Finanzen

Europas schwächelnde Konjunktur: EZB senkt Zinsen erneut

Die Sorgen um die Wirtschaft im Euroraum haben zugenommen. Niedrigere Zinsen könnten die Konjunktur ankurbeln. Volkswirte gehen davon aus, dass die unterste Schwelle noch nicht erreicht ist.
12.12.2024 14:55
Aktualisiert: 12.12.2024 14:55
Lesezeit: 3 min

Die Europäische Zentralbank (EZB) reagiert mit der vierten Zinssenkung in diesem Jahr auf wachsende Sorgen um die Konjunktur im Euroraum. Volkswirte rechnen damit, dass die Notenbank die Leitzinsen im nächsten Jahr noch weiter herabsetzen wird. Denn Handelskonflikte etwa mit den USA und ihrem wiedergewählten Präsidenten Donald Trump könnten die schwächelnde Konjunktur in Europa zusätzlich unter Druck setzen.

Vorerst verringert der EZB-Rat den am Finanzmarkt richtungsweisenden Einlagenzins um 0,25 Prozentpunkte auf 3,0 Prozent. Diesen Zins erhalten Geschäftsbanken auf Gelder, die sie bei der Notenbank parken. Sparerinnen und Sparer dürften die erneute Senkung zu spüren bekommen: Sinkende Einlagenzinsen geben viele Institute in Form niedrigerer Tages- und Festgeldzinsen an ihre Kundschaft weiter.

Der Zins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können, wird ebenfalls erneut gesenkt: von 3,4 Prozent auf 3,15 Prozent. Tendenziell sind niedrigere Leitzinsen gut für die Konjunktur: Kredite werden erschwinglicher, Firmen und Privatleute – etwa Hausbauer – kommen günstiger an Finanzierungen für Investitionen und können so für Wirtschaftswachstum sorgen.

Experten halten Inflationswelle für beendet

Ökonomen hatten mit der erneuten Zinssenkung gerechnet, teilweise hatte es Spekulationen über einen noch größeren Schritt von 0,5 Prozentpunkten nach unten gegeben. Dass die große Teuerungswelle in der Eurozone vorbei ist, eröffnet Spielräume für die Währungshüter.

Sorge macht der EZB zudem die schwache Konjunktur im Euroraum. Erst kürzlich warnte Präsidentin Christine Lagarde vor einer anhaltenden Wirtschaftsschwäche. Mit Frankreich und Deutschland stecken zudem Europas Schwergewichte in der Regierungskrise und fallen als Motor für Reformen in schwierigen globalen Zeiten aus.

Die EZB hat ihre Erwartungen an das Wirtschaftswachstum im Euroraum weiter nach unten geschraubt. Für das Gesamtjahr 2024 erwartet die Notenbank nur noch ein Plus von 0,7 Prozent. Auch die Prognosen für 2025 (1,1 Prozent) und 2026 (1,4 Prozent) fallen pessimistischer aus als noch im September.

EZB optimistisch für Inflationsziel

Die Teuerung im Euroraum wird nach Einschätzung der Notenbank dagegen etwas schneller zurückgehen als zuletzt erwartet. Für das laufende Jahr rechnet die EZB mit einer Inflationsrate von 2,4 Prozent, im September hatte die EZB noch 2,5 Prozent vorhergesagt. 2025 wird eine Rate von 2,1 Prozent erwartet. Für 2026 rechnet die EZB unverändert mit einem durchschnittlichen Anstieg der Verbraucherpreise im Euroraum von 1,9 Prozent.

Die Notenbank zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Inflation "nachhaltig im Bereich des mittelfristigen Zielwerts des EZB-Rats von zwei Prozent einpendeln wird". Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig eine jährliche Inflationsrate von 2,0 Prozent an – weit genug entfernt von der Nullmarke.

Dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben in der Erwartung, dass es bald noch billiger wird. Auch wenn Preise zu stark steigen, ist das Gift für die Wirtschaft: Dann verlieren Verbraucherinnen und Verbraucher Kaufkraft. Das schmälert den Konsum als wichtige Stütze der Konjunktur.

