bundesbank war, gab es auch Zeiten, in denen nicht alles hundertprozentig gelaufen ist", erinnerte sich der Jubilar anlässlich seines 95. Geburtstags am 4. September 2019. "Das Gesamtergebnis ist jedoch erstaunlich: Die D-Mark, die ein Besatzungskind war, wurde zur zweitwichtigsten Währung der Welt. Dass sich Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg so gut entwickeln würde, war nicht vorhersehbar."

Von 1964 bis 1972 leitete Schlesinger die Bundesbank-Hauptabteilung Volkswirtschaft und Statistik, 1972 rückte er als Chefvolkswirt ins achtköpfige Direktorium und damit in den Zentralbankrat auf. Acht Jahre später wurde er Vizepräsident der Notenbank und beerbte schließlich im August 1991 Karl Otto Pöhl als Bundesbank-Präsident.

Die üblicherweise achtjährige Amtszeit wurde bei Schlesinger aus Altersgründen von vornherein begrenzt, denn Schlesinger trat den Posten im Alter von fast 67 Jahren an. Bereits Ende September 1993 machte er darum Platz für Hans Tietmeyer.

Hätte er nicht gerne weiter in der Geldpolitik die Fäden gezogen? "Jedes weitere Jahr wäre mir zweifelsohne schwergefallen", sagte er im Sommer 2019. Nach seinem Ausscheiden aus der Bundesbank war er unter anderem Professor an der Universität in Princeton in den USA und als Berater im Auftrag der Bundesregierung im Ausland tätig.

Euro-Schuldenkrise, Griechenland-Drama, Staatsanleihenkäufe - wachsam verfolgte Schlesinger auch im hohen Alter die Arbeit seiner Nachfolger in der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank (EZB): "Ich lese täglich Zeitung, die Monatsberichte und die Presseauszüge der Bundesbank - und den `Economist´von vorne bis hinten."Auf E-Mails antwortete er prompt - mit Unterstützung seiner Frau Carola, mit der er am 29. Oktober 2019 seit 70 Jahren verheiratet war: "Meine Frau bedient das Internet."

Einen kritischen Blick auf die Geldpolitik hat sich Schlesinger stets bewahrt. Als die EZB im Mai 2010 Euro-Krisenländer durch Staatsanleihenkäufe stützte, warnte Schlesinger: "Damit ist der Rubikon überschritten." Dass Notenbanken mit einer Flut billigen Geldes politische Probleme bekämpfen, war dem Währungshüter alter Schule ein Graus. "Leichtfertig" sei Zentralbankgeld in Umlauf gebracht worden.

In einem Interview im März 2012 betonte der frühere Bundesbank-Präsident, der einst die Bundesregierung bei Verhandlungen über die europäischen Verträge (Maastricht) beriet, aber auch: "Man kann den Euro nicht einfach wieder abschaffen. Der Zusammenbruch der Währungsunion wäre eine Katastrophe - für alle Beteiligten."

Durchhaltevermögen zeigte der Vater von drei Töchtern und einem Sohn auch im Privaten. "Die Alpen haben mir schon gefehlt, als wir nach Hessen gezogen sind", schilderte Schlesinger, der seit 1962 in Oberursel lebte. "Darum habe ich mir vorgenommen, zweimal im Jahr in die Berge zu fahren. Das hat wegen meiner Pflichten in der Bundesbank leider nicht immer zum richtigen Zeitpunkt geklappt."

In der Zwischenzeit absolvierte er sein ganz persönliches Fitness-Programm: "Als kleine Übung bin ich jeden Tag zu Fuß in den 13. Stock der Bundesbank gelaufen. Im Parterre habe ich einem Mitarbeiter meine Aktentasche gegeben, der konnte mit dem Lift fahren, und ich bin zu Fuß gegangen."

Mit der Familie lernte er die Rocky Mountains in vier Etappen von Nord bis Süd kennen, hoch hinaus kam der begeisterte Bergsteiger auf Trekkingtouren in Bhutan und Nepal. Nach einer Nepal-Reise sei er darauf angesprochen worden, was denn das buddhistische Mantra "Om mani padme hum" auf Deutsch bedeute. Schlesingers Antwort: "Man muss die Geldmenge knapp halten."

Einer seiner Mitarbeiter schenkte ihm einmal eine Collage aus zerschnittenen Geldscheinen mit einer Seitenansicht Schlesingers im Zentrum. Dem Betrachter eröffnet sich ein Blick auf das, was der Notenbanker vermeintlich vor allem im Kopf hatte: "Geldmenge, Geldmenge, Geldmenge!"

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