Finanzen

Europas schwächelnde Konjunktur: EZB senkt Zinsen erneut

Die Sorgen um die Wirtschaft im Euroraum haben zugenommen. Niedrigere Zinsen könnten die Konjunktur ankurbeln. Volkswirte gehen davon aus, dass die unterste Schwelle noch nicht erreicht ist.
12.12.2024 14:55
Aktualisiert: 12.12.2024 14:55
Lesezeit: 3 min
Europas schwächelnde Konjunktur: EZB senkt Zinsen erneut
Spielraum nutzen: Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), spricht beim „Frankfurt European Banking Congress“. (Foto: dpa) Foto: Helmut Fricke

Die Europäische Zentralbank (EZB) reagiert mit der vierten Zinssenkung in diesem Jahr auf wachsende Sorgen um die Konjunktur im Euroraum. Volkswirte rechnen damit, dass die Notenbank die Leitzinsen im nächsten Jahr noch weiter herabsetzen wird. Denn Handelskonflikte etwa mit den USA und ihrem wiedergewählten Präsidenten Donald Trump könnten die schwächelnde Konjunktur in Europa zusätzlich unter Druck setzen.

Vorerst verringert der EZB-Rat den am Finanzmarkt richtungsweisenden Einlagenzins um 0,25 Prozentpunkte auf 3,0 Prozent. Diesen Zins erhalten Geschäftsbanken auf Gelder, die sie bei der Notenbank parken. Sparerinnen und Sparer dürften die erneute Senkung zu spüren bekommen: Sinkende Einlagenzinsen geben viele Institute in Form niedrigerer Tages- und Festgeldzinsen an ihre Kundschaft weiter.

Der Zins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können, wird ebenfalls erneut gesenkt: von 3,4 Prozent auf 3,15 Prozent. Tendenziell sind niedrigere Leitzinsen gut für die Konjunktur: Kredite werden erschwinglicher, Firmen und Privatleute – etwa Hausbauer – kommen günstiger an Finanzierungen für Investitionen und können so für Wirtschaftswachstum sorgen.

Experten halten Inflationswelle für beendet

Ökonomen hatten mit der erneuten Zinssenkung gerechnet, teilweise hatte es Spekulationen über einen noch größeren Schritt von 0,5 Prozentpunkten nach unten gegeben. Dass die große Teuerungswelle in der Eurozone vorbei ist, eröffnet Spielräume für die Währungshüter.

Sorge macht der EZB zudem die schwache Konjunktur im Euroraum. Erst kürzlich warnte Präsidentin Christine Lagarde vor einer anhaltenden Wirtschaftsschwäche. Mit Frankreich und Deutschland stecken zudem Europas Schwergewichte in der Regierungskrise und fallen als Motor für Reformen in schwierigen globalen Zeiten aus.

Die EZB hat ihre Erwartungen an das Wirtschaftswachstum im Euroraum weiter nach unten geschraubt. Für das Gesamtjahr 2024 erwartet die Notenbank nur noch ein Plus von 0,7 Prozent. Auch die Prognosen für 2025 (1,1 Prozent) und 2026 (1,4 Prozent) fallen pessimistischer aus als noch im September.

EZB optimistisch für Inflationsziel

Die Teuerung im Euroraum wird nach Einschätzung der Notenbank dagegen etwas schneller zurückgehen als zuletzt erwartet. Für das laufende Jahr rechnet die EZB mit einer Inflationsrate von 2,4 Prozent, im September hatte die EZB noch 2,5 Prozent vorhergesagt. 2025 wird eine Rate von 2,1 Prozent erwartet. Für 2026 rechnet die EZB unverändert mit einem durchschnittlichen Anstieg der Verbraucherpreise im Euroraum von 1,9 Prozent.

Die Notenbank zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Inflation "nachhaltig im Bereich des mittelfristigen Zielwerts des EZB-Rats von zwei Prozent einpendeln wird". Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig eine jährliche Inflationsrate von 2,0 Prozent an – weit genug entfernt von der Nullmarke.

Dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben in der Erwartung, dass es bald noch billiger wird. Auch wenn Preise zu stark steigen, ist das Gift für die Wirtschaft: Dann verlieren Verbraucherinnen und Verbraucher Kaufkraft. Das schmälert den Konsum als wichtige Stütze der Konjunktur.

Teuerung weit entfernt von Rekordhoch

Zwar hat die jährliche Inflationsrate sowohl in Europas größter Volkswirtschaft Deutschland als auch im Euroraum insgesamt zuletzt wieder zugelegt. Doch trotz eines Anstiegs auf 2,3 Prozent im Euroraum im November erwarten Experten derzeit keine Teuerungswelle wie nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022, als sich Energie und Lebensmittel rasant verteuerten.

Vom Rekordhoch bei 10,7 Prozent im Herbst 2022 ist die Inflation im Währungsraum inzwischen weit entfernt – auch, weil sich die EZB mit dem kräftigsten Zinsanstieg seit 25 Jahren dagegenstemmte. Im Juli 2022 fand die jahrelange Null- und Negativzinspolitik ein Ende, zehnmal schraubte die EZB in der Folge die Zinsen nach oben. Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohen Inflationsraten entgegenwirken kann. Im Juni 2024 senkte die EZB die Leitzinsen erstmals wieder.

Sorgen um die Wirtschaft und Trumps Zollpläne

Drohende Handelskonflikte sind nach Einschätzung führender Notenbanker ein zusätzliches Risiko für die ohnehin schwächelnde Konjunktur im Euroraum. Der designierte US-Präsident Trump hat hohe Zölle auf Einfuhren aus Europa angekündigt. Die Europäische Union könnte mit Gegenmaßnahmen reagieren. Besonders betroffen von einem solchen Handelskonflikt wäre voraussichtlich die Exportnation Deutschland.

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