Teuerung weit entfernt von Rekordhoch

Zwar hat die jährliche Inflationsrate sowohl in Europas größter Volkswirtschaft Deutschland als auch im Euroraum insgesamt zuletzt wieder zugelegt. Doch trotz eines Anstiegs auf 2,3 Prozent im Euroraum im November erwarten Experten derzeit keine Teuerungswelle wie nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022, als sich Energie und Lebensmittel rasant verteuerten.

Vom Rekordhoch bei 10,7 Prozent im Herbst 2022 ist die Inflation im Währungsraum inzwischen weit entfernt – auch, weil sich die EZB mit dem kräftigsten Zinsanstieg seit 25 Jahren dagegenstemmte. Im Juli 2022 fand die jahrelange Null- und Negativzinspolitik ein Ende, zehnmal schraubte die EZB in der Folge die Zinsen nach oben. Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohen Inflationsraten entgegenwirken kann. Im Juni 2024 senkte die EZB die Leitzinsen erstmals wieder.

Sorgen um die Wirtschaft und Trumps Zollpläne

Drohende Handelskonflikte sind nach Einschätzung führender Notenbanker ein zusätzliches Risiko für die ohnehin schwächelnde Konjunktur im Euroraum. Der designierte US-Präsident Trump hat hohe Zölle auf Einfuhren aus Europa angekündigt. Die Europäische Union könnte mit Gegenmaßnahmen reagieren. Besonders betroffen von einem solchen Handelskonflikt wäre voraussichtlich die Exportnation Deutschland.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Technologie
Technologie BradyPrinter i7500: Revolution im Hochpräzisionsdruck

Sie haben genug vom altmodischen Druck großer Etikettenmengen? Keine Kalibrierung, keine Formatierung, kein umständliches Hantieren mit...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Initiative treibt digitales Bezahlen in Deutschland voran
29.03.2025

Beim Einkaufen gewinnen digitale Bezahlverfahren zunehmend an Beliebtheit. Doch nicht alle Händler in Deutschland bieten bereits digitales...

DWN
Finanzen
Finanzen KI-ETF-Vergleich: Wie Anleger in künstliche Intelligenz investieren können
29.03.2025

Künstliche Intelligenz (KI) ist längst keine Science-Fiction mehr, KI ist ein zentraler Treiber der modernen Wirtschaft. Von diesem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schleichende Deindustrialisierung: Ist „Made in Germany“ am Ende?
29.03.2025

Was passiert, wenn der deutsche Industriestandort zusammenbricht? Ein Land ohne Produktion – das bedeutet Massenarbeitslosigkeit,...

DWN
Panorama
Panorama Fast 14 Millionen profitieren von der Pendlerpauschale - kommt die Erhöhung?
29.03.2025

Die in den aktuellen Koalitionsverhandlungen kontrovers diskutierte Pendlerpauschale – auch als Entfernungspauschale bekannt – wird...

DWN
Politik
Politik Demokraten in der Zerreißprobe: Wie besiegt man Trump?
29.03.2025

Eine Partei im Zwiespalt: Die Demokraten suchen nach einer Strategie. Während einige sich offen gegen Trump stellen, wollen andere...

DWN
Politik
Politik YouGov-Umfrage: AfD fährt höchsten Wert aller Zeiten ein
29.03.2025

Laut zwei aktuellen Wahlumfragen kann die AfD ihren Abstand zur CDU/CSU weiter verringern. Die Partei fährt bei einer YouGov-Umfrage ihren...

DWN
Finanzen
Finanzen Großer Goldfund in Finnland: Neue Goldmine in Lappland geplant
29.03.2025

Inmitten der weiten Landschaft Lapplands könnte schon bald eine neue Goldmine entstehen. Der kanadische Bergbaukonzern Rupert Resources...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zeiss: Vom Mikroskop-Pionier zum Hightech-Konzern
28.03.2025

Zeiss prägt die Optikindustrie seit fast zwei Jahrhunderten. Vom ersten Mikroskop bis zur Halbleitertechnik von heute spiegelt die...